Fantasy & Horror
Switchen und Saugen

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"Über Blutsauger und andere Legenden"
Veröffentlicht am 19. Januar 2018, 72 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über Blutsauger und andere Legenden

Switchen und Saugen

KApitel 1

1 Oh Herr, mach, dass das alles wahr ist und kein Traum. In Büchern, wie Schattenauge und die Biss-Reihe, habe ich davon gelesen. Nun sehe ich es leibhaftig vor mir. Eine schwarze Raubkatze und ein Wolf hatten bis eben miteinander gekämpft. Nun ist der Wolf ein Mann und die Katze eine Frau. Beide in zerrissenen Kleidern, angeschlagen und verletzt. Ihren Kampf hatte ich von einem Hochsitz aus gesehen, auf dem ich irgendwie eingeschlafen war. Wenn die beiden nicht

so sehr gefaucht hätten, wäre ich nicht aufgewacht und hätte die beiden nicht miteinander kämpfen sehen. Und ich hätte nicht gesehen, wie sie sich vom Tier zum Menschen verwandeln. Der Wind dreht sich. Ich glaube, sie nimmt meinen Geruch wahr. Oder wittert sie Beute? Sie ist eine Raubkatze und die jagen und fressen bekanntermaßen Fleisch. Einerseits ist es erschreckend. Aber mehr noch finde ich es faszinierend, wie aus einem wunderschönen Mädchen innerhalb von Sekunden ein schwarzer Panther wird. Mein Lieblingstier übrigens. Ich weiß nicht warum. Vielleicht liegt es an der schwarzen Fellfarbe. Schon immer

hatte ich ein Assoziation zu schwarz. In meiner Wohnung habe ich alle Fenster verhangen, damit nicht so viel Tageslicht hereinkommt. Meine Besucher beschweren sich regelmäßig darüber, weil es bei mir so dunkel ist. Sobald sie meine Türschwelle übertreten haben, machen sie als erstes Licht an. Mich stört es radikal. Deswegen lasse ich nur ganz selten Besuch zu. Ich gehe auch nicht zu anderen hin. Ein wenig Licht brauche ich, um was zu sehen und mich orientieren zu können. Helles Tageslicht ist mir aber schon wieder zu viel. Es blendet mich zu sehr. Wie grazil sie geht. Ein Traum. Bella, aus der Twiliight Verfilmung hatte mir

auch schon gefallen. Am Besten gefiel sie mir, als die gesunde Röte aus ihrem Gesicht gewichen war. Jedoch schlägt dieses Mädchen Kristen Stewart. Natürlich weiß ich, das ich bei ihr keine Chance habe. Dafür sieht sie einfach zu gut aus. Ob sie mich zerfleischt, wenn ich ihr jetzt gegenübertrete? Sie ahnt bestimmt, das ich hier oben bin; so, wie sie die Nase in den Wind hält. Ihre Nasenflügel sind geweitet. Auch wenn ich etliche Meter von ihr entfernt bin, kann ich das erkennen. Schließlich hält sie ihren Kopf in meine Richtung und nach oben geneigt. Was wäre, wenn sie ganz plötzlich neben mir sitzen würde? Zu aller erst würde ich

mich bestimmt erschrecken, weil ich es nicht erwarte. Und dann? Würde ich mit ihr eine Unterhaltung anfangen, oder mir vor Angst in die Hosen machen? Ich stehe auf und strecke mich. Mein Blick wandert umher und bleibt vor meinen Füßen stehen. Ein Brief. Langsam hebe ich ihn auf. Jetzt fällt mir wieder ein, warum ich in den Wald gegangen war. Dieser Brief hatte mich wütend gemacht. Besser gesagt, dessen Inhalt. Aufforderung zur Unterhaltszahlung. Wenn der Unterhalt wenigstens komplett für meine Kinder draufgehen würde. Aber ich kenne die Wahrheit. Deswegen will ich nicht zahlen, weil ich weiß, wohin das Geld

wirklich fließt. Die ersten Monate hatte ich fleißig gezahlt. Dann hatte ich erfahren, was sie so treibt. Zuerst wollte ich es nicht glauben. Aber als ich alle Puzzleteile zusammensetzte,… Abhauen ist keine Lösung. Außerdem fehlt mir dazu das Geld. Ich bin nur ein kleiner Arbeiter mit einem mageren Lohn. Wenn ich genauer darüber nachdenke, brauche ich gar keinen Unterhalt zu zahlen. Schließlich bin ich immer noch unter der Grenze, weshalb mir das Arbeitsamt jeden Monat noch was zusteckt. Manchmal bin ich echt Helle, wie ein Sack Ruß. Dennoch werden sie alles versuchen, um aus mir Geld zu holen. Das Weib macht sich

einen Bunten. Stellt sich doof, damit sie nicht arbeiten muss. Wenn ich switchen könnte, würde ich alles aufgeben. Meinen Job, so wie meine Wohnung und irgendwo in den Wäldern leben. Als Raubtier würde ich mich von anderen Tieren ernähren. Ich bräuchte keinen Herd, um mir Essen warm zu machen. Das Fleisch würde ich roh fressen und das Blut gierig aufschlabbern. Es hat schon extreme Nachteile, ein Mensch zu sein. Ein Fuchs hat seinen Bau, wofür er keine Miete zahlen muss. Die Natur stellt ihm die Unterkunft zur Freien Verfügung. Seine Nahrung läuft frei herum. Er muss nichts weiter tun, als ein bisschen schneller zu

sein, als sein Futter. Der Mensch darf für alles zahlen: Essen, Unterkunft...Deswegen beneide ich die ersten Menschen. Die hatten nicht den Komfort, wie wir heute, aber sie lebten garantiert besser, friedlicher und zufriedener, als wir heute. Da geht sie hin. Leider läuft sie nicht in meine Richtung. Hinterherrennen hat keinen Sinn. Ehe ich unten bin, ist sie außer Sichtweite und ich habe weder einen guten Riecher, noch Kondition. Ich kann stundenlang Spazierengehen, doch rennen kann ich keine zehn Meter. Schon in der Schule war ich nicht sportlich gewesen, weshalb ich meine Sportnote mit einem Theoriefach ausgleichen

