REGENTROPFEN
Eine Geschichte über ein Menschenleben in anderen Welten.
Lediglich ein kleiner Einblick,
ein Ausschnitt, denn in diesem Rahmen kann nur an der Oberfläche gekratzt werden.
Gewidmet einer guten Freundin, die in diesen Welten lebt
Die Personen und die Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Ich bitte darum, in den Kommentaren den
Ausgang, also worum es sich handelt, nicht zu verraten.
Vielen Dank an die Leser.
NINA
Die Sonne scheint hell durch die regennassen Bäume. An den winterkahlen Zweigen funkeln die Tropfen wie Kristalle, jeder ist einzigartig. Nina ist fasziniert, staunend lässt sie ihren Blick schweifen, als sie durch den Wald läuft. Manchmal, ganz manchmal kann sie hier völlig unbeschwert sein, wo sie sich doch oft verloren vorkommt, in dieser ihr so befremdlich erscheinenden Welt. Beschwingt geht nach Hause, holt Papier und Stifte, malt ein wunderschönes Bild, vergisst sich und die Zeit, geht völlig darin auf.
MAGAN
Magan ist erleichtert, dass sie im Büro angekommen ist, hier ist sie allein, kann in Ruhe eins nach dem anderen abarbeiten, kein Zeitdruck.
Zwischendurch kann sie ihren Gedanken nachhängen, abschalten, wenn sie sich nicht konzentrieren kann.
Sie ist froh, diesen Job bekommen zu haben, trotz ihrer Umstände;
da der Chef unter der Prämisse gesucht hat, jemanden zu unterstützen.
Jemanden wie sie, die nicht mal selber weiß, warum alles so ist
und nicht anders.
Aber sie gibt ihr Bestes. Das wird geschätzt.
Dafür ist sie mehr als dankbar.
MARLEEN
Marleen sitzt im Bus, auf dem Weg nach Hause, angespannt, weiß genau was sie erwartet,
bloß kein Fehler, sonst gibt es wieder Årger, alles muss stimmen, muss so sein,
wie er es haben will,
Und trotzdem: Er findet immer einen Grund!
Erst wenn sie abends im Bett liegen und sie alles geschehen, über sich ergehen lassen hat,
ist Ruhe.
Schmerzliche Ruhe, innerlich, äußerlich......, aber immerhin Ruhe.
- bis, ....
ja bis die Albträume anfangen an ihr zu zerren, mit unmenschlicher Wucht, nicht loslassen, so entsetzlich, dass sie geschunden und zerschunden aufwacht, wie gerädert.
ALLAN
Allan ist wütend. ,,Ich lasse mir das nicht länger bieten!
Es muss doch eine Möglichkeit geben. Man darf nicht alles einfach hinnehmen, sich nicht alles gefallen lassen. Ich will mich endlich wehren. Auch als Kind, auch wenn ich erst 9 bin."
Aber sie lassen ihn nicht.
Sie machen ihn klein.
-Er könnte alles kaputthauen.-
Doch das traut er sich nicht.
Fühlt sich so klein wie sie ihn machen; hilflos, machtlos, allein
- allein unter so vielen -
Dabei möchte er doch nur genauso sein wie die anderen...jede Faser in ihm schreit: ,W A R U M!"
Doch Herus lässt es eben einfach nicht zu. Der versucht immer wieder die Oberhand zu gewinnen.
Zum Glück gelingt das nicht so, wie der sich das vorstellt, aber die Gefahr ist immer wieder da.
Warum nur hilft keiner wirklich.
Wieder zieht Allan sich entmutigt, wie immer, in seine Ecke zurück. ,,Ich habe keine Chance!", denkt er ,,und werde sie vermutlich auch nie haben."
LUCIE
Was wollen die Eltern denn jetzt schon wieder von ihr!
Immer das Gleiche. Es wird einfach über sie bestimmt, ob sie es will oder nicht, sie wird nicht gefragt.
Du musst aufräumen,
du musst dieses, du musst jenes,
mach dies nicht, mach das nicht.....
triff dich nicht mit Freunden,
geh hier oder da lieber nicht hin, dass ist gefährlich...du erzählst nur wieder irgendwelche ,,Geschichten..."
