Der Schwarze Zwilliung
Der Morgen dämmerte. Noch schlief Duncan und Run Asato war wieder die geheimnisvolle stillschweigende Person, die jeder kannte. Tatsächlich erhielt Rooster einen Zauber von Akari. Die Hackerin verhielt sich sogar gnädig genug den Vorfall Felizitas nicht zu melden, jedoch bekam der Rothaarige eine Einkaufliste mitgeschickt, die er bis zur Abreise bewältigen musste.
Die portugiesische Gastgeberin der Falkensteiner Donna Isaura, schlief die gesamte Nacht nicht und so kam es, dass
Rooster, Run und Kai im Atriumhaus der Familie zum Sonnenaufgang Kaffee und Süßes gereicht bekamen.
Die Familie Isaura gehörte zu einer der vielen Nebenlinien der Astrons und wahrscheinlich war die alte Dame deswegen nicht aufgebracht oder schockiert, nachdem sie Duncans Zustand bemerkte und eine Asato auf ihrer Türschwelle auftauchte.
In alten Korbstühlen gebettet besprachen die Lady Ashton, der verrückte Hahn und Kai das weitere Vorgehen, während Duncan sich ausruhen konnte.
„Trelleburge war die erste Wikingerburg, dann kam Eskeholm, Fyrkat und Aggersborg. Alle miteinander verbunden
ergeben sie eine überdimensionale Kreuzstruktur, eine Art Wegweiser. Trelleburge galt zuerst nur als eine Kaserne der Wikinger, später erkannte man, dass es offenbar ein Fort für Familien sein könnte. Um die vier Schiffshügel gibt es eine heidnische Religion, die Lichtreligion“, erklärte Run sehr sachlich.
"Dänemark ist nicht gerade um die Ecke", kommentierte Rooster diese Ausführungen, und sah seinen kleinen Bruder an, der in sich versunken die Skytale betrachtete.
"Wir haben nur drei Tage bis wir in Falkenstein sein müssen", überlegte Kai und sein Bruder schnaubte darauf: "Wie
willst du so einen Ausflug Felizitas und Oma erklären, ohne viel Wirbel zu verursachen?"
"Er muss dort hin!"
Bei den frostigen Worten der Frau neben sich zuckte Rooster zusammen. Der Rotschopf fragte sich ernsthaft, was Duncan an diesem kalten Sandsturm so toll fand. Ihre Stimme schmirgelte jede Gänsehaut ab, und hinterließ ein klammes Gefühl von Unwohlsein. Schon als Kind mied er sie, wenn Run seinen Onkel Alexander besuchte. Von Begegnung zu Begegnung wurde dieses Mädchen, später als Frau, kälter und geheimnisvoller.
"Selbst wenn sie ihn jetzt nach England
einladen würde oder etwas anderes arrangierte, wäre das für Felizitas nur wieder eine Möglichkeit mehr Fragen zu stellen. Akari ist hat heute die Klappe gehalten, aber ob sie das noch mal macht wage ich zu bezweifeln."
"Du meinst man kann ihr nicht tauen?"; fragte Kai, und sah Rooster mit tiefgrünen Augen an.
"Aki ist schon okay. Wenn ihr langweilig wird, kann sie unberechenbar werden. Sie steht nicht umsonst unter der Kontrolle des Centers", erklärte Rooster, und ließ sich nach hinten fallen. In Gedanken sah er sich in unzähligen Läden. Wenn er keine Schuld zu begleichen hätte, würde er niemals auch
nur eine Fußzehe über eine Ladenschwelle werfen. Schöne Frauen waren eine Sache. Shopping eine ganz andere!
"Sie ist eine unmögliche Person", erklang das vernichtende Urteil einer englischen Lady.
"Also, kann sie uns keine Flugtickets nach Kopenhagen besorgen."
Müde rieb sich Kai mit der Hand durch den Nacken, und sank ebenfalls in den Stuhl zurück.
"Selbst wenn, nach Kopenhagen zur Kreuzung von Trelleburge und zurück, und dann wieder von hier aus nach Falkenstein, schaffen wir das niemals.
Erst recht nicht mit Duncan."
Hörbar mahlte Roosters Kiefer. Seinem kleinen Bruder wollte er doch helfen. Es gab eine deutliche Spur, aber keine Möglichkeit ihr nachzugehen.
Nur durch Runs Auftrag und ihre Fähigkeit als Hellseherin hielten sie sich hier in Portugal auf. Zum ersten Mal hasste er seine Anstellung in der Einrichtung, die sich das Center nannte.
"Nach meinem Master mach’ ich einen Flugschein!", maulte er wie ein trotziges Kind, und verschränkte bockig die Arme.