musste. Was mich stets an der Dunkelheit in der Stadt stört, ist, das sich zu viel Gesindel auf den Straßen herumtreibt. Nirgendwo ist man mehr sicher. Ansonsten würde ich noch hier bleiben und warten. Hoffen und warten, das sie wiederkommt. Oder habe ich doch nur geträumt, das ein Wolf mit einer Katze kämpft? Habe ich doch nur geträumt, das ein Wolf und eine Katze sich zu Mann und Frau verwandeln? - Wahrscheinlich. Ich habe eben eine blühende Fantasie. Manchmal träume ich so intensiv, das es mir wahr vorkommt und ich der festen Überzeugung bin, das der Traum kein Traum war, sondern es sich wahrhaftig so

zugetragen hat. Switchen gibt es nur in Büchern und Filmen. Das kann es nicht wirklich geben. Es ist unmöglich. So unmöglich, das es schon wieder möglich sein kann. Wir übertragen Filme und andere Dateien durch die Luft. Man sieht, hört riecht nichts und kann mittendurch laufen. Amöben ändern stetig ihre Form. Warum sollte es dann nicht möglich sein, das sich ein Mensch in ein Tier verwandelt und wieder zurück. Jede Sage und jedes Märchen beinhaltet einen wahren Kern. Ziemlich dunkel geworden. Hoffentlich komme ich sicher nach Hause. Ich will nicht schon wieder überfallen und ausgeraubt werden. In meiner Brieftasche

befinden sich zwar nur ein paar wenige Münzen, aber auch meine Papiere, wie Geldkarte und die von der Krankenkasse. Das Neubeantragen kostet nicht nur Zeit, die ich nicht habe, sondern auch Geld, was ich auch nicht habe. Mein Chef ist nicht gerade Großzügig. Dafür sind meine Kollegen und Kolleginnen super, weshalb ich dort bleibe. Lieber arbeite ich für einen Hungerlohn und gehe gern auf Arbeit, als das ich viel verdiene und ich mich jeden Tag hinquälen muss. Beim letzten Überfall waren sie zu viert. Vier Mann gegen mich allein. Einer allein hätte schon gereicht, um mich fertig zu machen. Schade, das ich ihnen nicht noch einmal begegnet bin. Gern

hätte ich sie mir näher betrachtet und sie gefragt, warum sie zu viert auf mich eingetreten haben. Man sieht mir doch schon von Weitem an, das ich keine Kraft habe. Und in letzter Zeit habe ich sogar noch an Kraft verloren. Jeden Kampf, den ich aufgenommen hatte, endete mit einer gnadenlosen Niederlage, weswegen ich aufgehört habe zu kämpfen. Warum sinnlos Kraft verschwenden, wenn ich eh schon weiß, das ich verliere? Oh mein Gott, habe ich mich aber erschrocken. Was ist das für ein seltsamer Schatten, der...

2 Der Tag geht, die Nacht bricht herein. Es wird auch langsam Zeit. Mein Magen knurrt seit Stunden und ich fühle mich allmählich schwach. Heute, auf den Tag genau, sind es zwanzig Jahre her, als ich ihm begegnet bin und er mein Leben völlig veränderte. Ich kann nicht behaupten, das es sich zum Positiven geändert hat. Damals war ich gerade einundzwanzig geworden. Meine Freunde und ich feierten ausgelassen meinen Geburtstag. Es war ein Tag, wie heute. Angenehm mild. Wir zogen von Kneipe zu Kneipe. Mit jedem Bier und jedem Cocktail

steigerte sich unsere Feierlaune. Einundzwanzig war für mich damals irgendwie eine magische Zahl. Erst mit einundzwanzig fühlte ich mich richtig erwachsen. Meine Lehre war vorbei und ich stand im Berufsleben. Außerdem durfte ich eine geringe Menge Alkohol trinken und hinterher dennoch Auto fahren. Bis dahin musste ich null null haben. Ich hatte nicht vor, was zu trinken und hinterher noch Auto zu fahren. Es war nur das Wissen, das ich es durfte. Dann traf ich ihn. Eigentlich stehe ich nicht auf Abenteuer. An jenem Abend war es anders. Vielleicht lag es am Alkohol. Wir redeten nicht viel. Doch

die wenigen Worte, die wir sprachen, genügten völlig. Wieder hatte ich etwas getan, was ich normalerweise nicht tat; ich hatte ihn in meine Wohnung gelassen. Einen mir bis dato völlig fremden Mann hatte ich in meine Wohnung gelassen. Es hätte alles mögliche passieren können. Das Unmöglichste war dann passiert. Genau kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Wir hielten uns nicht mit Worten auf, sondern ließen auf der Stelle unsere Klamotten fallen und trieben es extrem wild. Das nächste, woran ich mich erinnern kann, ist, das ich mit Schmerzen aufwachte. Alles tat mir weh. Er war

nicht gerade zärtlich gewesen, aber so sehr hatte er mir nun auch wieder nicht wehgetan. Bis.. Der Typ wollte mir einen Knutschfleck hinterlassen. Wahrscheinlich als Erinnerung an unsere gemeinsame Nacht. Es war ein kurzer, aber höllischer Schmerz gewesen. Danach herrscht völlige Dunkelheit. Weder weiß ich wann er gegangen war, noch wie. Die Sonne, die durch mein Schlafzimmerfenster schien, blendete mich fürchterlich und machte die Schmerzen, die ich so schon hatte, noch schlimmer. Es fühlte sich an, als würde ich verbrennen. Also zog ich mir die Decke bis über den Kopf, ließ mich aus

dem Bett fallen und kroch ins Badezimmer. Mir war schwindlig und die Schmerzen nahmen kein Ende. Schienen eher schlimmer zu werden. Als ich vor dem Spiegel stand und meinen Hals begutachtete, erschrak ich. Ich träume, dachte ich. Genau in meiner Halsschlagader waren zwei Wunden. Es sah so aus, als hätte ein Raubtier seine Fangzähne in mich gebissen. Mir war Übel. Langsam legte ich mich auf den kalten Boden und schloss meine Augen. Als ich wieder aufwachte, war es schon dunkel. Ich durchstreifte alle Räume und zog die Rollos runter. Im Bad gab es eh keine Fenster. Ich legte mich wieder ins Bett und

