Wortvorgaben:
Glas Leben Spiegel Schnabel
Liebste Zettel Freund Morgenrot
Schatten Tanz küsst Wein
Inspirationen / Lieder:
"Tanz mit mir" - Faun + Santiano
(aber... auch ein wenig "Mitternachtsball" - Juliane Werding
und "Kommt ein Vogel geflogen")
Auf dem Dorffest
Es ist Frühling und in dem kleinen Dorf, in dem sie lebte, gab es jedes Jahr einen Mitternachtsball. Ein abendliches Fest, wo alle Menschen des Ortes zusammenkamen, man alte Freunde wiedersah oder neue Freundschaften fand. Und so ist es auch in diesem Jahr. Wie immer kündigen bunte Zettel an den Geschäftstüren, Bushaltestellen und vielen anderen Orte seit Wochen dieses Ereignis an, denn die Verkaufserlöse von Essensmarken, Getränkechips und die Spenden einiger Geschäftsleute aus der Umgebung kamen dem Waisenhaus am Rand des Ortes zugute. Und dann ist es endlich soweit.
An diesem besonderen Tag sind die Bäume rund um den Marktplatz und alle Feststände mit Girlanden und bunten Lichtern geschmückt. Die Tische biegen sich fast unter den köstlichen Speisen und überall klingt Musik in der Luft. Alle haben ihre schönsten Kleider angezogen und das Lachen und die Stimmen der Gesellschaft mischten sich mit dem Gesang der Vögel.
Die jungen Mädchen wiegen und drehen sich im Tanz auf der Wiese, ihre Haare wehen im Wind, und die Jungen bewundern sie von Ferne. Ab und zu treffen sich zwei Augenpaare, man geht aufeinander zu und reicht sich die Hände.
Rotes Haar
Auch eine Frau mit roten Haaren tanzt in einem grünen Kleid, um die Hüften ein glitzerndes Band gebunden mit einer Schleife hintendran. Sie bewegt sich leicht wie eine Feder über den Rasen und es scheint manchmal so, als ob sie schwebe. Wie eine Elfe, die des Nachts über die Wiesen fliegt, um sich dann sacht wie ein Schmetterling niederzusetzen. Ihre Haare wirbeln herum, ihre Augen leuchten und ihre Wangen haben einen leicht rosigen Ton. Und wenn sie lacht, klingt es wie tausend Glöckchen.
Sie war vor vielen Jahren hier in diesem kleinen Örtchen geboren worden.
Doch sie wollte die Welt sehen und verließ ihr Elternhaus an dem Tag, als sie zwanzig wurde. Sie besuchte ihre Verwandtschaft noch ab und zu für ein oder zwei Tage, als aber ihre Eltern beide nicht mehr lebten, kam sie gar nicht mehr. Niemand hier wusste genaueres über ihr Leben, was sie all die Jahre danach getan hatte und wo sie gewesen war. Aber dann, eines Tages, war sie wieder da und sie blieb.
Jeder freut sich, wenn er ihr begegnet und sie steht seit ihrer Rückkehr jedem mit Rat und Tat zur Seite. Sie ist eine wirkliche Bereicherung für das Dorfleben hier. Aber ihr Herz, das konnte bisher noch niemand gewinnen.
Da schien stets eine unsichtbare Grenze zu existieren, die unüberwindbar scheint, trotz Blumen und vieler lieber Worte.
Doch nun tanzt sie - mitten zwischen all den Mädchen und Jungen - und sie lacht.
Die Begegnung
Es ist ein langer schöner Abend. Doch nach und nach verlöschen die Lichter und es wird still auf dem Mitternachtsball. Man flüstert sich zu und der Sternenhimmel fängt an, sich wie eine wunderschöne Decke über den Dorfplatz und die Tanzwiese zu spannen. Der Mond steht still und wachend am Himmel.
Der Wein glitzert noch im Glas, aber nach und nach verabschiedet man sich. Die lustige Gesellschaft löst sich langsam auf und man kann Menschen beobachten, die lächelnd Hand in Hand fort gehen.
Die Frau mit den roten Haaren steht noch immer da und winkt den Gehenden nach, bis sie langsam im Dunkeln verschwinden. Nun wird auch sie sich auf den Heimweg machen. Sie hat es ja nicht so weit nach Hause. Sie lauscht ihren eigenen Schritten auf dem Kopfsteinpflaster und sie ist wie immer allein.