Das darf doch alles nicht wahr sein.
Genervt zieht sie sich in ihr Zimmer zurück, das Chaos stört sie nicht. Und wenn die Eltern reinkommen?
Was solls, sie kann es nicht ändern, es ihnen sowieso nicht recht machen.
Sie knallt die Tür zu, schmeißt sich auf ihr Bett zwischen ihre geliebten Plüschtiere und dreht die Musik auf.
Die können ihr doch alle mal gestohlen bleiben!
MAGAN
Magan ist müde, als sie aufwacht. Sie weiß gar nicht was los war. Das Bett neben ihr ist zerwühlt.
Hat sie so unruhig geschlafen?
Manchmal fühlt sie sich einsam, seit er weg ist, aber.......
es ist besser, denn das war wirklich daneben.
Er hatte ihr alles andere als gut getan.
Sie geht ins Bad, wäscht sich, schaut sich an......
Schon wieder. Das wollte sie doch nicht mehr....kann sich aber auch nicht erinnern.
Hin und wieder war es so. Was sollte sie dagegen tun. Sie war dann verzweifelt, aber sie würde sich nicht unterkriegen lassen.
Sorgfältig zieht sie sich an. Es ist nicht zu sehen.
In der Küche richtet sie sich ihr Frühstück, wundert sich über den unaufgeräumten Tisch, aber das kennt sie schon.
Ab und zu lässt ihr Gedächtnis sie im Stich. Die Blätter sind schnell beiseite geräumt, so dass sie gemütlich frühstücken kann.
Ihre Glieder schmerzen, so wie des öfteren, leider gibt es keine Diagnose. Damit wird sie leben müssen.
,,Es gibt Schlimmeres", denkt sie sich. Sie macht sich für die Arbeit bereit und fährt los.
NINA
Heute fährt sie mit dem Bus in die Stadt. Sie hat Angst, wie fast immer. Sie möchte nach Hause, ist viel zu schüchtern.
Dieses Gefühl, dass alle sie angucken.
Sie mag nicht. Mama weiß das doch eigentlich.
Aber sie hatte gesagt, dass es sein muss.
Dann muss es eben sein.
Am liebsten würde sie sich verstecken.
Sie denkt an den Tag im Wald, an die Kristalle und verliert sich in ihren Träumen von regenbogenschillernden Tropfen, die in der Sonne leuchten und glänzen, jeder andersartig und so wunderschön.
Sie denkt an das Bild das sie gemalt hat. Warum hat Mama das nur so achtlos zur Seite gepackt?
LUCIE
Unglaublich. Sie starrt in ihr Zimmer, als sie nach Hause kommt.
Alles umgeräumt, aufgeräumt, wegsortiert.
Was sollte das?
Waren sie einfach da gewesen und hatten ihren einzigen Rückzugsort zerstört?
Sie hatte ihn gemocht, wie er war, begreift es nicht, warum man so intolerant sein kann.
Mag Veränderungen nicht.
Fühlt sich hintergangen, es ist einfach gemein.
Ihre ganzen Kuscheltiere werden wieder rausgekramt.
Frustriert zieht sie sich die Decke über den Kopf.
MAGAN
Es klingelt. Die Eltern stehen vor der Tür.
Einfach so, ohne Vorwarnung. Panikattacke. Sie muss aufpassen, die Fassung nicht zu verlieren. Sonst geht es wieder los. Das will sie auf keinen Fall.
Sie öffnet.
Ein Wortschwall ergießt sich, Magan kann nicht folgen, kriegt nicht mit, was gesagt wird.
Dann, ein paar Wortfetzen:
,,..solltest ihn doch nicht mehr reinlassen, und nun?"
Sie hört nur noch das Stimmengewirr der Eltern,
erneut nur Wortfetzen...
,,....einstweilige Verfügung........hat er dir denn nicht schon genug angetan..."
Durcheinander, alles
durcheinander.
Es lässt sich nicht verhindern, dass es doch mal wieder so weit ist...