schlief schnell ein. Als ich aufwachte, hatte ich keine Schmerzen mehr. Ich fühlte mich erholt und hungrig. Doch hatte ich keinen Appetit auf Brot oder ähnliches. Schwungvoll stürzte ich mich aus dem dritten Stock. Wenige Sekunden später vergrub ich meine Zähne in einen siebzigjährigen Hals. Ehe ich bemerkte, was ich tat, fühlte ich mich wunderbar gesättigt. Ich ließ von dem alten Mann ab und glitt mit meiner Zunge über meine Lippen. Der salzig und zugleich metallische Geschmack fand ich köstlich. Plötzlich erschrak ich mich über mich selbst. Ich hatte einen Menschen gebissen und ihm das Blut ausgesaugt.

Die blasse Leiche lag genau vor meinen Füßen. Ich hatte nur noch einen Gedanken; wegrennen. Eine Sekunde später war ich zwei Straßen weiter und bei voller Kondition. Aus purer Neugierde, zog ich das Straßenschild heraus und bog das Metallrohr. Es fiel mir erstaunlich leicht. Ich wollte es wissen. Ein paar Meter vor mir war eine Haltestelle. Auf der Anzeige stand 22:16. Als die Uhr auf 22:17 schaltete, rannte ich los. Die Straßenbahn brauchte zirka drei Minuten bis zur nächsten Haltestelle. Ich brauchte weniger, als eine Minute. Denn als ich die nächste Haltestelle erreichte, stand die Uhr immer noch auf 22:17 und mein

Puls war genauso, wie vor dem Spurt: Entspannt. Auf dem Rückweg kam ich an meinem Briefkasten vorbei. Beim Durchsehen der Post fiel mir auf, das ich schon lange nicht mehr nachgeschaut hatte. Normalerweise gehe ich jeden Tag an den Kasten. Wie konnte es sein, das er da so voll ist, fragte ich mich. Mit der Post in der Hand stürmte ich in meine Wohnung und schaltete den Fernseher an. Ungläubig starrte ich auf den Bildschirm. Es konnte einfach nicht wahr sein, das ich fast zwei Wochen geschlafen habe. Aber das erklärte den vollen Briefkasten und die Kündigung, die mit dabei gewesen war. Mein Job war

ich also los. Im ersten Moment war es mir ziemlich egal gewesen. Später, als ich im Bett lag, dachte ich anders darüber. Als ich am Morgen das Rollo hochzog, drangen Sonnenstrahlen durch mein Fenster, auf meine Haut und verbrannten mich. Es tat höllisch weh. Sofort ließ ich das Rollo wieder nach unten sausen. In jenem Augenblick wurde mir klar, das ich nie wieder in die Sonne gehen kann und ich dadurch sowieso meinen Job verloren hätte. Frustriert legte ich mich wieder hin und wartete auf den Sonnenuntergang. Vielleicht, so hoffte ich , vertrug ich bloß die pralle Sonne nicht, konnte mich aber bei trüben Wetter draußen aufhalten,

ohne mir schwere Verbrennungen zuzuziehen. Zwanzig Jahre später weiß ich, das dicke Wolken einen gewissen Schutz bieten. Wenn ich mich zusätzlich dick mit Sonnencreme 50+ einschmiere, kann ich ein paar Minuten bei Tageslicht rausgehen. Außerdem helfen spezielle Klamotten, die das UV-Licht 100% reflektieren. Denn es sind die UV-Strahlen, die die Verbrennungen verursachen. Auf normaler menschlicher Haut sorgen sie für Bräune, beziehungsweise Sonnenbrand. Einmal habe ich den Typen wieder gesehen, der mir das angetan hat. Es war nur ein kurzes wiedersehen, bei dem er

mir sagte, das er bei mir zu wenig Blut gesaugt hatte und ich deswegen zum Vampir wurde. Minimum zwei Liter soll ich abzapfen, damit der Gebissene nicht zum Vampir wird, sondern an zu hohem Blutverlust stirbt. Das Gleiche gilt auch, wenn man Tiere beißt. Wenn man nicht genug Blut aussaugt, wird das Tier zu einem Vampir. Tierblut und Menschenblut unterscheiden sich in der Zusammensetzung, weshalb Tierblut nicht so lange anhält. Wer sich von Tierblut ernährt, hat öfter Durst, als diejenigen, die sich ausschließlich von menschlichen Blut ernähren. Bevor er sich wieder davon machen konnte, stellte ich ihm die Frage nach

unserer Herkunft. Er antwortete, das es viele Legenden gibt. Die meisten berichten von gefallenen Engeln und Verbündeten des Satans. Auch von Vlad dem Phäler ist die Rede. Niemand weiß wann und wo die Geschichte der Vampire wirklich ihren Ursprung hat, da es über Jahrhunderte nur von Mund zu Mund weitergegeben wurde. Beim Weitererzählen schlichen sich Fehler ein. Gesichert ist, das der Urvampir vor vielen hundert Jahren ein Pflock durchs Herz bekam und dann verbrannt wurde. Seine Asche wurde anschließend in alle Richtungen verteilt, damit er keine Chance hat sich wieder zusammen zu setzen, wie ein

Phönix. Ein Vampir braucht weniger Blut, als ich dachte. Eine ordentliche Mahlzeit hält Minimum eine Woche an. Vor etwa zehn Tagen hatte ich das letzte Mal gesaugt. Gestern waren mir zu viele Menschen auf der Straße gewesen. Die Gefahr war zu groß gewesen, das man mich erwischt, wie ich an jemandes Hals hänge. Ich habe nicht vor, irgendwen zu verwandeln. Zum Glück sind heute die Straßen leer. Und da sehe ich auch schon mein Opfer. Tut mir leid, mein Kleiner, aber mein Durst ist zu groß, als das ich mich großartig nach einem potenziellen Opfer umsehen kann. Mir wäre ein Krimineller lieber, weil ich dann kein

schlechtes Gewissen habe. 3 Wer ist das? Besser gefragt, was ist das? Hübsch ist sie ja. Ach du Schreck, ist das wirklich wahr? Die spitzen Eckzähne...Ah, tut das weh. Ihre spitzen Eckzähne bohren sich in meinen Hals. Ich werde mich aber nicht dagegen wehren. Stattdessen lege ich meine Arme um sie. Was für ein geiler Arsch. Saug mich aus, du Sau. Wer so scharf aussieht, wie du und sich ebenso geil anfühlt, darf das. Genau so macht sterben Spaß; in den Armen einer wunderschönen, jungen

