Das Unterrichtsfach
„Wir brauchen ein neues Unterrichtsfach!“
Ich war erregt aufgesprungen. Das Lehrerkollegium sah zum Teil auf den Boden, andere spielten mit dem Kuli, wieder andere verzogen das Gesicht.
Der Direktor Havelmeier strich seine weißgrauen Haare glatt. Sie waren glatt wie Vogelgefiedern.
„Wir haben doch schon einen Computerraum links im 1.Stock eingerichtet, Kollege. Moderner geht es doch nicht. Homeoffice for Children, wenn ihnen das etwas sagt." Ich ignorierte den Seitenhieb.
"Außerdem, haben sie überhaupt einmal an
das Budget gedacht?“
Ich war zu erregt, um klein bei zu geben.
„Oh ja, Computerraum. Sie meinen nicht zufällig den Raum, der nicht genutzt wurde, weil zu viel Schimmel drin war? Und dass dieser nun offiziell als Computerraum deklariert wird, weil im ganzen Monatsplan nur 45 Minuten dafür anberaumt sind? Und dass sie ausrangierte PCs aufgekauft haben, um Subventionen heraus zu leiern. Ich will doch nur ein neues Unterrichtsfach vorschlagen, mehr nicht.“
Die glatten Haare des Direktors wellten sich aufmüpfig.
Gwendoline Haselbeck, die Zahlenschupse, grummelte.
„Die Ressourcen, die Ressourcen!“
„Sehr geehrte Frau Mathematikerin, ich würde mich freiwillig anerbieten das Fach zu leiten“, konterte ich.
„Neuerungen haben es in sich“, schnalzte Horatius Feinbein, der Lateinlehrer. „Timeo Danaos et dona ferentes. Denken sie nur an die Problematik mit der neuen deutschen Rechtschreibung. Was hatte das alles für Kosten verursacht!“
[Ich fürchte die Dadanäer, auch wenn sie Geschenke bringen, von Vergil – Laokoon]
"Manche brauchen den Vordergrund, murmelte Historius Feinbein weise. "Die Geschichte ist voll von diesen sich selbst überschätzenden Typen!"
Ich wischte die Frechheiten in meinen eigenen
Gulli. Ich fuhr hasserfüllt fort.
„Und es interessiert sie gar nicht, dass wir Lehrer uns der Jugend immer mehr entfremden?“
„Ich hatte engen Kontakt“, maulte John Dow, der Englischkundler. Mit seinem blauen Auge stocherte er über die Runde. Er hatte etwas dagegen gehabt, dass von einem der angetrauten Schülern seine Frau als Bitch bezeichnet worden war. Leider war der Heranwachsende mit seinen "Argumenten" faustsicherer gewesen.
„Und was wollen sie zum Besten geben?"
Der Direktor Haelmeier wollte Fakten auf den Tisch knallen.
Von hinten maulte Armin Weber: "Allein im Fach Deutsch reichte es mir schon, wenn die
Glocke von Schiller verunglimpft wird. Da sollten sie dieses Kleinod deutscher Dichtkunst auswendig lernen und was kam? „Loch in Erde, Bronze rin, Glocke fertig, bimm, bimm, bimm.“
Der Deutschlehrer Weber schüttelte sein Literaten-Haupt. „Vollkommen verkommen!“
Die schüchterne, kleine, schlanke Lisa Zizicki, die einen Malklecks auf der Bluse hatte, fragte.
„Wäre es nicht besser stattdessen für uns ein Seminar für Selbstverteidigung ins Leben zu rufen? Ich würde mich so gerne wehren können.“
Jeder guckte mitleidig auf ihr schmales Äußeres, ihr Drahtgestell.
Als Künstlerin konnte sie es sich nicht
vorstellen mit Farbe und Malerpinsel um sich zu werfen, um den noblen Schülern Contra bieten zu können.
„Und Waffenkunde“, lachte der Erdkundespezi Michael Geo, der es gerne auf die Everest Spitze trieb.
