Hinter den weiten Grasfeldern von Falkenstein erhob sich die Morgensonne. Im Schutze der restlichen Nacht war es für den Drachen ein Leichtes gewesen zu landen. Für gewöhnlich standen auf dem Waldparkplatz Autos von Spaziergängern und Frischluftfanatikern. Doch bevor die ersten Hunde bellen konnten und deren Besitzer vor Panik die Flucht ergriffen, würde sich die Versammlung schon wieder aufgelöst haben. Die braunen Augen Roosters glühten vor Zorn. Sein Beschützerinstinkt brach
durch und hätte Ren am liebsten einmal gut ab geflämt. "Ich glaube, dieses Ding diente als eine Art Barriere für den Zauber. Dieses Wesen war bereits tot, heftete sich aber noch an das Diesseits. Durch das Auflösen des Zaubers wurde die restliche Energie vom ihm verschlungen." Duncan hatte sich vor Rooster gestellt, dieser war nämlich kurz davor Ren anzufallen, wie ein verwildertes Hausschwein. Der junge Graf hingegen übernahm die Kontrolle des Gesprächs: "Ihr habt ihn also getötet. Das ist grausam." "Besser so, als wenn die Meisterin Alexis den Zauber mit ihrer eigenen
Kraft haltbar gemacht hätte. Jeder der nach ihnen suchen würde, könnte sonst eine magische Fährte aufnehmen", die kalte Logik schmerzte. Im selben Augenblick machte dieser Schmerz jeden von ihnen klar, wie ernst die ganze Situation war. "Für sie ist es dennoch eine grausame Art Magie zu nutzen", klagte Kai schon halb schlafen. Die Erschöpfung und der Blutverlust benebelten seine Sinne. Wie ein nasser Sack hing er an der Seite seines Bruders. "Dieses Wesen war verdammt und so stark, dass es nur auf diese Weise exorziert werden konnte", war Rens nüchterne Antwort, in der Duncan die
Ungewissheit des Dämonenjägers erkannte, ob dieses Wesen nun tot war oder nicht. "Wer wird den Report auf sich nehmen?", forderte Ren zu erfahren. Darauf meldete sich Rooster, und bekam sofort ein Stück Büttenpapier vorgehalten, worauf Duncan seinen besten Freund von der Seite anblitzte. Dies hieß so viel wie: "Halt’ dich bloß zurück, verrückter Gockel!" "Lies, was dort steht. Nach dem Lesen versiegelt sich der Brief, und nur die Direktorin alleine wird ihn öffnen und lesen können." "Du unterstützt unser Alibi. Das ist großzügig von dir. Wir werden unsere
Aussagen dem anpassen, was in dem Brief steht", bedankte sich der Graf, bevor Rooster lospoltern konnte. "Das ist keine Höflichkeit, Graf. Kai muss trainieren. Wenn er nicht bald einen Meister findet, wird er sich selbst zerstören oder derjenige wird es tun, der seine Mutter soweit bringt ein Monster auf ihr Kind loszulassen." Ähnliche Worte vernahm Kai bereits auf dem Rückflug mit der Drachendame. Aus dem Mund des Asatos klangen sie nur wesentlich bedeutsamer. Diese Erkenntnis wiegte schwer und schmerzte tief im Innern. Ohne weitere Aufregung verschwand der Mann mit dem Drachen am
gegenüberliegenden Horizont. Der Zenit wurde noch nicht von der Sonne berührt und so kam es den drei Zurückgeblieben vor, als kehrten sie nicht nach Hause, sondern in die Dunkelheit zurück. Mit diesem Gefühl der Kälte saß Kai nun in einem Bett des Krankenflügels und starrte auf die Nachricht, welche er sich in Tellerburgen auf die Innenseite seiner Hand notierte. Wegen so wenigen Zeichen und Zahlen bemühte er Rooster, Duncan und die Zwillinge der Asatos. Inständig hoffte er, die Hackerin würde dicht halten. Ihm schmerzte der Kopf in dem Augenblick, in dem Mia in seine
Gedanken trat. Was hatte sie nur getan? Und warum? All diese Gedanken, beschäftigten Kai-Alexander während ich meinen Enkel zusammenfaltete. „Untersteh dich, junger Mann!“ „Aber Oma!“ „Nichts, aber Oma, du bleibst ab sofort im Bett!“ „Oma...“ „Du bleibst im Bett und du hast Hausarrest, bis du wieder gesund bist.“ „Es ist wichtig.“ „Gesund werden ist wichtiger, als Abenteurer zu spielen, außerdem solltest du wieder mal in die Bücher schauen. Du
