Fritz und Frieda
„A - U - S - aus!
Aus die Maus! Mickymaus!
Doofis kommen nicht in die Dritte!“
Der Fritz springt um die Frieda rum.
Und Frieda nervt das sehr!
Sie hatte den blauen Umschlag völlig unmerklich in den Tornister verschwinden lassen. Und dann fragte Michael den Frederik, ob das ein blauer Brief war, den die Frieda da von dem Herrn Scharfmeister in die Hand gedrückt bekam, und den sie so verstohlen in ihrer Tasche versenkt hatte. Und auch, dass Friedas Kopf dabei ganz rot anlief.
Das war für Fritz ein gefundenes Fressen.
Der Fritz war Klassenbester, oder zumindest einer von den richtig Guten!
Allerdings war er auch klein und hatte eine schrecklich dicke Brille auf der Nase.
Frieda hingegen, war groß und stark und sich nie für einen Schalk zu schade.
Sie konnte den Fritz nicht ausstehen und schubste ihn gern herum.
Und der Fritz ließ keine Gelegenheit aus, Frieda zu zeigen, wie dumm sie war.
Der Herr Scharfmeister, ihr Klassenlehrer, setzte die beiden stets zusammen, nicht nur, weil ihre Namen so gut zueinander passten, sondern weil sie Nachbarn waren, den
gleichen Schulweg hatten und sich auch daheim bei den Schularbeiten helfen sollten. Was natürlich nicht stattfand, weil Frieda sowieso ihre Aufgaben nicht machte.
Selbst Bilder malte sie keine, wenn das mal zur Aufgabe gestellt wurde, weil sie einfach für sowas keine Zeit hatte.
Das wusste aber in der Schule zum Glück niemand.
Nicht mal der Fritz, der interessierte sich nämlich nicht sonderlich für die Verhältnisse bei der Frieda daheim.
Friedas Papa sagte immer, sie sei ein sehr kluges und selbstständiges Mädchen.
Konnte sie doch perfekt einkaufen gehen, die Wohnung sauberhalten und auch leckeres Essen zubereiten.
Friedas Mama war schon lange fort.
Ein goldener Engel hatte sie mit sich genommen.
Sie wusste nicht genau, wie sie sich so einen Engel vorstellen sollte, doch ganz sicher war er gewaltig, wenn er ihre Mama einfach so wegschleppen konnte.
Papas Freundin war ebenfalls nicht mehr da. Zum Glück, denn die hatte nur noch mehr Arbeit gemacht.
Papa saß die meiste Zeit vor dem Fernseher und sah sich komische Filme an.
Es mussten arme Leute sein, die sich da zur Schau stellten, denn sie waren stets nur spärlich bekleidet, wenn sie überhaupt etwas anhatten. Gestöhnt wurde auch immer sehr viel.
Eigentlich durfte sie nicht hinsehen. Dann wurde Papa immer ein bisschen böse, aber was sollte sie machen? Ab und zu konnte sie einfach nicht daran vorbeisehen.
Zum Beispiel, wenn sie die Erdnussschalen vom Tisch fegte und die Bierflaschen aufräumte.
Und wenn sie alles erledigt hatte, dann durfte sie sich zum Papa auf die Couch legen und einen Zeichentrickfilm mit ihm zusammen ansehen. Dann nahm er sie in den Arm und sie fühlte sich wohl und geborgen.
Ja, und jetzt springt dieser Fritz um sie herum und sie kann keinen klaren Gedanken fassen. Will sie sich doch genau überlegen, wann sie dem Papa diesen lästigen Brief zur
Unterschrift vorlegt.
Und deswegen nimmt sie einfach mal richtig Schwung und schubst den Fritz, wie sie ihn noch nie geschubst hat.
Auf Richtung oder sonstwas kann sie in diesem Augenblick nicht achten. Mit seinem Gehüpfe macht er sie ganz kirre!
Und so fliegt der Fritz.
In weitem Bogen!
Durch die Brennnesseln.
Über eine Wurzel.
Die Brille knallt auf eine Kante.
Und der Fritz?
Der blutet!
Blutet wie verrückt!