Frau. Ein wohliges Gefühl umgibt mich. Es fühlt sich an, wie ein sanftes Entschweben. So fühlt es sich also an, wenn man stirbt. Ein schönes Gefühl. Ich freue mich, das ich nicht auf grausame Art und Weise sterbe. Schrecklich, dieser Gedanke, in einem verbeulten Auto eingequetscht zu sein, mit Glassplittern gespickt und voller Schmerzen. Ebenso so unschön wäre es, bei lebendigen Leib verbrennen. Noch schlimmer ist es, bei vollem Bewusstsein gekocht zu werden, wie manches Schlachtvieh, weil die Betäubung fehlschlug, oder Hunde in einigen Teilen Asiens. Im Mittelalter wurden Menschen zu Tode gequält. Aber

nicht nur da. Auch heute noch werden Kinder, so wie Erwachsene gefoltert, gequält und auf bestialische Weise ermordet. Der Mensch ist einfach nur das Letzte. Sie ist ein Traum und tut mir einen großen Gefallen. Soll die Schlampe von Ex arbeiten gehen, wenn sie Geld braucht. Von mir sieht sie keinen Cent, denn ich bin auf dem Weg in die Ewigkeit, dank dieser heißen Braut. 4 Er wehrt sich gar nicht. Dafür fummelt er an mir rum. Entweder glaubt er, das ich mich an ihn ranmache, oder er will

sterben. Ich schätze, er ist einer von denen, die das Leben satt haben. Um so besser. So habe ich das Gefühl, jemanden einen Gefallen getan zu haben. Eigentlich hätte er einen Tritt zwischen seine Beine verdient, so, wie er meinen Arsch betatscht. Aber so kann ich in Ruhe meinen Durst stillen. Außerdem; es sind seine letzten Minuten. Soll er doch meinen Arsch kneten, wenn es ihm Freude bereitet. Seltsamerweise gefällt es mir auch noch. Irgendwie unheimlich. Er ist gar nicht mein Typ. In meinem früheren Leben hätte er keine Chance bei mir gehabt. Ich muss aber auch zugeben, das ich ziemlich oberflächlich gewesen

war. Wenn ich die Augen schließe, fühlt sich alles intensiver an. Es tut mir fast leid, ihn zu töten. 5 Niemand zu sehen. Keine Menschenseele. Da kann ich ja endlich joggen gehen und etwas für meine Gesundheit tun. Wie gern würde ich mit jemanden zusammen joggen gehen. Aber niemand darf von meinem Geheimnis wissen. Kein darf je erfahren, das ich switchen kann. Ich habe es meiner Großmutter versprochen und meiner Mutter. Beide konnten es nicht. Die letzte, die es konnte, war meine

Urgroßmutter. Meine Oma hatte ihre Mutter öfters beim Jagen beobachtet. Für sie war es ganz normal gewesen, das ein Mensch sich in eine Raubkatze verwandelt. Sie hatte das Gen auch vererbt bekommen, aber bei ihr „schlief“ es. Ebenso bei meiner Mutter. Erst bei mir war es wieder aufgewacht. An meinem dreizehnten Geburtstag war es zum ersten Mal passiert. Ganz plötzlich nahm ich Gerüche stärker wahr und bekam extremen Appetit auf rohes Fleisch. Als ich meiner Mutter davon erzählte, beichtete sie mir unser Familiengeheimnis. Ich musst ihr versprechen, zu niemanden ein Wort darüber zu verlieren. Damit ich mich

nicht aus versehen und vor aller Augen, im Sportunterricht, verwandelte, wurde ich ich vom Sport befreit. Wann immer ich konnte, übte ich, meine Fähigkeiten zu kontrollieren. Da ich Gerüche stärker wahrnahm, als normale Menschen, musste ich mich, in erster Linie, in Beherrschung üben. Es war alles andere, als leicht. Aber meine Oma und meine Mutter hatten sehr viele hilfreiche Tipps für mich. Trotz allem schaffe ich es nur selten, mein Tempo so weit unten zu halten, das ich nicht switche. Wenn ich laufe, passiert etwas Eigenartiges. Zuerst ist alles ganz normal. Mit jedem Schritt werde ich immer schneller. Dies

geschieht ganz automatisch. Dann habe ich das Gefühl zu schweben. Meine Füße berühren den Boden nicht mehr. Alles verschwimmt. Das ist der Moment, wo ich mich verwandle. Es ist nicht nur das Problem des Switchens an sich, sondern auch die Tatsache, das meine Klamotten nicht zu dem anderen Körper passen. Deswegen ziehe ich mir extragroße Sachen über, wenn ich laufen gehe. Es sieht voll scheiße aus, erfüllt aber seinen Zweck. Die ersten Male, nach Ausbruch des Gens, hatte ich meine ganz normalen Joggingsachen angehabt. Nach dem zurückswitchen stand ich fast nackt da. Von Hose und Shirt waren jeweils nur

