„Herr Marek, kommen sie bitte in mein Büro,“ krächzt es in der Sprechanlage von Helmut Marek´s Werkstatt, „ ich hab da eine Frage.“
„ Was will der denn schon wieder von mir?“ meckert Helmut Marek vor sich hin. In den letzten Wochen hat ihn der Chef schon einige mal zu sich gerufen, wollte wissen, wohin welches Material, Kleidung, Ausrüstung und Maschinen gegangen sind, die er als Leiter der technischen Abteilung bestellt hat. „Der kann mich mal,“ brummt Marek weiter, „ ich mach meinen Job und er soll seinen
machen.“
Dass Rudi Beisswenger, der Chef seinen Job macht und das sehr gut, sollte Helmut Marek noch feststellen. Auf dem Weg ins Chefbüro überlegt er, was heute wohl wieder ansteht. Hat er zu viel Überstunden aufgeschrieben, die der Chef nicht nachvollziehen kann? Einen seinen Mitarbeiter zu hart ran genommen.
Helmut Marek´s Mitarbeiter haben sich
in letzter Zeit öfters über seine Methoden beschwert, die Art, wie er mit ihnen umgeht, sie wegen Kleinigkeiten anfegt, runterlaufen lässt.
Im Büro von Herrn Beisswenger sieht Marek gleich, um was es geht. Auf dem Schreibtisch liegt eine Rechnung von Ketten Schmidt, die Schleiferei, bei der er die Ketten und Sägeblätter von der Feuerwehr schärfen lässt.
„Die Rechnung dürfen sie mir mitgeben,“
versucht er Herrn Beisswenger zu überrumpeln, „die muss ich ans Haus überweisen. Bei Ketten Schmidt lasse ich alle Sägeketten und Blätter schleifen, weil ich übers Haus einen günstigeren Preis bekomme.“
„Erst mal guten Morgen,“ behält Herr Beisswenger die Rechnung auf seinem Schreibtisch, deutet auf den Stuhl, der davor steht, „setzen sie sich bitte. Ich hab noch mehr mit ihnen zu besprechen.“
Mit einem unguten Gefühl im Bauch nimmt Helmut Marek Platz, versucht auf dem Schreibtisch auszumachen, was Herr Beisswenger wohl noch in petto hat. Sein Hirn beginnt wie besessen zu arbeiten, nach Ausreden zu suchen, wenn welche gebraucht werden.
Anscheinend hat Herr Beisswenger mehr rausgefunden, als ihm lieb ist.
„Warum lügen sie mich an?“ fragt er mit einem forschen Blick, der Helmut Marek nichts Gutes ahnen lässt.
„Ich lüge doch nicht,“ versucht Helmut Marek Herrn Beisswenger´s Blick stand zu halten, „ hab ihnen grade erklärt, dass ich bei Ketten Schmidt alles schärfen lasse, was zum Sägen gebraucht wird und wenn...“
„Erzählen sie mir doch keinen Müll,“ unterbricht Herr Beisswenger den
Erklärungsversuch, „sie haben für tausendsiebenhundert Euro Ketten und Sägeblätter schleifen lassen. Ich weiss, dass wir mit dem Spitalwald einen grossen Verschleiss an den Teilen haben, aber nicht für diese horrende Summe und das innerhalb der letzten Wochen.“ „Ich hab Freunde, Kollegen und Bekannte informiert, andere Firmen, deren Chefs ich kenne, um von Schmidt einen grösseren Rabatt zu bekommen,“ versucht Helmut Marek, den Preis zu erklären.
„Noch einmal,“ beugt Herr Beisswenger
sich zu Helmut Marek hin, „ warum lügen sie mich an?“
„Und noch einmal, ich lüge nicht,“ trotzt der zurück, „ich habe alles zusammen kommen lassen, die Rechnung sollte auf´s Heim ausgestellt werden. Die einzelnen Posten kassiere ich von jedem, der was zum Schärfen abgegeben hat.“
Mit einem steinernen Gesichtsausdruck nimmt Herr Beisswenger einen Schnellhefter aus seiner Ablage, legt ihn
aufgeschlagen vor Helmut Marek hin, blättert von der ersten Seite durch. „Ihre Absicht mit dem grossen Rabatt in Ehren, nur, ich kann nirgends feststellen, dass sie die einzelnen Posten kassiert haben. Ich war bei Ketten Schmidt vorort, hab mit dem Betriebsleiter gesprochen. Er sagt mir, sie haben grosszügig verkündet, der Alte wird alles bezahlen, die Rechnung soll ans Heim geschickt werden.“
Jetzt steigt Helmut Marek der Angstschweiss auf die Stirn, ein kalter Schauer fliesst ihm über den Rücken.
