"Ren Asato, Lord Arthur Ashton, seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen worden!" Die Stimme seiner Mutter erklang in einem schrillen Unterton, welcher auf eine unbestimmte Art von Panik schließen lassen konnte. "Gabriel, Junge, was habt ihr euch dabei nur gedacht? Wie oft soll ich euch das noch sagen: Ich will Enkel haben, keine Leichen", ertönte dagegen mein Sopran in der Tonlage, welche ich nur für besorgte Großmütter reservierte. "Trotzt dieser Aktion habt ihr nicht mehr
heraus bringen können", beschwerte sich Felizitas, die sich im Stadium der genervten Chefin meines ältesten Enkelsohnes befand. "Was hätte ich denn tun sollen? Duncan war dank des Vollmondes kaum zu gebrauchen", verteidigte sich der Rotschopf, und hob flehend die Hände zur eigenen Abwehr. "Keine Ausflüchte junger Mann!" Das weibliche Trio aus reinem verbalem Ärger ließen ihn fast vollständig zwischen den Dielenritzen verschwinden. "Kai-Alexander mit einem Asato trainieren zu lassen war nicht nur unvernünftig, sondern sogar selten dämlich!", schollt ihn seine Mutter
weiter. Weil Duncan dringend Ruhe benötigte und Kai auf der Krankenstation gründlich untersucht wurde, musste sich Rooster mit uns Dreien auseinandersetzen. Aufgrund einer schweren Verletzung an der Schulter und eines akuten Erschöpfungszustandes, war niemand guter Laune. Das sich Jungs mal prügeln um heraus zu bekommen wer der Stärkere ist, war mir nicht neu. Aber die Aktion war, wie Isodora bereits sagte, ausgesprochen selten dämlich. "Im Grunde genommen hätten wir damit auch rechnen können", meinte Felizitas plötzlich. Sofort wurde ich Puterrot im Gesicht vor lauter Empörung, jedoch kam ich nicht dazu diesen Zustand zu
verbalisieren. Extrem abweisend und streng hob sie eine Hand: "Wegen eines Informationsaustausches gleich drei Magier zu schicken, wenn Lady Ashton alleine ist, war schon recht provokant. Lord Ashton ist ihr Zwillingsbruder, sein Einschreiten gleicht eher einer Grenzmarkierung." "Und deswegen haut er Kai-Alexander grün, blau und lila", schnaubte ich verächtlich. Hingegen schüttelte Isodora das schwarze Haupt, und lehnte sich etwas zurück. Zugegeben, ich war mit den Nerven ziemlich runter. Dass Aslan am frühen Morgen Mia in die Stella Aureus brachte weil sie zusammenbrach nahm mich mehr mit, als ich es jemals
für möglich hielt. Keine zwei Stunden später dann auch noch zu hören mein Enkel sei schwer verletzt, sorgte fast für einen nervlichen Supergau. "Oma, bitte verurteile Ren nicht. Kais Fähigkeiten sind beachtlich. Woher hätten wir wissen sollen, dass dieses Training solche ernsten Ausmaße annehmen würde. Er hat sich nicht aus der Verantwortung gezogen, und sich sehr gut um Kai gekümmert", beschwichtigte mich Gabriel mit schuldhafter Mine. "Zuckerbrot und Peitsche, wie?", kam es von mir verächtlich wie aus der Pistole zurück geschossen. "Frau Professor, wenn wir junge Magier
derart zimperlich behandeln, kann es passieren, dass sie ihre angeborenen Fähigkeiten nie vollständig kontrollieren können. Das wissen Sie besser, als manch andere angeheiratete Person in den fünf Familien. Ihr Mann war der Meister unter den Ausbildern an der Stella Aureus", meinte die Direktorin des Centers trocken, und scholl mich damit fast wie ein kleines Kind. In diesem Augenblick, als Isodora mir einen starken Kräutertee vorsetzte, musste ich schmunzeln und nachgeben: "Verzeih’ mir mein Junge. Es fällt mir so schwer, dass alles hier wieder zu akzeptieren. Ich habe zu viele liebe Menschen einfach
verloren." Daraufhin nahm Gabriel eine meiner Hände in seine, und streichelte den Handrücken mit seinem Daumen. Damit ahmte er meinen Mann nach. "Oma, es tut uns beiden wirklich leid. Wir haben dir Kummer bereitet." "Du alter Schelm. Lach’ mich bloß nicht so unschuldig an." Nun strahlte Rooster über das gesamte Gesicht, denn er erreichte was er wollte, selbst wenn seine Chefin ganz anderer Ansicht war: "Und dennoch hast du Mist gebaut. Du warst alleine für Kai verantwortlich, und für die Beschaffung der Informationen." Nochmals sah sie sich das magische
Dokument an, welches ihr von Lady Ashton anvertraut wurde und wirkte dabei alles andere als begeistert. "Vilon hat also von den fünf Familien aus einem Schriftstück des Vatikans erfahren." "Der ganze Text soll sogar recht ausführlich sein. Die Abhandlung, die Lady Ashton von Vilon entwendet hat gibt diese Quelle sehr genau an", bestätigte noch einmal Gabriel, und wurde deswegen ziemlich ernst. Diesen Gesichtsausdruck sah ich nur äußerst selten bei ihm und weil ich den Jungen schon lange nicht mehr wieder sah, erkannte ich wie attraktiv dieser verrückte Vogel inzwischen geworden