Kragen und Bund über. Meine Unterwäsche hatte es auch entschärft. Die hing dann mehr als locker an mir herum und bedeckte so gut wie nichts. Im Schutz der Dunkelheit brach ich Altkleidercontainer auf. Es war ganz leicht. Viele Container fand ich auch schon aufgebrochen vor. Ich war oft überrascht, was die Leute so alles wegschmissen. Manche müssen echt viel Geld haben. Wenn man Nachts unterwegs ist, trifft man auf manch seltsame Gestalt. Und obwohl ich selbst ein Freak bin, konnte ich nicht glauben, was ich auf einen meiner Touren sah. Da war ein Mann, der einen anderen Mann in den Hals biss und

dessen Blut saugte. Halluzination? Nein. Denn keine fünf Minuten später ließ er von dem Mann los und verschwand spurlos in der Dunkelheit. Langsam schlich ich mich an die Leiche ran, schnüffelte und biss zu. Meine niederen Triebe gewannen die Oberhand. Vage kann ich mich daran erinnern, wie ich die Reste irgendwo im nahegelegenen Wald vergraben habe. Gar nicht so lange her, das Ganze. Jetzt steht schon wieder einer saugend vor mir. Den werde ich mir schnappen. Ich bin gespannt, wie Vampirfleisch schmeckt. Er hat mich bemerkt. Warte mal, das ist eine Sie. Egal; Vampir bleibt Vampir. Da gibt es keinen

Unterschied. Sie ist verdammt schnell und hinterlässt einen üblen Geruch. Mir wird ganz übel. Ich laufe zurück und schau nach den armen Kerl, den sie gebissen hat. Sein Puls ist schwach. Die Bisswunden hören auf zu bluten. Ich denke, er wird es überleben. 6 Schmerz. Welche Körperstelle schmerzt eigentlich nicht? - So viel also zum Thema sicher nach Hause kommen. Stockfinster ist es auch schon. Wenigstens sah sie sauscharf aus. Und was für einen Knackarsch sie hatte. Ein

Traum von einem Arsch. In ihren Armen wäre ich glücklich gestorben. Wieso lebe ich eigentlich noch? Irgendwie ist mir schwindlig. Hoffentlich schaffe ich es noch bis zu mir. Es sind zwar nur noch ein paar wenige Meter, aber im Moment habe ich das Gefühl, als würde ich gleich umfallen. Zum Glück wohne ich gleich im Erdgeschoss. Früher hatte ich ganz oben gewohnt. Das hätte ich, so, wie ich mich gerade fühle, nicht geschafft. Jetzt weiß ich wenigstens, wie es sich anfühlt, wenn jemand sagt, ich habe schwere Beine. Ich schaffe es kaum noch, ein Bein vor das andere zu setzen. Die Haustür. So weit, so gut. Und wo ist der richtige Schlüssel? Wäre wohl mal an

der Zeit, meinen Schlüsselbund genau unter die Lupe zu nehmen. So viele Schlüssel. Am Tag habe ich manchmal schon Probleme, auf Anhieb den richtigen Schlüssel zu finden. Ah, das ist er ja. - Scheiß Schlüsselloch. Viel zu winzig. - Na endlich. Nur noch drei Stufen und eine Tür. Ich glaube, ich werde es nicht mehr bis ins Bett schaffen. Momentan fühlt es sich so an, als würde ich es noch nicht einmal bis zu meiner Wohnungstür schaffen. Meine Beine werden immer schwerer. In meinem Kopf dreht sich alles, als wäre ich betrunken. Ich glaube, ich werde krank. Oder bin ich grad am Sterben? Mein Bett. Ausziehen kann ich mich

morgen. Oder… 7 Das sie mir dazwischen kommen musste. Jetzt darf ich mir ein neues Opfer suchen. Hoffentlich begrabscht er mich nicht, wie der Letzte, auch wenn es mir irgendwie gefallen hatte. Er war sehr zärtlich. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte mal so berührt wurde. Vielleicht sollte ich meine Ansprüche tiefer legen. Seit dem ich als lebende Tode durch die Straßen ziehe, hatte ich keinen menschlichen Kontakt mehr. Wenn ich bedenke, das das schon zwanzig Jahre her ist...Was habe

ich in den letzten Jahren getrieben? Darüber kann ich später nachdenke. Zuerst brauche ich eine Mahlzeit. Und da ist sie ja auch schon. Wer versucht Autos zu klauen, muss damit rechnen, das ich mir sein Blut schmecken lasse; bis zum letzten Tropfen. Hoffentlich kommt mir dieses Katzenvieh nicht wieder in die Quere. Ich habe keine Lust, mir die ganze Nacht um die Ohren zu hauen. Wehr dich nur, ich bin stärker. - Bäh, was hat der geraucht? Wenn ich nicht so hungrig wäre, würde ich jetzt von ihm lassen und ihn zusammenschlagen. Einmal, weil er ein gemeiner Autodieb ist und zum Zweiten, weil er sein Blut verseucht. Ekelhaft. Aber wie heißt es so

schön? Der Hunger treibt es rein, der Ekel würgt es hinter. Jedenfalls so ähnlich. Leer. Jetzt brauche ich noch was zum Runterspülen. Der Geschmack auf meiner Zunge lässt sich nicht beschreiben. Einfach nur ekelhaft. Ich brauche unbedingt reines Blut. So, wie das, von dem Typen, der mich überall befingert hatte. Am Besten schaue ich mal nach, wie es ihm geht. Durch sein Gefummel, war ich so sehr abgelenkt gewesen, das ich mich nicht richtig aufs Saugen konzentrieren konnte. Und dann kam ja noch dieses Katzenvieh. Bestimmt ist er noch am Leben.

8 Was für eine Nacht. Jetzt schnell noch unter die Dusche und dann ab ins Bett. Hoffentlich träume ich nicht wieder von Vampiren, wie bei meiner letzten Begegnung. Das letzte Mal wachte ich schweißgebadet auf und konnte stundenlang nicht wieder einschlafen. Warum sie mir so einen Schauer einjagen, verstehe ich selber nicht. Das Schönste, nach so einem Lauf, ist die Dusche danach. Meine Mutter meinte einmal, das ich wie eine nasse Katze stinke, nachdem ich im Morgengrauen völlig erschöpft nach Hause gekommen war. Roch ich wirklich danach, oder

hatte ich den Geruch der Streuner angenommen? Damals war ich auf eine ganze Horde wilder Katzen gestoßen. Nach anfänglichem Misstrauen hatten sie mich ziemlich schnell in ihr Revier geführt. Meine imposante Größe hatte ihre Feinde verängstigt und verjagt. Zum Dank hatten sie mir ihre Beute vor die Pfoten gelegt. Es war nicht das beste Mahl gewesen, aber ich musste es vor ihren Augen fressen, weil sie es von mir erwartet hatten. Zum Glück hatte ich mir dadurch nicht den Magen verdorben.

