Das goldene Sahnehäubchen
Gnadenlos schrillt ... ein Wecker? War das nicht gerade eben eine Baguette-Bombe die in meinem Laden tickte? Wie, was, wo? Alles nur ein Traum, zerplatzt wie eine Seifenblase. Enttäuscht wird mir klar: niemals kann für eine Franchise-Backshop-Fachidiotin wie mich so etwas Wirklichkeit sein: eine Jugendstilvilla mit goldenem Brezel-Pool, umrahmt von 10 ha englischem Rasen, ein Labyrinth aus goldenen Laugenstangen, pinkfarbenem Luxusschlitten in der Garage, nicht zu vergessen meine kleine private Diamantenmine und das alles auf dem
Lorettoberg! Träume sind bekanntlich Schäume! Na ja, wenn ich ehrlich bin, wer braucht schon wirklich solchen Luxus, ich schon gleich 3-mal nicht. Was soll`s, los du Cellulite-Django raus aus dem Aldi-Gänsefederbett: frisch, fröhlich, frei. Vertraut schwinge ich mich mit null Bock in eine waghalsige Senkrechte, blicke gähnend in die Finsternis dieser ach so kalten Welt, um im Schildkrötentempo ins Bad zu eilen. Verschlafen fällt mir auf halbem Weg ein: Stopp, jetzt nur keine unüberlegten hektischen Bewegungen, vorsichtig der Stubentiger, leider zu spät! Meine hungrig-bewaffnete Mitbewohnerin hat mich längst entdeckt. Ruck zuck an der
Schlafanzughose hoch, mit einem gekonnten Flip-Flop auf die rechte Schulter und zu guter Letzt, nur zur Klärung der Rangordnung, ein zärtlicher Liebesbiss in mein zerfranstes Ohrläppchen. Wer solche Hausmitbewohner hat braucht keine Feinde. Zur Krönung rutscht natürlich auch noch die Hose, super. In hohem Bogen und mit nacktem Hintern in voller Länge auf das Parkett geknallt. Mist! Aber warum sollte es heute anders sein, ich liebe es, ich brauche das! Alles was mich nicht tötet, macht mich hart. Morgen, ja Morgen wird alles anders. Zick hier nicht rum, reiß dich zusammen, ab ins Bad, dein Backshop
wartet. Ein Blick in den Spiegel: na ja es gibt Schlimmeres. Um diesen vermaledeiten Morgen noch die Krone aufzusetzen, hätte ich es wissen müssen, kein Wasser! Kein Wasser, keine Dusche…… keine Dusche! Frau, oh Frau! Oh, Mutter Gottes, vergib mir, ich hasse meinen Vermieter, ich wünsche ihm mit voller Inbrunst Dünnpfiff. Nicht verzagen mit Schminke sieht der Tag doch gleich besser aus. Denke daran, es hätte schlimmer kommen können! Heute ist mein Glückstag, ich weiß es! Rekordverdächtig springe ich in meine einzige Stone-washed-Jeans und fertig, der Tag kann kommen. Mit ritterlichem
Gefühl der eingeschränkten Freiheit schwinge ich mich auf meinen drahtigen Hartz-IV-Mercedes, strample verbotenerweise im Düsentempo durch die KaJo, rein in die Rathausgasse. Stopp, was war das? Licht in der Backstube. Bestimmt eine Sternschnuppe, eine Sternschnuppe? Ich habe einen Wunsch frei. „Mach, dass es keine Einbrecher sind.“ Jetzt reicht es, ich habe keine Lust mehr. Nicht nur, dass ich am Hungertuch nage, nein diese vermaledeiten Kassenbeschwörer versuchen zum x-ten Mal mein Geld zu klauen. Ja welches Geld denn? Was wollen die den Plündern? Einer hosentaschengelöcherten
Backshopbesitzerin kann man nicht in die Kasse fassen. Den ganzen Mut zusammengerafft, Fahrradhelm enger geschnallt und rinn. „Hallo, stehen bleiben, hier spricht die Chefin!“ Na, wenn das nicht Eindruck schindet! Greife bereits nach einem angetauten Einback, ziele: verflucht, die taugen nicht mal zum Werfen, dieser vermaledeite Hefematsch klebt an meinen Fingern. Feigling komm her! Peng, ein Schlag auf meinen Kopf, mein Helm splittert und hinter mir ein verhallendes Auf- und Davon, welche Richtung? Ach, was weiß ich denn. Verdammt das war der 3. Helm in Folge. Heute ist einfach nicht mein Tag.
Trotzdem ich, die Schwarzwaldschupfnudel habe erfolgreich einen Einbrecher verjagt! Was war das? Noch einer? Na warte Bürschchen, du wirst mich kennen lernen, das ist meine geliebte Backstube. Mit einem Wischmopp bewaffnet, mutig wie die sagenumwobene Donna Quichotte de la Backshop gegen...und dann passiert womit ich, die brezelnde Salzkruste einer gehobenen Backshoptriologie der Rathausgasse niemals gerechnet hätte. Mir wird schwindelig, kann ich meinen geröteten Schneckenaugen wirklich trauen? Ich wusste es: Fortuna liebt mich doch! Vor mir steht ein 2 m männliches
Einbrecher-Sahnehäubchen, gefüllt mit purer Nougatmasse, ein Marmorkuchen mit 2 strahlenden Donutsaugen, umhüllt von schäumenden Schweißtropfen der Sprachlosigkeit auf seinen wohlgeformten Lippen, mit einem Baguette in der Hand. Er hält es wie Prinz Eisenherz seine Lanze! Und zu allem Schmalz ist er von oben bis unten durch die aufgehende Morgensonne von einem goldenen Schein umhüllt. Da brat mir einer die Pupillen, fast erblindet erkenne ich, dass ist er, mein Goldie. So steht, nein kniet er jetzt hilflos in meiner Backstube. Ich kann es nicht fassen. Mein salzbrezelnder Traum wird Wirklichkeit? Er und ich und ich und er,
was kann es Schöneres geben? Liebe auf den ersten Blick. Sofort, ohne mit der Wimper zu zucken, hält er um meine Backhand an. Mitgehangen, mitgefangen! Niemals in meinem ganzen Leben ist mir eine bessere oder clevere Bestechung wiederfahren. Ein erfülltes Leben mit ihm: in Glück, Liebe, Reichtum, Gier? Ja ich will. Doch bevor wir uns auf die Reise ins Glück machen schnell noch zur Erinnerung ein Foto von meinem „goldenen Sahnehäubchen.“
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