Er hatte Langeweile und eine schlechtgehende Praxis. Seit dem die neue, moderne Klinik ihre Pforten geöffnet hatte, verlor er einen Patienten nach dem anderen. Geblieben waren ihm ein paar Rentner, die zu schätzen wussten, das er sich für jeden Patenten Zeit nahm. Doch sie kamen nicht mit irgendwelchen Krankheiten zu ihm, sondern weil sie einsam waren. Ihre Angehörigen waren entweder schon tot, oder hatten keine Zeit. Doktor Helmut Langer hatte noch ein paar Jahre, bis er das Rentenalter erreicht hatte. Mehrfach hatte er
überlegt, ob er in der neuen Klinik anfangen soll. Deshalb hatte er sich die Klinik einmal von Innen betrachtet. Doch schon nach wenigen Minuten hatte er sie wieder verlassen. Zu viel Trubel. Den Stress wollte er sich auf seine alten Tage nicht mehr antun. Als wieder einmal sein Dauerpatient in seinem Sprechzimmer saß und ihm zum x-ten Mal seine Lebensgeschichte erzählte, kam er auf eine verrückte Idee. Ob es an den Drogen lag, die er jeden Tag zu sich nahm, um den Tag zu überstehen, oder ob er einfach nur verrückt geworden war, bleibt ein Rätsel. Er schnallte seinen Patienten auf eine Liege und gab ihm eine Infusion in den
linken Arm. Eine halbe Stunde danach, stach er ihm in den linken Mittelfinger und fing die Blutstropfen mit dem Wischeimer auf. Und während er zusah, wie ein Tropfen nach dem anderen in den Eimer fiel, schlief er ein. Er schlief aber nicht richtig. Es war eher ein Dämmerzustand, verursacht durch das stetige Tropfen des Blutes. Nach einer Weile kam es ihm so vor, als säße er unter einem tropfenden Wasserhahn. Und je länger er in diesem dämmrigen Zustand verharrte, desto verrückter machte es ihn. Nach einer scheinbar endlosen Zeit, wachte er auf und schaute auf seinen Patienten. Jener war blutleer. Doktor
Helmut Langer hatte ihm ein Serum verabreicht, welches das Blut daran hinderte zu gerinnen. Er wollte wissen, wie lange es dauert, bis der letzte Tropfen Blut aus dem Körper geflossen ist. Da er eingeschlafen war und zuvor vergessen hatte auf die Uhr zu schauen, war er genauso schlau, wie vorher. Am Tag darauf wiederholte er das Experiment mit einem anderen Patienten. Mit der Stoppuhr in der Hand saß er auf seinem Stuhl und wartete. Doch wieder geriet er in diesen dämmrigen Zustand, Wieder hatte er das Gefühl, unter einem tropfenden Wasserhahn zu sitzen. Immer wieder wischte er sich übers Gesicht, weil er glaubte, Wasser liefe
darüber. Als er aus dem Dämmerzustand erwachte, fühlte er sich hellwach und energiegeladen. Es war Mittagspause. Im Wartezimmer saß noch eine Patientin. Da er wieder verpasst hatte die Zeit zu stoppen, wiederholte er sein Experiment aufs Neue. Doch auch diesmal fiel er wieder in einen Dämmerzustand. Und als er aufwachte, war es später Nachmittag. Drei Leichen lagen in seinem Sprechzimmer. Doktor Helmut Langer überlegte nicht lang. Er schnitt eine Leiche nach der anderen auf und holte die Organe heraus, die er gleich darauf kühl legte. Im Darknet fand er schnell
Abnehmer dafür. Auch für das Fleisch. Sogar für die Knochen fand er Interessenten. Innerhalb kurzer Zeit hatte er die drei Leichen spurlos entsorgt. Niemand hatte nach der Herkunft gefragt. Es hatte sich auch keiner interessiert, wer er war. Das Einzige, was allen interessierte, war der Nachschub. Der letzte Patient war nicht so leichtgläubig, wie all seine anderen Patienten. Er glaubte nicht daran, das eine Infusion ihn von seinen Leiden heilen und ihm gleichzeitig neue Energie brachte. Daher beschloss Doktor Helmut Langer ihn einfach mit einer Schere zu erstechen. Als Mediziner wusste er nur