Kapitel 2

9 Was für eine Nacht. Ich habe geträumt, das mich eine sexy Vampilady beißt. Es hatte sich verdammt echt angefühlt. Aber daran bin ich ja gewöhnt. Als Kind hatte ich stets geträumt, das ich auf dem Klo bin und hab es dann Laufen lassen. Erst am Morgen, nach dem Aufwachen, registrierte ich die peinliche Wahrheit. In den letzten Nächten träumte ich sehr intensiv von heißem Sex. Nach dem Aufwachen kam sofort die Erkenntnis. Wie spät ist es eigentlich? Durch meinen Vorhang dringt kein einziger

Sonnenstrahl. Also ist es noch Nacht. Was sagt die Uhr? Drei Uhr einundzwanzig. Wenn ich jetzt aufstehe, bin ich spätestens Mittag zu nichts zu gebrauchen. Aber wenn ich jetzt versuche wieder einzuschlafen, komme ich nachher nicht aus dem Bett. - Hat es gerade an meinem Fenster geklopft? Das kann nicht sein. War bestimmt nur Einbildung. So, wie der Schatten...Wer… Nein, das war ein Irrtum. War doch nur der Strauch und der Ginko gewesen. Ich hasse diese Schattenspiele. Jedes Mal denke ich, da ist was und in Wirklichkeit ist da nichts. Manchmal würde ich den Strauch gerne kürzen, damit er nicht mehr an mein Fenster klopfen kann. Aber

er ist ein guter Sichtschutz. Die vom Nachbarhaus haben das nicht, deswegen konnte ich sie letztens sehen, wie sie nackt vorm Herd stand. Tolle Figur. Schlank, aber nicht dürr. Irgendwie überkommt mich gerade ein seltsames Gefühl. Ich fühle mich auch eigenartig. Mir ist schwindlig und gleichzeitig verspüre ich den rang nach draußen zu gehen. Vielleicht hilft‘s ja, wenn ich das Fenster öffne. Bin ja angezogen. Nicht so, wie die Dame… Jetzt war aber wirklich jemand… „Hi.“ „Gott, hast du mich erschreckt. Wer bist du und...“ „Wie geht‘s

dir?“ „Du bist die Frau aus meinem Traum. Die, die mich...“ „Du erinnerst dich also. Wie schön. Nur das es kein Traum war und du jetzt ein Vampir bist. Streich mit deiner Zunge über deine Zähne.“ Unglaublich. Aber anscheinend wahr. Meine Eckzähne kommen mir wirklich länger und spitzer vor, als normal. Und ich verspüre einen merkwürdigen Appetit auf...Gute Frage. Normalerweise verlangt mein Körper, um diese Zeit, nach Kaffee. Jetzt habe ich eher Lust auf...Auf was? „Bevor ich es vergesse; ich habe dir was mitgebracht. Hier, nimm und trink.“ „Was ist

das?“ „Trink.“ Sie hat einen Ton an sich. So rabiat. Ist wohl besser, wenn ich mache, was sie sagt. - Schmeckt ein wenig nach Metall. Aber ansonsten ganz gut. Was das wohl ist? Sie wird mir nicht umsonst einen Becher mit Deckel und Strohhalm gegeben haben. „Ich will es nicht wissen, weil ich es ahne. Dennoch frage ich dich...“ „Blut. Die Mahlzeit dürfte so ein bis zwei Tage reichen. - Ich bin dann mal wieder weg.“ Süß, die Kleine. Ich könnte mich glatt in sie verlieben. Aber ich spiele nicht in ihrer Liga.

10 Er hat es ganz locker aufgenommen. Hätte ich nicht gedacht. Vielleicht hat er auch noch nicht ganz begriffen, das er kein normaler Mensch mehr ist. Wahrscheinlich glaubt er immer noch zu träumen. Mir kann es ja im Prinzip egal sein. Dennoch… Morgen werde ich ihn noch einmal aufsuchen. Ein letztes Mal. Wenn er dann nicht verstanden hat, das er jetzt ein Vampir ist, kann ich ihm auch nicht helfen. Für heute mache ich aber Feierabend. In ein paar Minuten geht die Sonne auf und ich fühle mich leicht erschöpft. Die Blonde hatte aber auch

ganz schön getankt gehabt. So verheult, wie die aussah, hatte sie nicht aus purer Partylaune heraus getankt. Kam mir fast vor, als hätte sie versucht sich tot zu saufen. Zumindest hatte nicht mehr viel gefehlt, bis zum Koma. Ich glaube, ich habe ihr einen gefallen getan, in dem ich sie ausgesaugt habe. Und mein Kleiner ist auch erstmal gesättigt. Jetzt steigt mir der Alkohol in die Rübe. Aus diesem Grund beiße ich äußerst ungern Junkies und Alkis. Jedoch habe ich ein weniger schlechtes Gewissen, wenn ich solche Geschöpfe beiße. Ich rede mir ein, das ich ihnen einen Gefallen tue. Ihnen und ihrer Umwelt. Es hilft nur

bedingt. Glücklicherweise baut mein Körper die Giftstoffe sehr schnell ab. - Vampirsein hat eben nicht nur Nachteile. Dennoch vermisse ich das Menschsein. Zum Beispiel in der Sonne liegen und mich bräunen. Früher habe ich das oft und gern gemacht. Seit dem ich ein Vampir bin, muss ich mit ungesunder Blässe leben. Mir fehlen auch die unterschiedlichen Geschmäcker. Wie gern würde ich mal wieder einen frischen, knackigen Salat essen. Doch das kriege ich seit zwanzig Jahren nicht mehr runter. Sehen wir es positiv: Ich habe keine Gewichtsprobleme. Meine Figur ist und

bleibt Top.