hast sowieso zwei Wochen Bettruhe.“ Wegen der ganzen Suche nach meinem Sohn fühlte ich mich fertig mit den Nerven, seine Eltern – förderten nicht mehr zu Tage als ein alter Büchergeist meines Mannes, und einen katastrophalen Gesundheitszustand meines Enkels. „Ich werde nie krank.“ „Oh, und eine angehende Lungenentzündung ist keine Krankheit? Was kommt denn nach Coimbra? Noch schnell in den Norden fliegen, und dich mit einem Yeti anlegen?“ In meiner Familie war das ganz und gar nicht so abwegig. „Oma!“, rief Kai, und schwang die Füße aus dem Bett. Offensichtlich wollte er
vermeiden, dass ich Ackerfurchen in den Dielenboden lief. Jedoch war ich nicht auf eine Versöhnung aus, und fauchte ihn sofort wieder an: „Von mir aus, drei Wochen und auch vier, wenn du dich nicht gleich hinlegst, Kai-Alexander.“ Eine Glucke bin ich nun wirklich nicht, aber wenn ich das jetzt nicht machen würde, wäre ich zum letzten Mal Oma gewesen. Mit einem Asato trainieren, ohne einen Meister dabei zu haben. Gott steh’ mir bei: Wenn Asrael davon erfuhr. Unbewusst stopfte ich Kai-Alexanders Bettdecke extra fest um ihn herum, als es an der Zimmertür klopfte, und Aslan sich das Szenario
betrachtete. Trotz meines Gezeters verteidigte mich mein Enkel: "Ich werde gerade ans Bett gefesselt, zu deiner Information." „Ich möchte deine Wunde versorgen, Kai-Alexander.“ Der Junge zog kaum merklich das Genick ein. Dieser strenge Blick des alten Meisters war für Kai-Alexander wesentlich schlimmer als meine Strafpredigt. Deswegen ging Aslan auch nicht gerade zimperlich bei der Wundversorgung vor. Dabei ließ er es den Jungen ordentlich spüren, wie sauer er auf ihn war. Jetzt stieß Kai ein lautes Autsch hervor, das mich zum Hinsetzen
zwang. „Das kann ja Eiter werden, sprach der Arzt, als er die Wunde sah“, scherzte Aslan, wenn er sich auch etwas schwer damit tat, meinen ältesten Enkel nachzuahmen. „Aslan, fang’ du jetzt nicht auch noch an. Wechsel einfach den Verband“, jammerte ich, und spürte zugleich wie sich meine Nervosität und Wut etwas legte. „Oma, ich bin es gewohnt, die anderen quälen mich auch immer mit solchen Sprüchen.“ „Ich will einen Enkel, keine Leiche!“, widersprach ich dem dummen Männergeschwätz und lehnte mich im
Sessel zurück. „OMA! An einer zerschrammten Schulter, stirbt man nicht“, moserte Kai. Irgendwas wollte ich ihm noch entgegen werfen, ließ es dann aber gut sein, und stolperte aus dem Zimmer. Wenn der Junge es nicht ernst nahm, musste ich ihn eben Aslans Händen und seinem Urteil überlassen. Der Kastellan unseres Haupthauses hielt sich nur meinetwegen noch mit einer Strafpredigt zurück. „Du bist dumm, ein dummes Kind“, meinte Aslan und fing damit an, die Wunde zu säubern. „Warum hast du nichts gesagt?" Jetzt griff Kai nach einem Tuch und Desinfektionsmittel, und wischte sich die
Farbe von der Hand. Sein Entschluss stand fest nichts den Älteren zu sagen, auch wenn wir bereits von diesem Attribut von Kais Mutter wussten. "Wo warst du wirklich?" „Ich...“, überlegte Kai, und zerquetschte das feuchte Tuch in seiner Hand. Doch Aslan zeigte sich unnachgiebig. Hingegen seiner Stimme verhielt er sich viel zu sanft für die Art des Gespräches. "Was wäre passiert, wenn dir Schlimmeres passiert wäre." „Was hätte ich sagen sollen? Aslan, sie vermisst die anderen so sehr. Ich merke doch, dass es ihr nicht gut geht, seid der Begegnung am See.“ „Das ist ein Grund, jedoch keine
Rechtfertigung dafür, Kai-Alexander. Wenn du erwachsen wärst, hättest du deiner Großmutter gesagt, was los ist, im Nachhinein machst du nur alles schlimmer. Hättest du etwas gesagt, müsstest du jetzt nicht im Bett liegen, und ich dir nicht deine Schulter versorgen.“ Nun stand Kai auf und zog sich seinen Schlafanzug an, wie ich es ihm befohlen hatte. Der Araber ließ es sich nicht nehmen, den Jungen zuzudecken und sich noch an sein Bett zu setzen. "Wer hat Mia gefunden?", fragte Kai genauso ruhig wie Aslan Gesichtsausdruck war. Dieser dachte der Junge wollte ablenken und antwortete