war. Mein Mann wäre heute sehr stolz auf diesen Jungen. "Dieses Dokument muss gesichtet werden!", entschied Felizitas vehement. "Wen sollen wir dieses Mal schicken?", fragte Isodora und machte damit klar, dass ihr Sohn von dem Fall abgezogen wurde. Was meinen angeschlagenen Nerven auch recht zuträglich war, dann würden die Buben nicht auf die Idee kommen irgendeinen Blödsinn anzustellen. Wie sehr ich mich damit doch täuschte. Mit dieser Reaktion der beiden Frauen rechnete nämlich Rooster und wusste nur all zu gut, wie das Grafenhaus auf diese Nachricht
reagierte. Die Wahrscheinlichkeit erwies sich somit als ziemlich hoch, dass Sabriel diejenige war, welche als nächstes eingesetzt wurde. Immerhin stand sie ebenfalls unter der Kontrolle der Grafenfamilie, und Isodora hatte derzeit einfach zu viel zu tun. Der ostdeutsche Schwarzmarkt für magische Artefakte florierte im großen Ausmaß. Die Meldungen über unnatürliche Vorkommnisse jeglicher Art in der Welt der Reichen und Schönen häuften sich. Im Flur begegnete der Rotschopf Akari. Im Stil der fünfziger Jahre kleidete sie sich.Langes gewelltes Haar, und dazu ein
feurig roter Lippenstift. Ein Dekolletee, bei dem jeder Mann schwach werden konnte, aber keineswegs übertrieben wirkte. Das dunkelblaue Rockybilly Kleid und die Seidenstrumpfhose samt den Riemchenpumps gefielen Rooster auf Anhieb. Ihr freundliches Lächeln kam mit Sicherheit von all den Taschen die er in ihrer Wohnung bunkern musste, bevor er zum Report antrat. Eine hervorragende Voraussetzung für sein nächstes Anliegen. Überschwänglich packte er die schlanke Frau an den Hüften, drehte sich einmal, und beugte sich mit ihr weit nach unten. "Sind sie zufrieden, Gnädigste?" "Vergiss’ es, dummer Gockel! Das zieht
nur bei dummen Hühnern." Darauf grinste Rooster nur noch breiter: "Soll ich das bei Felizitas ausprobieren?" Gewissenhaft strich sich Akari den makellos sitzenden Tulpenrock zu Recht, und ordnete das Paket in ihrem Arm: "Das traust du dich nicht." "Wetten?", erwiderte Rooster, und ließ seinen schmalen Augenbrauen tanzen. "Wenn du den nächsten Job vergeigst, okay!" Daraufhin wurde Rooster todernst: "Kommt darauf an, was du für mich hast." Dies begriff Akari sofort: "Dein kleiner Liebesbrief sieht aus wie eine kryptographische Backanleitung. Was
machen der Alexis und du nur, und vor allem wo wart ihr überhaupt?" "Hast du herausgefunden, was die Nachricht zu bedeuten hat?" "Ich bin eine Hexe, Wunder dauern etwas länger." "Beeil’ dich. Wir müssen Bescheid wissen was in der Nachricht steht, bevor die nächste Order von der Chefin kommt", zischte der Rotschopf jetzt wesentlich unfreundlicher. "Keine Ahnung was ihr vorhabt, aber ich halte nicht länger meinen Kopf für euch hin. Ich bin schon eine Gefangene von Falkenstein, da muss ich nicht auch noch den Rest meiner Freiheit riskieren", fauchte Akari
zurück. Überaus bestimmend packte Rooster sie am Oberarm: "Ich würde ja gerne meinen Großvater zu Rate ziehen, aber der ist ja leider tot. Es wird unser aller Schaden sein, wenn du uns nicht hilfst. Für diese Nachricht sind Menschen gestorben, und ich will nicht noch mehr Mitglieder von meiner Familie verlieren, klar?" Die Hackerin und der rote Hahn sahen sich eindringlich und schweigend an. Die Zeit verstrich wie Kleister. Beide waren sauer aufeinander. Denn Rooster spielte mit dem Feuer, würde Akari über die kleine Reise von Kai nach Dänemark Felizitas erzählen. Dann könnten die Spuren seiner Eltern vielleicht
verblassen, und somit seine Glaubhaftigkeit als Erbe der Alexis komplett in Frage gestellt werden. Ein süffisantes, fast verführerisches Lächeln umspielte mit einem Mal die hellen Lippen des jungen Mannes. Ganz vorsichtig zog er die Hackerin näher, und stob ihr eine Locke hinter ihr Ohr. Doch Akari blieb misstrauisch, bis der Hahn seine weißen Zähne aufblitzen ließ mit einem unvergleichbaren Lächeln: "Liebe Akari sei ehrlich, du machst das doch gerne. Wenigstens langweilst du dich nicht mehr." Aufgrund dieser Bemerkung sog sie sehr tief und scharf die Luft ein, riss sich aus seinen Fängen frei, und schlug ihm das
Päckchen aus ihren Armen gegen die Brust: "Ein roter Hahn bedeutet Feuer, und Feuer bedeutet immer Ärger. Bring das dem kranken Mädchen, das Aslan heute Morgen auf die Krankenstation gebracht hat." !