11 Was für eine Nacht. Bis zum Morgengrauen war ich unterwegs gewesen. Jetzt bin ich völlig fertig. Am Liebsten würde ich mich ins Bett legen. Aber die Schule ruft. Mein letztes Schuljahr. Und was mache ich dann? Lehre? Studium? Ich kann mich einfach nicht entscheiden. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Wenn ich studiere, stehen mir mehr Türen offen, so weit ich erfahren habe. Aber eine Ausbildung bedeutet Lehrgeld. Und so lange ich bei meinen Eltern wohne, kann ich es sparen.

Mutter hat mir schon gesagt, das ich ihr kein Kostgeld zu geben brauche. Sie will nur gute Noten und Leistung von mir sehen. Jetzt muss ich mich aber beeilen, sonst komme ich zu spät zur Schule. Eine schnelle Dusche muss für heute reichen. Und Zähne putzen nicht vergessen. Nicht das jemand das Blut an meinen Zähnen schimmern sieht und mir dann dumme Fragen stellt. Noch weiß niemand von meiner Anomalie und ich will auch nicht, das irgendwer Wind davon bekommt. Nicht einmal Mara, meine beste Freundin. Sie darf alles von mir erfahren, außer das ich switchen kann. So sehr ich ihr auch vertraue, glaube ich

nicht, das sie dieses Geheimnis allzu lange für sich behalten kann. Wenn man vom Teufel spricht. Da kommt sie, um mich abzuholen. Toll, jetzt muss ich auch noch aufstoßen. Selbst ich kann riechen, das ich rohes Fleisch gefressen habe. Und schmecken kann ich es auch wieder. Ich mach ihr die Tür auf und verschwinde im Bad. Begrüßen kann ich sie hinterher immer noch. Sie kennt den Weg und mich. Mara wird reinkommen, die Tür hinter sich schließen, die Dusche hören und geduldig auf mich warten. So, wie sie es schon oft getan hat. Manchmal glaube ich, das rein gar nichts sie aus der Ruhe bringen kann. Vielleicht sollte ich

mir ihr doch anvertrauen. 12 Ich kann es immer noch glauben, das ich ein Vampir bin. Aber was für eine Art von Vampir bin ich eigentlich? Einer von der alten Sorte, die im Sonnenlicht verbrennen? Oder bin ich ein moderner Vampir, dessen Haut schillert, wenn die Sonne scheint? Der Tag sieht trüb aus. Edward Cullen kann problemlos durch die Stadt gehen, ohne zu verbrennen oder aufzufallen. Wenn sie nur hier wäre, könnte ich sie fragen. Aber so muss ich es selbst testen. Entweder überlebe ich es unbeschadet,

oder eben nicht. Zumindest weiß ich hinterher mehr. Ich muss zu meinem alten Arbeitgeber und… Und was? Ihm sagen, das ich jetzt ein Blutsauger bin? Den Scheiß kauft er mir doch nicht ab, auch wenn es wahr ist. Aber was sage ich ihm dann? Das ich entführt wurde? Schwachsinn. Meine spitzen Zähne sind glaubwürdiger. Kurzzeitiger Gedächtnisverlust, durch einen Schlag auf den Kopf? Was hatte sie gesagt? Tierblut hält nicht so lange vor, wie Menschenblut. Das Problem ist nur, das ich keinem Tier etwas zu Leide tun kann. Ich schätze, da muss wohl ein bestimmter Kollege dran glauben müssen. Wen von Beiden nehme

ich nur? Den Ochsen, der stets seine Launen an uns auslässt, oder den, der in einer Tour bettelt? Es mag unfair erscheinen. Aber eine andere Lösung, um meinem Chef zu beweisen, das ich kein normaler Mensch mehr bin, fällt mir nicht ein. Ich brauche diesen Job. Denn nur, weil ich nichts mehr zu essen brauche, heißt es nicht, das ich gar kein Geld brauche. Ich will in meiner Wohnung bleiben und im Internet surfen. Vielleicht lass ich mich dazu überreden Unterhalt zu zahlen. Dies aber nur, wenn mir hundertprozentig garantiert wird, das jeder einzelne Cent meine Kinder erhalten. Die Krauthex von Mutter soll arbeiten gehen, wenn sie

Geld braucht. In den letzten Jahren habe ich ihr viel zu viel in den Arsch gesteckt. Jede Lüge habe ich ihr geglaubt. Man war ich naiv. Ich hatte wirklich geglaubt, sie gibt es für unsere Kinder aus. - Hinterher ist man immer schlauer. Wie komme ich jetzt eigentlich wieder auf sie? Ach ja, ich wollte zu meinem Chef. Wenn ich jetzt nicht losmache, brauche ich heute gar nicht mehr losgehen. 13 Das ich einmal Nachtwächterin werde, hätte ich auch nie gedacht. Aber seit heute bin ich eine. Meinen neuen

Arbeitgeber konnte ich ziemlich schnell davon überzeugen, das ich genau die Richtige für diesen Job bin. Die Bezahlung ist nicht gerade die Beste. Aber bisher habe ich es auch immer irgendwie geschafft, um die Runden zu kommen. Tote brauchen kein Geld mehr und Gelegenheitsjobs sind meist Steuerfrei. Leider wurde es in letzter Zeit immer härter. Gelegenheitsjobs sind gefragter, denn je. Ebenso die Jagd nach Pfandflaschen. Häufig gibt es Schlägereien, weil irgendwer einem anderen eine Pfandflasche vor der Nase weggeschnappt hat. Meist sind es Rentner, die sich gegenseitig die Augen blau hauen. Vierzig Jahre hart gearbeitet

und dann eine magere Rente, die nicht zum Leben reicht. Eine Ratte. Nur wenige Meter vor mir. Mal schauen, wer, von uns beiden, schneller ist. Eigentlich bin ich ja satt. Aber so ein kleiner Snack zwischendurch...Hab dich. Sorry, mein Kleiner, aber du bist hier äußerst unerwünscht. Schau mich nicht so an. Ich habe die Regeln nicht gemacht. 14 „...Es tut mir wirklich leid, das ich mich jetzt erst bei ihnen melde. Ich kann nichts dafür. Als ich vor ein paar Wochen spazieren ging, um frische Luft zu

schnappen und über einiges nachzudenken, rechnete ich nicht damit, das mich ein paar feige Vollidioten überfallen würden. Ansonsten hätte ich das Haus gar nicht verlassen. Ich kann ihnen nicht sagen, wie viele es wirklich waren und wie genau es ablief. Es liegt alles im Dunkeln. Ich habe lange gebraucht, um mich daran zu erinnern wer ich bin und wo ich wohne. Die Typen hatten mich alle gemeinsam zusammengeschlagen und getreten. Von hinten hatten sie mich angegriffen. Da kann man wieder mal sehen, wie feige sie sind. Wie...“. Wie dein Spezi, hätte ich jetzt beinahe gesagt. „Jedenfalls habe ich erstmal alle meine

