Links, recht, wieder rechts, dann geradeaus. Noch ein langer Flur, dann wieder rechts und einmal links. Der Trupp, der für Chaos´ Sicherheit abgestellt war, bahnte sich seinen Weg durch die gegnerischen Reihen, die sich auf den Fluren der Psychiatrie positioniert hatten. Chaos teilte primär Kicks aus, da sie über eine große Reichweite verfügten und die Wahrscheinlichkeit, dass er selbst verletzt würde, sehr gering war. Hin und wieder nutzte er auch einen Supermanpunch oder, wenn ein Gegner doch zu nahe kam, auch Ellenbogen- oder
Fausttechniken. Auch Zecke und die Anderen wandten ihr Wissen vom Training an und hielten damit Chaos den Rücken frei. Es dauerte nicht lange und sie standen vor der Tür zu Himura´s Büro. Chaos spürte, wie die Angst durch die Spalten der Tür waberten wie dicker Nebel. Er hatte auf diesen Moment gewartet, so lange. Diese Menschen würden für all das, was sie ihm angetan hatten, bezahlen. Es war der letzte Schritt zu seiner Erlösung. Diese Tür war das Tor zu einem neuen, besseren Leben. Zecke und die anderen sahen erwartungsvoll zu Chaos und warteten auf das Zeichen zum Angriff. Doch der
18 – Jährige bedeutete ihnen, sich neben den Türflügeln aufzustellen. Dann trat Chaos die Tür auf und zog sich schnellst möglich hinter die Wand zurück. In diesem Moment erkannte Zecke, dass die Vorsicht von Chaos durchaus berechtigt war, da die Gegenposition das Feuer eröffnete. Hätten sie die Tür aufgebrochen, ohne nachzudenken, wären sie jetzt tot.
Die Kugeln flogen an uns vorbei und ich versuchte ein Muster herauszuhören. Es konnte kein Maschinengewehr sein, dafür waren die Pausen zwischen den einzelnen Schüssen zu lang. Also wahrscheinlich die typische Polizeiwaffe – eine 9mm. Das heißt es wären 16 Schuss, es blieben also noch 6 nach. Ich hob eine Hand und zählte von fünf runter, als ich bei null angekommen war verstummte das Feuer und wir stürmten den Raum. Drinnen erwartete uns eine Barrikade aus einem umgekippten Schreibtisch, Regalen und einem Sofa. Dahinter spürte ich die Präsenz von zwei Personen – mehr nicht?
Egal. Einer von ihnen wird Himura sein, der andere ist egal. Zwei aus unserer Gruppe näherten sich von rechts, zwei von links. Ich blieb in der Mitte des Raums stehen. Sie konnten nicht schnell genug nachladen und werden daran scheitern. Unsere Leute überwältigten beide Personen wie geplant und ich kam zu ihnen. Ein Polizist und Himura. „Was soll ‘n wir mit dem Bullen tun?“, fragte Zecke, der diesen zu Boden drückte. „Fesselt beide“, wies ich sie an. Der Cop hatte sofort aufgegeben, ließ sich an einem Stuhl fesseln und regte sich kein bisschen als Zecke ihn nach Waffen absuchte. Er wusste wohl, dass eine falsche Bewegung, ein falsches Wort,
sein Leben kosten könnte.
Warum konnte Himura nicht auch so sein? Er redete und redete, ohne ein Ende in Sicht. Er wollte verhandeln, sich rausreden. Das tat nur ein Mann der sich seiner Schuld bewusst war.
Chaos saß auf der Barrikade und dachte darüber nach, wie sie weiter vorgehen sollten, als Himura es schaffte, sich aus dem Griff seines Gegners zu lösen und hinaus auf den Flur zu laufen. Der Punk wollte ihm folgen, als Chaos ihn stoppte: „Warte! Das ist meiner. Ihr kümmert euch um den hier.“ Der 18 – Jährige stand bereits in der Tür, als er sich noch einmal umdrehte. „Holt so viele Infos wie möglich. Alles was nützlich sein könnte.“ „Und danach?“, fragte Zecke. „Ist egal, bringt ihn zum Schweigen.“ Chaos ging in die Richtung, in die Himura gelaufen war. Er hörte jeden
seiner Schritte. „Du glaubst du kannst dich verstecken? Dabei bist du laut wie ein Elefant“, lachte Chaos und ging an den bewusstlosen Polizisten vorbei, die sie auf dem Hinweg ausgeschaltet hatten. Draußen kämpften die Anderen. „Sie setzten ihr Leben aufs Spiel, nur damit ich mein Ziel erreichen kann, ich bin ihnen so viel schuldig“, dachte Chaos und lächelte in sich hinein. Er spürte die Macht, die von Raity ausging – sie pulsierte in seinen Adern, verlieh ihm Kraft. Himura war zum Treppenhaus gelaufen und als Chaos dort ankam, hörte er dessen Schritte laut auf den Stufen klacken. „Zu mindestens bist du nicht
das typische Chlichè und läufst aufs Dach“, dachte Chaos amüsiert. Er spürte, wie die Dunkelheit ihn umspülte, ihn einhüllte und wie sie die Wut in ihm entzündete. Der Mann der ihn den größten Teil seines Lebens wie den letzten Dreck behandelt hatte, lief nun davon wie eine Kuh die vor der Schlachtbank flieht. Langsam ging Chaos die Treppe hinunter, immer weiter, bis er im Keller angekommen war, da schoss eine Erinnerung durch seinen Kopf. Er war hier schon einmal gewesen, allerdings an eine Trage gefesselt. Nicht als Mensch, lediglich ein gescheitertes Experiment, dass nun entsorgt werden sollte. Sie
hatten ihn aus dem Raum der Versuche geholt, nach draußen gebracht und im Transporter gesichert. Es hätte seine letzte Fahrt sein sollen.