ALLAN
Es schreit in ihm: ,,UND WAS HABT I H R GETAN?"
Er möchte es laut rausbrūllen, darf es nicht. Wird zurückgehalten.
,,Warum darf ich nicht endlich mal die Wahrheit sagen, warum dürfen sie sie nicht hören. Sie würden es zwar eh leugnen, nicht zugeben, wie die vielen andeutenden Versuche der anderen gezeigt haben. Aber man müsste nur einmal deutlich und fordernd genug werden, um Gewissheit zu bekommen.", aber er kann es nur denken, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
MARLEEN
Sie besteht nur aus Angst, als sie so dastehen und Vorwürfe auf sie niederprasseln lassen.
Was soll sie denn machen?!
Sie hat keine Handhabe gegen ihn, kommt nicht gegen ihn an. Sie muss doch schließlich tun, was er sagt, denn er liebt sie. Das sagt er immer wieder.
Und was sonst geschieht, dafür kann er schließlich nichts, das ist ihre Schuld! Wenn sie anschließend ins Bad geht, ist es nunmal so, es tut so gut, entspannt, nimmt Druck.
Er sagt dann ja auch es tut ihm leid, wenn er sieht, was er ihr zugefügt hat und was sonst noch passiert ist.
Er entschuldigt sich doch!
Und war es nicht schon immer so, dass darüber bestimmt wurde, wie sie was machen sollte?
Sie selbst hatten ihr früher immer gesagt, dass sie den Herren, die herkamen, zu Gefallen sein sollte.
So lange sie denken konnte war das so. Und wahrscheinlich auch schon lange davor.
Und nun soll sie den, den sie liebt im Stich lassen?
Sie kann es nicht verstehen, die Gedanken kreisen, sie schweifen ab, ihr wird komisch.....
NINA
Völlig eingeschüchtert und verängstigt fühlt sie sich.
Warum schimpfen die so?
Was ist überhaupt passiert? Kann Mama nicht irgendetwas machen?
,,Vielleicht kann ich ihnen einfach die Bilder schenken, die ich letztens gemalt habe!",
denkt sie still. Aber Mama steht wie angewurzelt.
Tränen kullern übers Gesicht.
Nina hört die Eltern sagen:
,,Wir müssen uns was einfallen lassen, so kann es nicht weitergehen. Du musst das beenden, denke daran, was die Leute reden, wir habe einen Ruf zu
verlieren."
Sie weiß nicht, was das bedeutet, sie fürchtet sich nur noch und hat das Gefühl, verloren zu sein.
Damit ist sie nicht allein, die anderen Kinder fühlen sich auch so.
,,Außer Allan", denkt Nina ,,aber auch er kann nichts machen"
LUCIE
Sie ist einfach nur sauer, dass man hier so miteinander umgeht. Das kann doch nicht sein.
Aber sie kann nur hier stehen, sich das, was sie überhaupt mitbekommt anhören und ansonsten gar nichts tun.
Gegen die Eltern darf man nichts sagen, sie haben nunmal das Recht,
zu bestimmen, wie es laufen soll.
,, .....Du lässt den Mann nicht noch mal rein, Magan, ist das klar?!", ist das, was Lucie von dem Gespräch mitbekommt.
Sie ist müde, möchte hier weg,
alles dreht sich, das ist zuviel. ,,Magan?", ich bin Lucie, denkt sie für sich, als die Haustür geschlossen wird und die Eltern fort sind. Sie geht nach oben in ihr Zimmer. Zieht den langärmeligen Pullover aus, weil ihr warm ist und erschrickt, über das, was sie dann sieht!! Starrt völlig ungläubig!
WOHER...........??
MAGAN
Magan ist entschlossen.
Es war nicht einfach gewesen.
Die Eltern wollen es nicht, sie wollen sich schützen, vor dem,
was ans Tageslicht kommen könnte,
drohen ihr.
Der innere Aufruhr hatte ihr auch zu schaffen gemacht.
Denn sie schätzt und liebt sie alle irgendwie, auf subtile Art.