Plötzlich schreckt sie aus ihren Gedanken auf. Ist da nicht ein Geräusch?
Sie lauscht in das Dunkle der Nacht. Und dann sieht sie eine Person unter dem Apfelbaum, dort an den Stamm gelehnt. Sie will rufen, irgend etwas Energisches sagen, aber sie bleibt stumm.
Alex
Zuerst ist es nur ein Schatten, der aber nun ins schwache Licht der Laternen und der Sterne hinaustritt. Sie erkennt einen Mann, der nun mit jugendlichen Schritten auf sie zukommt. Er ist größer als sie und sportlich gewachsen und sie erkennt schwarzes strubbeliges Haar, von dem eine Strähne ihm ins Gesicht fällt. Warum hat sie ihn nicht auf der Feier bemerkt?
Warum ist er ihr nicht aufgefallen? Hat er sich vielleicht sogar extra verborgen gehalten? Er ist offensichtlich ein Fremder, denn sie hat ihn hier im Dorf noch nie gesehen. Vielleicht hat er gewartet, bis sie allein war!
Sie merkt, dass ihre Beine weich werden und ihr Herz anfängt zu rasen. Ihr wird mit jedem seiner Schritte, die er näher kommt, heißer zumute. Nun steht er direkt vor ihr und als sie allen Mut zusammen nimmt und ihn frech anschaut, lächelt er. Seine blauen Augen blitzen schelmisch verwegen auf.
„Augen wie das Meer - solche, in denen man versinken kann“, denkt sie.
"Ich heiße Alex und besuche einen Freund hier in eurem traumhaften Örtchen. Und er meinte, ich solle ruhig mitfeiern. Dieser Mitternachtsball wäre etwas Besonderes.
Ja, es war wirklich ein wunderschönes Fest. Aber dass ich noch auf so ein Wesen wie dich treffe, ahnte ich nicht!
Wie darf ich Euch nennen, unbekannte Schöne der Nacht?"
Sie wagt nicht den Blick zu heben und ihn offen anzuschauen - wagt es nicht, da er vielleicht in ihren Augen lesen kann, was sie grade denkt. Sie spürt, wie ihr Blut pulsiert und ihre Wangen zu glühen anfangen. Doch es ist zu dunkel, als dass er es sehen könnte.
Mit leiser Stimme gibt sie ihren Namen preis: "Maria. Ich heiße Maria."
"Schau doch mal, die Sterne - ein Zauber liegt über dieser Nacht! Findest du nicht auch, Maria?"
Er duzt sie einfach! Was für ein frecher Kerl! Sie will etwas sagen, aber nur ein "Ja, zauberhaft" kommt über ihre Lippen. Und dann flüstert es in ihr Ohr "Aber nichts ist wie du, Kleines!"
Ihr Herz will zerspringen und ihr wird ganz schwindelig. Er kommt noch näher und seine Lippen berühren fast ihr Gesicht. Eigentlich müsste sie nun etwas erwidern. Sie müsste sich vielleicht aus dieser Situation lösen und sich verabschieden.
Vielleicht könnte man sich für einen anderen Tag verabreden.
Die "magische" Nacht
Nein. Sie kann jetzt nicht einfach gehen, auch wenn ihr Verstand ihr sagt, dass es besser wäre. Aber sie hat so lange auf einen Moment wie diesen gewartet. Seine Stimme, sein Lächeln kommen immer näher. "Es ist nicht gut, in einer Nacht wie dieser allein zu sein. In so einer Nacht passieren magische Dinge, wie zum Beispiel unser Zusammentreffen." Sie kann nur noch flüstern: "Ach, Alex." Und er nimmt sie einfach in seine Arme. Sie lässt es geschehen.
Und als er sie küsst, ist es ihr, als ob sie beide schweben dem Sternenhimmel entgegen.Sie lässt sich in dieses Gefühl hineinfallen und riecht, schmeckt und fühlt seine Haut. In ihren Adern pocht eine bislang nie erlebte Sehnsucht nach Nähe und lauscht fasziniert seine flüsternden Worte, die ihr Herz zum Singen bringen.
„Ach, wie soll ich es beschreiben? Als mein Blick auf dein süßes Lächeln fiel, habe ich mir gewünscht, dass sich unsere Hände berühren und deine Augen mich nicht mehr loslassen. Eine kleine süße mädchenhafte Frau - ein rothaariges Hexchen - eine Elfe mit offenen Augen und sanftem Blick, das bist du.