Darauf blinzelte Run bloß. Es war ihr nicht ganz klar, was Sabriel-Luca an diesem Mann interessamt fand. War es
sich nicht beherrschen zu können etwa ein attraktives Zeichen bei einem Feuermagier?
"Kai wird alleine fliegen", schlug die Asato vor. Die beiden jungen Männer blickten die Frau darauf fragend an.
"Duncan und sie werden nur so tun, als wenn sie morgen Abend mit Kai zusammen in den Flieger steigen. Einen Check-in vorzugaukeln, wird nicht weiter schwer sein."
Gerade wollte Rooster etwas dagegen einwerfen, da unterbrach die schwarzhaarige Schönheit ihn mit einem kalten Blick, der wieder Frost und Sand über seine Haut
rieb.
"Kai, du fliegst nach Dänemark, erledigst dort was es zu erledigen gibt, und fliegst sofort nach Falkenstein zurück. Den Jungen werdet ihr kurz vor Falkenstein aufnehmen, und niemand wird es bemerken."
"Lady Ashton…ähm Run, es wird trotzdem nicht funktionieren. Ich kann mir nicht einmal ein Auto mieten", warf Kai zögerlich ein.
"Das musst du auch nicht. Du benötigst nur wetterfeste Kleidung, und genügend Ausdauer."
Die Brüder sahen sich an. Ihre Blicke verrieten einander, dass ihnen mulmig dabei wurde von einer Asato Hilfe
angeboten zu bekommen. Offenbar schien sie schon etwas vorbereitet zu haben, noch ehe die Bibliothek aufgeräumt wurde. Lautlos erhob sich Run aus dem Rattansessel, und schritt in die Mitte des Atriums.
Da es sich um das Haus einer Magierin handelte, verwunderte es niemanden ernsthaft, dass dieses Mosaik auf dem Boden eine Art Bannkreis bildete, den die Frau nun abschritt. Aus ihrer Rocktasche zog Run einen Fächer aus Ebenholz hervor, und stellte sich in das Zentrum des Bannkreises. Bevor sie zur Tat schritt, trafen sich die Blicke der Hausherrin Donna Isauras und die der Magierin aus dem Erd-Clan. Tief
in Dankbarkeit verbeugte sich Run dafür, dass Donna Isaura ihr einen Zauber dieser Größenordnung auf ihrem Gelände erlaubte. Danach öffnete sie geräuschvoll ihren Fächer. Beide Arme streckte sie weit aus, und ließ den Wind zusammen mit ihrer Macht die Möglichkeit sich zu entfalten.
Im direkten Umfeld von Donna Isaura hielten sich bereits Rooster und Kai auf, und beobachteten fasziniert dieses Wehen im Zentrum des Atriums. Es dauerte nicht lange, und die Verhältnisse des Windes begannen sich dramatisch zu verändern. Ging zu Anfang noch die Macht von Run selbst aus so fühlte sich der Sturm bald an, wie die Landung eines
Hubschraubers. Auf den wenigen Quadratmetern des Innenhofes gab es keine Möglichkeiten der Deckung. Trotz das die Topfpflanzen bebten, Tassen und Gebäck zitterten, erhob sich nichts von seinem an gestammten Platz. Ausgesprochen gezielt setzte Run ihre Macht ein.
Während der Staub weiterhin tobte, erhaschten die Zuschauer einen Blick auf schemenhafte Umrisse. Die Größe der auftauchenden Gestalt zeugte selbst aus dem Augenwinkel betrachtet von mächtigem Unheil. Tödliche Krallen und riesengroße Pranken stellten eine massive Bedrohung für jedes Leben dar, wenn sie nicht kontrolliert beherrscht
wurden.
Allmählich legten sich der Staub und der Wind, verbunden mit diesem Zauber und der Anspannung, aber nur so lange bis die Umherstehenden erkannten, wer oder was vor ihnen gerade erschien.
Der Drache verfügte über die Größe eines Dinosauriers, die Schwingen größer als die Tragflächen eines Sportfliegers, und sein Meister sah genauso schwarz aus wie jede einzelne Schuppe des Monsters, in dessen Nacken er saß.
Lediglich mit einem blassen Gesicht, das sich von der Dunkelheit abhob. Es waren die gleichen Gesichtszüge, die Kai und Rooster in der Nacht über still ansahen. Natürlich kannte Kai Zwillinge.
Schließlich sahen sich sein Vater und Julian auch unheimlich ähnlich, aber dieses Zwillingspaar unmittelbar vor ihm, raubte ihm sämtliche Luft zum Atmen und fast jeglichen Mut.