ausweichend: "Johanna wird dir alles erklären." "Was denn? Das sie unten im Labyrinth war? Oder das Mia das Mosaik benutzen kann? Nein warte, dass ihr Leben in Gefahr war?" Mürrisch verschränkte Aslan die Arme vor der Brust: "Wenn du schon alles weißt, weswegen fragst du dann noch." Daraufhin blickte Kai ihn nicht an. Lieber betrachtete er den ersten Schnee des Jahres aus dem Fenster am Bett. "Ich weiß nicht alles. Deswegen, wer hat sie heraufgeholt?" "Sabriel." "Gut, sie kann mich gerne mit Johanna besuchen kommen. Oma hat mich ja
sowieso schon eingesperrt." Zwischen den beiden herrschte eisige Kälte. Der Junge wandte sich weiterhin ab, und beendete damit das Gespräch. Den Zorn und die Enttäuschung seiner Familie nahm er in Kauf. Die Tatsache damit nur uns alle vor größerem Unheil zu bewahren, sah zu diesem Zeitpunkt niemand. Selbst Aslan glaubte in diesem Moment einfach nur einen bockigen Jungen vor sich zu haben, welcher nicht erkannte, was er für Fehler beging, indem er niemanden an sich heran ließ. Langsam kam Mia zu sich. Eingebettet in warme Daunen fiel es ihr sichtlich
schwer, den eigenen Körper vollständig wahrzunehmen. Von ihren Gliedern ging kein Schmerz aus, dafür aber fühlten sie sich unangenehm schwer an. Einen warmen Atemzug spürte sie an ihrer Wange, und ihre Sinne begannen sich auszustrecken. Neugierig woher es kam, drehte sie ihr Gesicht zur Seite. Kaum merklich zuckten die feinen Mundwinkel des Mädchens beim Anblick des schlafenden Jungen. Ihre Hand schob sich unter der Decke hervor, und fuhr dessen Gesicht nach. Sein Atem hörte sich sehr flach an. Fast könnte man meinen, Kai würde überhaupt nicht atmen.Allmählich richtete sich Mia auf. Oder besser sie versuchte es, denn Kai
saß auf einem Hocker und sein Oberkörper bedeckte ihre Beine. Sanft fing das Mädchen damit an, Kai über den Kopf zu streichen, bis runter in seinen Nacken. Dort spürte sie, wie sich langsam eine Gänsehaut ausbreitete. Ihre Fingerspitzen fuhren auch über rauen Stoff. Es handelte sich um Bandagen, die Aslan dem Jungen anlegte. Traurig schloss Mia ihre Augen, und versuchte mit dem Erlebten ins Reine zu kommen. Hierbei hörte sie jedoch nicht auf Kai fürsorglich zu berühren, und sie spürte dabei wie müde er war. Es dauerte gar nicht lange und das Streicheln, sowie diese Gänsehaut holten Kai aus seinem
Schlaf. Nun richtete sich der Junge auf, und legte ihr seine Hand auf den schwarzen Schopf. Tiefes Grün betrachteten Mia mit der Art von Blicken, die für Neues und Unerkanntes gedacht waren. Zwar leuchteten Mias rote Wangen, aber der Rest ihres Gesichtes sah aschfahl aus. Ihre Haut fühlte sich sehr warm an, doch nicht weiter besorgniserregend. Seine Hand fuhr ihr übers Gesicht mit dem Zweck, ihr eine Strähne aus diesem zu streichen. Doch stattdessen wanderte sein Daumen über ihre Lippen. Irgendwie faszinierte Mias verschlafener Anblick ihn. Dieser beruhigte alles, vor allem Kais
Herz. Die Geste war zwar sehr schön, doch Mia wollte das nicht, deswegen nahm sie seine Hand und lehnte ihre Wange an diese. Außerdem zog sie Kai zu sich, bis sich ihre Nasenspitzen stupsten. Ungeachtet wie gut ihr die Tuchfühlung tat, vergrößerte Mia wieder den Abstand, sah auf die Daunendecke, jedoch war die Anziehung zu dem Alexis größer. Bernstein und Smaragd sahen sich unverwandt an, in dem Wissen darüber was in Dänemark passierte. Die Sekunden verstrichen, vielleicht sogar Minuten und beide entdeckten, dass dieses Ereignis nichts zwischen ihnen
änderte. Verspielt kicherte Mia, anscheinend gefiel ihr diese Nähe außerordentlich. Ebenso wie Kai, doch dieser empfand diese Zärtlichkeiten etwas anders und schmunzelte leicht, dabei richtete er sich auf und bedacht darauf keinen unnötigen Abstand zu lassen. Immer noch hielt er Mias Gesicht, und liebkoste es mit kleinen Streicheleinheiten. Beide kamen sich in diesem Moment ausgesprochen nahe. Jede kleine Berührung von Kai brachte Mia näher zu ihm, bis sie nur noch weniger Millimeter voneinander trennten. BAMM!
Lindenblatt Du hast einen schönen Erzählstil. Die ersten Seiten habe ich gelesen und dann leider nur "überflogen". Sorry! Bis zur Migräne habe ich es noch nicht geschafft, bleibe aber dran. Lieben Gruß zum Wochenende Linde |