allzu genau, wie er zustechen musste. Doch sein Patient machte es ihm nicht leicht und er war stärker, als er aussah. Und gerade in dem Moment, wo er glaubte, das er verloren hatte, ergab sich die Möglichkeit seinen Patienten tödlich zu verletzen. Erschöpft setze er sich in seinen Stuhl und holte mehrfach tief Luft. Dann sah er zu seinem letzten Patienten, der reglos am Boden lag. ‚Blut.‘, dachte der Doktor. Die letzten drei Male hatte er es in einem Eimer aufgefangen. Diesmal war es über den ganzen Boden verteilt und floss langsam ins Wartezimmer. Der Doktor kümmerte sich zuerst um den
toten Patienten. Entfernte alle seine Organe und löste dann das Fleisch von den Knochen. Nachdem er alles verpackt und in den Kühlschrank gelegt hatte, machte er sich daran, das Blut wegzuwischen. Es war schon spät und der Doktor am Ende seiner Kraft. Daher legte er sich auf die Trage und verbrachte die Nacht in seiner Praxis. Als er am Morgen erwachte, kam ihm eine Idee. Da er keine Patienten mehr hatte, würde er sich Obdachlose vornehmen. Schließlich hatten sie niemanden, der sie vermissen würde. Der Gedanke wurde schnell zur Realität. Jeden Tag brachte er ein bis zwei
Obdachlose dazu, mit ihm zu kommen. Und während sie sich auf eine warme Mahlzeit freuten, überlegte er, wie er sie am besten umbrachte. Für den Doktor war es ein Zeitvertreib und eine sehr gute Einnahmequelle. Er verdiente mit dem Verkauf von menschlichen Organen, Knochen und dem Fleisch mehr, als zu jener Zeit, als seine Praxis noch spitze lief. Und auch für das Blut hatte er illegale Abnehmer gefunden. So konnte er jede Leiche wirklich spurlos verschwinden lassen. Um nicht aufzufallen, suchte er seine Opfer kreuz und quer und niemals am selben Ort. Auch nicht in der selben Richtung. Mal suchte er sie in östlicher
Richtung, am nächsten Tag fuhr er in den Norden. Er versuchte jeden Fehler zu meiden. Daher hatte er auch verschiedene Autos. Alle liefen unter einem anderen Namen. Das Darknet machte es möglich. Und falls ihm doch jemals jemand auf die Schliche kommen sollte, hatte er einen Zufluchtsort unter der Erde. Dort bewahrte er auch die Leichenteile auf, bis sie verkauft wurden. Der größte Abnehmer war ein Hersteller von Tierfutter. Niemand hatte je danach gefragt, was für Fleisch er verkaufte. Sie nahmen es ihm ab, weil es bedeutend billiger war, als das Fleisch, welches sie offiziell bezogen. Damit konnten sie die Preise, für ihre Produkte,
niedrig halten. Das Menschenfleisch wurde einfach untergemischt und fiel daher in der Masse nicht auf. Bei den Knochen verlief es nicht anders. Zusammen mit den Tierknochen, wurde es gemahlen und als Dünger verkauft. Doktor Helmut Langer war nicht der Einzige, von dem die Industrie billiges Fleisch bezog. Aber wahrscheinlich der Einzige, von dem sie Menschenfleisch kauften. Die Tiere schienen den Geschmack zu mögen. Denn die Verkaufszahlen stiegen stetig. Dies bedeutete auch, das der Doktor mehr und schneller liefern musste. Das hatte wiederum zur Folge, das die Gefahr stieg, erwischt zu werden. Sollte er aus
dem Geschäft aussteigen, so lange es noch ging, oder weiter machen, um genug Geld zu scheffeln, um sich eines Tages im Ausland abzusetzen und dort seinen Ruhestand zu genießen?