Kurz will Frieda einfach weitergehen.
Endlich ihre Ruhe haben.
Aber das kann sie nicht machen.
Kann nicht einfach so ….
Sie klaubt die Einzelteile der Brille zusammen.
Und dann hilft sie dem Fritz auf.
„Das wollte ich nicht.“
Das sagt sie mit ganz viel Unsicherheit in der Stimme.
„Warte mal.“
Frieda greift in ihren Tornister und holt die Schere aus dem Mäppchen. Damit schneidet sie den unteren Rand von ihrem T-Shirt ab. Das war sowieso zu lang.
Und mit dem Streifen verbindet sie gekonnt den Kopf vom Fritz.
Der sitzt ganz benommen am Straßenrand und ist ein bisschen froh, dass Frieda nicht einfach weitergegangen ist.
Und er wundert sich auch ein bisschen, dass sie ihr Shirt zerschnitten hat, denn er weiß, dass sie immer nur zwei im Wechsel trägt – dieses und ein rotes, das aber schon ein bisschen klein ist.
Er selbst hat den ganzen Schrank voll und nimmt sich vor, dass sie sich eines von ihm aussuchen darf.
Dann hilft sie ihm auf. Er ist ganz wackelig. Und sehen kann er nicht viel.
„Tut mir so leid, Fritz! Ich wollte dich nicht umbringen, ehrlich!“
Er hält sich an ihr fest und wundert sich, wie stark sie ist.
„Ich bringe dich nach Hause. Und das mit der Brille – erkläre ich deinen Eltern.“
Über die Brille hat sich Fritz noch gar keine Gedanken gemacht.
„Ich war nur so wütend! Habe ich doch keine Ahnung, wie ich das mit dem Brief meinem Papa erklären kann.“
Fritz wundert sich: warum nur dem Vater?
„Bei mir würde so etwas meine Mutter unterschreiben.“
„Meine Mama wurde von einem goldenen Engel geholt, sagt Papa.“
„Oh.“
Es ist nicht mehr weit bis zu Fritz Zuhause.
Die beiden Kinder schlurfen ein paar Schritte sehr still nebeneinander. Jedes in seinen Gedanken gefangen.
„Es tut mir wirklich leid.“
„Du bist gar nicht so doof.“
„Du bist eigentlich ganz nett.“
„Du auch. Soll ich dir helfen?“
„Helfen? Wobei?“
„Na, dass du die Zweite schaffst.“
„Das würdest du tun?“
„Sag einfach ja.“
„Ja“, Frieda schluckt, „das wäre toll, wenn das noch klappt.“
„Warum nicht, sind doch noch sechs Wochen bis zur Zeugnisausgabe. Und wenn der Herr Scharfmeister sieht, wie du dir Mühe gibst, dann lässt er dich bestimmt …“
Und bevor Frieda klingeln kann, sagt Fritz zu ihr, dass sie nichts sagen soll.
Die Tür geht auf.
„Oh je! Was ist denn bloß passiert?“, ruft die Mutter aus und zieht die Kinder ins Haus herein.
„Ich bin hingefallen, aber Frieda hat mir geholfen.“
Frieda streckt die Hand vor.
Mit den Einzelteilen der Brille.
„Vielleicht lässt sich das wieder zusammensetzen.“
Die Mutter sieht sich die Frieda an. Registriert das abgeschnittene T-Shirt und den Kopf ihres Sohnes.
„Gut, dass du da warst, Mädchen. Wie können wir das wiedergutmachen?“
Das Mädchen zuckt nur mit den Achseln.
„Das hätte Fritz auch für mich gemacht. Ich muss jetzt auch nach Hause.“
„Bis morgen dann, Frieda“, lächelt der Fritz.
„Ja, bis morgen“, freut sich die Frieda.
Das ist ihr erster Freund in diesem Leben und das … fühlt sich so richtig schön an.
Und dem Papa wird sie sagen, dass Fritz richtig gut in der Schule ist und ihr helfen wird. Dass dann alles gut wird und dass er sich keine Sorgen machen braucht.
Ja, das wird sie ihm genau so sagen ...