Jeder einzelne, wie ein glitzernder Regentropfen an den Bäumen die, täte man sie zusammen, ein großes Ganzes, voller Kraft ergäben.
Einen reißenden Wildbach, erfrischend, voller Energie, alles unerträgliche fortspülend, mündend in einen reinen, klaren, tiefblauen ruhigen See, in unendlichem Frieden....
Da war Nina, sie hatte solche Angst, wie die anderen Kinder auch.
Dann Marleen, die nicht von ihm ablassen konnte und wollte.
Lucie, trotzig und bockig, wie Teenager sind.
Allan will Hilfe, aber nicht verloren gehen, er trägt soviel Wut und Zorn in sich.
Und Herus der versucht, sich immer wieder einen Weg zu bahnen um sich durchzusetzen,
was es aber zu unterdrücken gilt; er ist zu zerstörerisch. Ein paar mal hatte sie beinahe Erlösung gefunden; - aber sie wollten leben!
Ein Grund mit, das auf sich zu nehmen.
Es geht einfach nicht mehr. Der Arzt hatte eine Ahnung gehabt, nachdem sie ihm von den Symptomen erzählt hat.
Von den Erinnerungslücken;
z.B., dass sie nicht weiß,
woher die Schnittverletzungen an den Armen stammen;
warum das Gästezimmer regelmäßig wieder so chaotisch ist, obwohl sie ganz sicher aufgeräumt hat;
warum in Abständen Kinderzeichnungen auf dem Küchentisch liegen und.....
warum ihre Glieder
- und nicht nur ihr Glieder -
morgens manchmal so heftig schmerzen, dass sie sich ganz elend und zerschlagen fühlt.
Sie hatte die gebotene Hilfe, die kurzfristig daraufhin möglich wurde angenommen.
Nun weiß sie zumindestens um das warum, hat ansatzweise, aber auch nur ansatzweise in gewisser Art gelernt, irgendwie damit umzugehen.
Kann manchmal bewusst switchen, konnte lernen einen Raum zu schaffen, um zu kommunizieren,
was aber längst nicht immer gelingt.
Aber das ist nur ein kleiner Anfang, ein kleiner Teil dessen,
was bewegt werden muss.
Es ist wichtig der Sache auf den Grund zu gehen, um zu verstehen, Gewissheit zu erlangen.
Heilung zu erfahren?
Vielleicht ist das nicht möglich,
die Last die ihr auferlegt worden ist:
- zu groß, als dass es das geben
kann.
Vielleicht werden zumindestens diese Albträume weniger, diese unerträglichen, entsetzlichen
Albträume.
Und wie oft sind da diese Flashbacks, wie oft triggert es.
Sie muss es einfach versuchen, es ist eine Chance.
Sie hat lange gezögert, gezweifelt..., hatte aber auch viel Zuspruch, diesen Weg zu gehen, Menschen an ihrer Seite die sie stärkten.
Natürlich hat sie Angst, natürlich ist sie angespannt. Sie denkt an die Regentropfen, jeder einmalig, wunderbar, kostbar die, wenn vereint, in ihr zu einem kraftvollen Strom werden können.
Voller Zuversicht nimmt sie ihre gepackten Koffer und
macht sich auf den Weg;
auf einen Weg, auf den sie so lange sehnsüchtig gewartet hat;...
von dem sie aber auch weiß, dass es nicht immer einfach sein wird, ihn zu gehen;
...um sich einer intensiven Traumatherapie zu unterziehen, in einer Klinik, die auf DIS spezialisiert ist.
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NACHWORT:
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DIS wird zumeist von schrecklichst erlebten Traumata in der frühesten Kindheit, d. h.
BIS zum 3. Lebensjahr!
verursacht, oft im Zusammenhang unvorstellbar grausamer Rituale.
Durch Erwachsene auf dessen Schutz Kinder angewiesen sind!
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Kinder, die solches erleben müssen, werden ihres Lebens beraubt,
*Ihnen wird das Leben genommen, welches sie,
wären sie behütet aufgewachsen,
hätten leben können.
*Aussage einer Betroffenen!
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Text: (c) Lynny
Januar 2018