Vielleicht bist du auch eine Mischung aus all dem, eben ein Zauberwesen.
Und etwas, wie ich es so noch nie gefühlt habe, hat mich umfasst, erfüllt mich. Alles an dir - alles von dir - dein Lächeln, deinen Duft, deine Augen, dein süßes Näschen, deine weiche Haut - zieht mich an. Ich liebe es von deinem heißen Atem "getroffen" zu werden, ich liebe deine weiblichen Formen, den sanften femininen Ton deiner Stimme. Du hast mich in deinen Bann gezogen und ich kann und will nichts dagegen tun. Es ist so ein weiches intensives Gefühl, wie ich es nicht beschreiben kann."
Was für wunderbare Worte. Ihr bleibt das Herz fast stehen voll Glück.
Sie kann nur noch hauchen: "Ja, so fühle ich auch!" Es ist, als ob sie aus einem Nebel tritt. Seine Stimme und was er sagt, erfüllt sie mit einer ungeahnten Wärme. Er stellt die richtigen Fragen. Die Fragen, auf die sie schon so lange gewartet hat, und auf die die Antworten schon so lange in ihrem Herzen unausgesprochen warten.
Es scheint ihr, dass sie diese Worte nur für ihn bewahrt hat, all die Jahre.
Sie lächelt ihn an - ihn, der nun endlich gekommen ist, um sie aus ihrer Einsamkeit zu retten.
"Komm!" Atemlos nimmt sie ihn bei der Hand." Komm mit mir!" - und sie rennen lachend zusammen durch die engen Gassen hin zu ihrem kleinen Haus mit dem Garten. Hastig schließt sie auf und die beiden Liebenden huschten hinein.
Kaum hat sich die Tür hinter ihnen geschlossen, spürt sie wieder seine Hände - so weich, zärtlich und doch so stark. Streicheleinheiten hüllen sie ein wie eine Decke und es scheint ihr, als wenn sie seine Seele erblicken könne - eine Seele, voller Sehnsucht und Zerbrechlichkeit, gleich der ihren.
Seine Lippen auf ihrer Haut entfachen ein Feuer in ihr, einen Sturm, den sie nie erahnt hat.
Als sie neben ihm erschöpft einschläft, taucht das Morgenrot die Welt bereits in sein magisches Licht.
Neuer Tag - neues Leben?
"Was für ein Morgen". Maria steht im Morgenmantel, den sie über ihr mit schwarzer Spitze besetzten Nachthemd gezogen hat, auf ihrem kleinen Balkon. Sie schaut über ihren kleinen blühenden Frühlingsgarten - all diese Farben und der Gesang der Vögel.
Wie frei fühlt sie sich und wie leicht klopft ihr Herz. Sie atmet tief ein. Was war das gestern für ein Fest und dann noch "Alex"!
Sie schleicht sich zurück ins Zimmer und ihr Blick fällt auf den dort noch Schlafenden. Sie lächelt. Seinen Mund, der ihr so viele Küsse geschenkt hat, hat er halb offen, die schwarzen Haare ganz strubbelig - wie ein kleiner Junge sieht er aus. Ihr Blick wird weich und sie denkt an die geheimnisvolle Begegnung mit ihm. „Tanz mit mir. Lach mit mir und vergiss die Welt, Liebste!“ hatte er mitten in der Nacht geflüstert. War er der Freund, den sie so lange gesucht hatte?
Leise geht sie in das angrenzende Badezimmer und wäscht sich. Beim Abtrocknen fällt ihr Blick in den Spiegel.
Auch ihre Haare sind noch ganz unordentlich von der Nacht. Das rote lockige Haar lässt ihr Gesicht mit der Stupsnase noch frecher erscheinen. Niemand, der sie im Moment so sehen könnte, hätte sie für über 50 gehalten. Doch die Lebensuhr tickt nun mal unaufhaltsam weiter. "Aber noch hält das Leben so schöne Momente und Erinnerungen als Überraschungen bereit!", denkt sie. Ihre grünen Augen leuchten und langsam noch im Tagtraum geht sie die geschwungene, glänzende Holztreppe hinunter ins Erdgeschoss, wo sich die Küche befindet.