Mit stahlgestärkter Brust warf ich ein:
„Ich sage es noch einmal! Wir müssen auf dem Laufenden bleiben. Es dauert nicht mehr lange und wir verstehen die Rotzer gar nicht mehr. Und dazu brauchen wir Unterricht. Für uns natürlich, was meinten Sie denn? Oder haben Sie schon mal etwas von einer Apachenbanane gehört [Currywurst mit Pommes], oder von abkaimen?
„Ich kenne nur chillen“, wandte der britisch angehauchte John Dow altklug ein.
„Das heißt: Sich dem Müßiggang hingeben“, verbesserte Armin Weber.
Ich fuhr fort.
„Ist Euch ein Datenzäpfchen bekannt? Ein USB Stick! Und dann noch....“
Weiter kam ich nicht.
Gwendoline Haselbeck hatte sich Notizen gemacht.
"Die Renitenz der Schüler kostet uns circa 10% unseres Haushalts, wenn man den Vandalismus auf dem Abort außer Acht lässt."
"Unseres Haushaltes", verbesserte der Deutschlehrer Weber.
"Kopfarbeit ist schwere Arbeit", bemerkte ich spitzbübisch.
Der weiße Kamm von Direktor Havelmeier hatte sich aufgestellt, wie bei einem Kakadu.
„Ich habe hier ein Schreiben vom Ministerium“, wedelte er. „Dies ist logischerweise der wichtigste Tagesordnungspunkt!“
„Ministerium“, raunte es allgemein und ehrfürchtig.
Abfällig gluckste der Trainingsanzug Alexander Hüpf. "Kann nur Blödsinn sein!"
„Es geht um den Vorschlag künftig die Unterrichtsfächer als Projekte zu bezeichnen“, erklärte der Weißhaarige.
Die Vogelfeder sah in die Runde.
Die kleine Zizicki flüsterte unterwürfig. „Unheimlich wichtig“.
„Wenn es eingedeutscht als 'Entwurf' bezeichnet wird, bin ich einverstanden“, meinte der Deutschkundler Armin Weber zackig.
„Aber, lieber Kollege, das erfasst doch nicht den ganzen Intent. In Alliteration switched und completet das nicht bezüglich der Company Prämissionen. Das könnte posttraumatische Belastungsstörungen implizieren.“ Der Schulpsychologe Heinz Nervenmann fühlte sich in seiner Fach-Orgie sauwohl.
John Dow widersprach frech und präpotent. „Jedenfalls sehe ich kein oversizing Uncertainess.“
Der Deutschlehrer malte gelangweilt Strichmännchen und zog einen Flunsch.
„Wenn schon, dann wäre eine mathematische, reale Umsetzung denkbar. Ich halte mich dabei eher an Götz on Berlichingen.“. Zahlenschupse Gwendoline rückte die Alugurke über der Nase zurecht.
"Ich muss doch bitten!"
John Dow grinste. „A fine point of view“.
Zum zweiten Mal meldete sich der Trainingsanzug Hüpf, Master der Tartanbahn. „Ich bin zwar Coach“, sprach der Sportlehrer mit Muskel vibrierender Stimme, „aber Stabhochsprung bleibt bei mir Stabhochsprung und nicht 'pole vault'!“
Die Diskussion führte zu verhärteten Fronten.
Es ging darum, inwiefern überhaupt ein neues Fach, äh Projekt, nämlich Wirtschafts-Denglisch aufgenommen werden sollte. Dabei sei Efficiency im Verhältnis zum Budget ein Knackpunkt.
Als alles durcheinander quasselte, haute Havelmeier mit seiner Aktenmappe auf den Tisch. Der Direktor nutzte die Gelegenheit. Es
herrschte Ruhe vor der Obrigkeit.
Pause
„Und wie positionieren sie sich“, sprach Direktor Havelmeier mich mit falschem, süffisantem Lächeln an.
Neben mir flunschte der Deutschlehrer leise vor sich hin, während ich demoralisiert antwortete.
„Ich muss erst noch antizipieren wovon sie überhaupt sprechen. Mir fehlen leider die Skills! Wie wäre es denn, wenn wir einfach zu unserem Beamtenalltag zurückkehren würden?"
Alle waren erleichtert und der Direktor strich sich die Haare glatt.
"Das ist die Lösung.
Ich setze es als neues Projekt auf!"