Papiere neu beantragt und Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Ich weiß, ich hätte sofort herkommen sollen, als ich mich daran erinnerte, wo ich arbeite. Aber ich wollte zuerst alle Behörden abhaken.“ „Waren sie beim Arzt?“ Fuck. Daran hatte ich nicht gedacht. Was sage ich jetzt? Wenn ich Ja sage, will er eine Bescheinigung sehen. „Ohne Geld und ohne Krankenkarte?“, gute Ausrede. Klingt sogar logisch, finde ich. Dennoch schluckt er es nicht. Ich sehe es ihm an. Was nun? „Sobald ich mich wieder ausweisen kann, werde ich es nachholen. Kontrollieren lassen, ob ich vollkommen in Ordnung

bin, oder die Typen mir nachhaltig was angetan haben.“ Wie er denkt. Man kann förmlich die Rauchwolke, über seinen Kopf, aufsteigen sehen. „Ich bin von ihrer Geschichte nicht überzeugt. Aber da mir im Moment Mitarbeiter fehlen, gebe ich ihnen die Chance, sich neu zu bewähren. Für die letzten Wochen reichen wir nachträglich Urlaub ein. Bisher hatten sie sich immer geweigert, Urlaub zu nehmen. Damit...Ab wann wollten sie wieder anfangen?“ „Wenn sie wollen, sofort.“ „Gut. Stechen sie sich ein. Ich gebe Herrn Gerlach Bescheid, das er sie in den Dienstplan

einträgt.“ Also habe ich jetzt meinen undankbaren Job wieder. Ich weiß genau, warum er mir nicht den Laufpass gibt. Es liegt klar auf der Hand: Ich bin billig und mache alles, ohne zu Murren. Sogar Überstunden. Meine Kollegen lassen sich nicht so viel gefallen, wie ich. 15 „Mara! Es gibt etwas, das du über mich noch nicht weißt.“ Wir sind mitten im Wald, wo sich kein Mensch freiwillig verirrt. Hier werde ich Mara zeigen, was ich bin. Sie ist meine allerbeste Freundin. Ich vertraue

ihr. „Mensch Laura, mach es nicht so spannend.“ Anstatt ihr zu sagen, was mir auf der Seele brennt, ziehe ich mich vor ihr aus. Ihr zu zeigen, was ich bin, ist besser, als es ihr zu sagen. So muss sie mir einfach glauben. Hoffentlich fällt sie vor Schreck nicht gleich in Ohnmacht. „Laura, was machst du da? Es ist doch hoffentlich nicht das, was ich gerade denke...“ „Sieh einfach nur hin und glaube deinen Augen.“ Der Wind frischt auf und verursacht eine Gänsehaut. - Jetzt, oder nie. Trau dich. Komm schon. Willst du den ganzen Tag

bewegungslos nackt im Wind stehen? Renne, Kind, renne. „Oh scheiße. Laura, du...“ Das war wohl zu viel für sie. Wenn ich mir vorstelle, das meine beste Freundin, die ich seit Jahren kenne, mir zeigt, wie sie switcht, ich würde es ihr nicht glauben wollen, obwohl ich es mit meinen eigenen Augen sehe. Wie Mara, würde ich wahrscheinlich in Ohnmacht fallen. „Mara! Wach auf, bitte. Mara!“, flehe ich. „Laura?“ „Ja, Mara, ich bin es.“ „Bring mich bitte nach Hause.“ Als Mensch, oder als Katze?

16 Nicht das beste Blut, welches ich bisher getrunken habe, aber auch nicht das Schlechteste. Am besten zapfe ich etwas davon für meinen neuen Freund ab. Nicht das ich mich dazu verpflichtet fühle. Es ist nur so, das ich...Ja doch; ich fühle mich dazu verpflichtet. Denn ohne mich, wäre er kein Vampir. Wie gut, das ich dafür meinen alten Thermobecher mitgenommen habe. Als ob ich ihn extra dafür eingepackt hatte. Praktischer Weise bin ich ganz in seiner Nähe. Als ob,… Ach was rede ich da. Ich hatte von Anfang an vorgehabt, zu ihm zu gehen und ihm ein wenig Blut

mitzubringen. Es ist so lange her, das ich das letzte Mal richtigen Kontakt gehabt hatte. Mit Menschen kann ich nicht lange zusammen sein. Zu laut höre ich ihr Blut durch die Adern strömen. Früher oder später krache ich ein und beiße zu. Selbst dann, wenn ich eigentlich satt bin. Und da bin ich auch schon. Leise anklopfen und warten, bis er aufmacht. Sicherlich wird er sich freuen, mich zu sehen. Noch mehr wird er sich über mein Mitbringsel freuen. „Welch freudige Überraschung.“ Die Freude steht ihm im Gesicht geschrieben. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, das sie jemals jemand so sehr über meine Erscheinen gefreut hat.

Eine nette Abwechslung. „Ich dachte, du könntest eine Kleinigkeit vertragen. Hier, nimm.“ „Danke...Übrigens, was ich dich schon das letzte Mal fragen wollte: Wie heißt du eigentlich?“ „Sophie. Und du?“ „Chris. Willst du nicht ganz reinkommen? Sitzt sich doch ungemütlich, so auf dem Fensterbrett.“ Warum eigentlich nicht? Muss ja nicht jeder mitkriegen, über was wir uns unterhalten.

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