Auf der blau schimmernden Arbeitsplatte stehen Kaffeemaschine, Toaster und Wasserkocher fein säuberlich neben-einander. Sie geht zum Küchenschrank und holt Kaffeedose und die kleine Holzkiste mit den Teebeuteln heraus. Erstmal Kaffee für ihn machen - aber trinkt er überhaupt Kaffee am Morgen? Ihr fällt ein, dass sie eigentlich noch gar nichts über ihn weiß. Egal, also Kaffee zubereiten und Teewasser aufsetzen - für alle Fälle!
Dann nimmt sie das notwendige Geschirr und Besteck aus Schrank und Schublade und deckt den Tisch, der sich in der Küchenecke am Fenster befindet, fürs Frühstück ein.
So, nun noch Butter und einige Kleinigkeiten aus dem blauen Chrom-Kühlschrank "Made America" und dann ... etwas fehlt noch!. Sie geht durch die Hintertür des Hauses in den Garten, wo sich in der Ecke eine Art "Biowiese" befindet. Dort blühen bunte Feldblumen wie roter Mohn, blauer Männertreu und gelber Löwenzahn, Klee und Gänseblümchen. Sie pflückt einen kleinen bunten Strauß, geht wieder hinein und verteilt die Blumen kreuz und quer auf dem Frühstückstisch. So, nun ist alles bereit und ihr Liebster kann kommen.
Sie geht nach oben, um ihn zu wecken.
"Na, mein Herz", flüstert sie mit samtener Stimme und küsst ihn auf die Nasenspitze. Er öffnet die Augen. "Nicht jetzt, ich habe es eilig!“, sagt er mit einem Blick auf ihren Wecker, der direkt am Bett auf einem Hocker steht. Er wirft das Oberbett und die Kissen zur Seite und springt aus dem Bett. „Komm, ich will mich in Ruhe anziehen“. Er küsst sie flüchtig auf die Wange und mit einem Klaps auf den Po schiebt er sie aus dem Zimmer - aus ihrem eigenen Zimmer herausgeworfen! War das derselbe Mann, der gestern noch so zärtlich und einfühlsam um sie geworben hatte? Kopfschüttelnd geht sie zurück in die Küche.
Sie schiebt den inzwischen pfeifenden Wasserkessel von der heißen Herdplatte. Die Kaffeemaschine gluckert vor sich hin - und sie lauscht auf seine Schritte auf der Treppe.
Das war wohl nichts?
Da, endlich... aber was passiert da? Plötzlich geht alles ganz schnell - seine hastenden Schritte auf der Treppe und im Flur, sein Ruf "Sorry, ich muss los!" und dann - das Geräusch der zuschlagenden Haustür. Kein "Wir sehen uns wieder!" - kein Abschiedswort!
So plötzlich und geheimnisvoll wie er in ihrem Leben aufgetaucht war, so ist er auf einmal wieder weg.
Sie weiß nicht mal seinen richtigen Namen - auch nicht den Namen seines Freundes hier im Dorf.
So sitzt sie da vor dem "für Zwei" gedeckten Frühstückstisch und ist wieder allein!
Ihre Gedanken wirbeln umher wie im Tanz - im Tanz mit den Schatten der Nacht.
Im Apfelbaum direkt vor ihrem Fenster baut gerade ein Rotkehlchen sein Netz. Sie beobachtet den kleinen Vogel bei seinem Werk ganz leise, um ihn nicht zu stören. Er hat Federn und kleine Zweige in seinem Schnabel gesammelt und hüpft damit Richtung Astgabel.
Dort legt er seine Fracht ab auf ein immer stetig höher werdendes Häufchen. Und dann - "Wusch" - fliegt er wieder von dannen, um dann einen Augenblick später wieder zurückzukehren mit neuem Material. "Ablegen und dann nochmal los." So geht das eine ganze Weile. Und zwischendurch sortiert der kleine Piepmatz seine "Schätze", bis er zufrieden zu sein scheint. Und dann singt er. Er ruft seine Liebste herbei, er lockt sie mit Tanz und Gesang.
"Kommt mir irgendwie bekannt vor", denkt sie und sie lächelt wieder. Sie gießt sich ein Glas von dem roten köstlichen Wein, den sie so mag, ein.
Denn ihr wird klar - die Erinnerung an diese "Magische Nacht" und an "Alex" kann ihr niemand mehr nehmen.