„Na ja, sie wissen doch wie das ist...“ beginnt er zu erklären, „ das ist nun mal der Umgangston untereinander...“
„Wie auch immer,“ beendet Herr Beisswenger das Thema, „ sie schulden dem Heim dreitausendvierhundertachtundsiebzig Euro aus den letzten Jahren, seit Ketten Schmidt für uns tätig ist.“
Helmut Marek rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Ein Gefühl sagt ihm, dass das noch nicht alles ist. Das Gefühl täuscht ihn auch nicht. Herr Beisswenger
holt einen weiteren Schnellhefter aus der Ablage.
„Da wär noch was, Einiges,“ legt er auch den Hefter auf seinen Schreibtisch, „ Arbeitskleidung und Sicherheitsausrüstung von Strauss für mehrere hundert Euro, Werkstatt und Feuchtraumleuchten, Elektrokabel, Kupferleitungen, anderes Installationsmaterial, Bestellungen, Rechnungen und Lieferscheine....“
„Das ist alles Material und Zeug, das ich auf Vorrat kaufe...“ verstrickt Helmut Marek sich immer tiefer in sein Lügengespinst.
„Das reicht Herr Marek,“ beendet Herr Beisswenger das Ganze, „ ihre Sekretärin hat mir erklärt, sie haben alle Lieferscheine abgezeichnet, das Material selber abgeholt, die Rechnungen zur Zahlung angewiesen. Das beweist mir, dass sie lügen oder können sie mir sagen, wo das alles gelagert ist und vor allem,
wozu wir das hier brauchen.“
„Na, irgendwo wird’s schon sein,“ beginnt Helmut Marek noch mehr zu schwitzen, „ ich kann nicht über jede rostige Schraube Bescheid wissen.“
„Da haben sie recht,“ stimmt Herr Beisswenger zu, „ ich hab mir mit Herrn Alexander die Mühe gemacht, Keller und Lagerräume, Speicher und Schuppen kontrolliert. Nichts, da ist nichts. Mittlerweile weiss ich, dass sie eine
kleine Firma betreiben, die auf ihre Frau angemeldet ist und für die haben sie das ganze Material besorgt, auf unsere Kosten.“ Nacheinander legt Herr Beisswenger Rechnungen und Belege auf den Tisch, die alles beweisen.
„Herr Marek, sie sind fristlos entlassen,“ sammelt Herr Beisswenger die Schnellhefter ein, legt sie in seinen Schreibtisch. „Sie haben eine Stunde Zeit, unter Aufsicht von Alexander ihr Büro zu räumen. Danach weisen sie ihn in die laufenden Geschäfte ein, übergeben mir ihre Schlüssel. Was sie an
Überstunden haben, wird mit dem angerichteten Schaden verrechnet. Den Rest zahlen sie in einer Summe ans Heim. Ich kann es mir nicht leisten, so viel Geld zu verlieren. Sie wissen genau, was es bedeutet, ein Wohnheim dieser Grösse mit all den Liegenschaften zu leiten, ohne in die roten Zahlen zu geraten.“
Ob Helmut Marek noch Fragen oder was zu sagen hat, interessiert Herrn Beisswenger nicht. Für ihn zählt, dass er ihn als Arbeitgeber um tausende Euro betrogen hat, mit Sicherheit weiter
gemacht hätte, wenn die Sekretärin ihm nicht auf die Schliche gekommen wär. Die von Herrn Beisswenger und seinem Angestellten Alexander ermittelte Firma von Helmut Marek, in der die auf Kosten des Seniorenheims gekaufte Materialen, Werkzeuge, Bekleidung und Maschinen gefunden wurden.