Titel
Vor kurzem habe ich hier noch gewohnt. Gar nicht so lange her. Erst heute Morgen, vor zirka acht Stunden, habe ich dieses Haus verlassen, um auf Arbeit zu fahren und hinterher wieder hier her zurück zu kommen. Nun stehe ich hier, vor dem Haus. Ich und viele andere. Einige wohnten hier, wie ich. Andere sind einfach nur Schaulustige. Einige wenige sind Feuerwehrmänner und sind noch dabei, die restlichen Flammen in Wasser zu ertränken.
Zweitausend Euro lagen unter meiner Matratze. Lange hatte ich dafür gespart. Nun werden sie Asche sein. Mein Laptop
war erst etwa ein halbes Jahr alt. Auch er wird just für immer und alle Ewigkeiten unbrauchbar sein. Wenn ich genauer darüber nachdenke, hatte ich mir in den letzten Monaten so einiges neu zugelegt. Das Alte wollte ich nach und nach entsorgen. Das haben nun die Flammen für mich erledigt. Man sieht und riecht das verkohlte Plaste. Die Luft ist richtig dick schwarz.
Nächste Woche sollte ich meine Verdienstbescheinigungen alle Vorlegen. Zwei ganze Tage hatte ich gebraucht, um sie alle richtig zu ordnen, weil ich sie jedes mal nur einfach in den Schrank gelegt hatte, zu den anderen Papieren, die ich so aufheben musste. Und nun?
Papier verbrennt sehr leicht. Früher durfte ich meinem Opa beim Feuermachen zusehen und manchmal auch selber ran. Daher weiß ich, wie leicht brennbar Papier ist.
Nachdem das Papier in Flammen aufgegangen war, haben wir Holz drauf gelegt. In diesem Fall sind es meine Möbel. Alles selber gebaut, aus feinstem, schnellwachsendem Fichtenholz und schön lackiert. Stück für Stück habe ich meine Einrichtungsgegenstände zusammengezimmert. Selbst mein Bett war Marke Eigenbau. Ein teures Hobby. Aber ich sehe es so; die einen gehen zum Fußball und ich in den Baumarkt.
Das die Flammen ordentlich
zugeschlagen haben, erkennt man daran, das die Fensterscheiben alle zerberst sind. Wenn ich nur wüsste, wie das passiert ist. Mein Herd war aus. Seit Tagen habe ich ihn nicht mehr benutzt. Kein Appetit. Dafür Depressionen; Midlife Krise. Kerzen hatte ich auch keine an. Das Licht hatte ich ausgemacht. Stecker hatte ich überall gezogen, bevor ich ging. Bis auf den, von meinem Laptop. Also kann das Feuer unmöglich von meiner Wohnung aus gekommen sein.
Da drüben sitzt meine Nachbarin. Am Besten gehe ich mal zu ihr und frage sie, ob sie was weiß. Bisher bin ich ihr immer aus dem Weg gegangen,
weil...weil ich eigentlich allen aus dem Weg gehe. Seit Jahren bin ich nicht mehr gesellschaftsfähig. Auf Arbeit verstehe ich mich zwar ziemlich gut mit meinen Kollegen, aber außerhalb bin ich lieber für mich allein.
Interessant. Das Kind über mir hatte mit Feuer gespielt und die Eltern waren nicht dagewesen. Hatten einfach das Kind alleine gelassen. Dabei war die Kleine erst sechs oder sieben. Nun ist sie ein Engel. Wenn ich heute meinen freien Tag gehabt hätte, würde ich jetzt mit ihr fliegen. So aber stehe ich vor den Trümmern, die einmal meine Behausung gewesen waren. Doch verspüre ich kein Zorn. Stattdessen huscht ein Lächeln
über mein Gesicht, obwohl alle meine Besitztümer in Schutt und Asche liegen. Ich fühle mich seltsam erleichtert. Jetzt, wo ich nichts weiter besitze, als das, was ich am Leib trage, fühle ich mich von einer riesigen Last befreit. Ich weiß zwar nicht, wo ich die Nacht verbringen werde, aber darüber mache ich mir erst Gedanken, wenn es so weit ist. Im Moment genieße ich den Augenblick des Glücklichseins.