Ich hatte mit dem Thema Männer abgeschlossen. Immer wieder fiel ich auf den gleichen Typ Mann rein. Äußerlich sahen sie bombastisch aus. Aber innerlich waren sie einfach nur das Letzte. Mein Fehler war auch, das ich mich zu schnell dazu trieben ließ, mit ihnen ins Bett zu steigen. Denn kaum hatten sie, was sie wollten, dauerte es nicht lange und sie waren auf nimmer wiedersehen verschwunden. Dann ertrank ich den den Schmerz in Wein, was mich beinahe meinen gekostet hätte. Es war an einem verregneten Freitag gewesen. Wir hatten eine kleine
Betriebsfeier gehabt, die bis nach Mitternacht ging. Da ich was getrunken hatte, ließ ich meinen Wagen stehen. Ich fühlte mich zwar in der Lage, Auto zu fahren, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Also lief ich. Doch mitten auf dem Weg fing es an zu schütten. Nirgends konnte man sich unterstellen. Dann rannte auch noch so ein Vollidiot in mich rein und brachte mich zum Fallen. Dabei verknackste ich mir meinen Knöchel. Der Schmerz zog hoch, bis in meinem Oberschenkel. Ich wollte aufstehen. Aber der Schmerz war zu groß. Und während ich fluchte, half mir der Vollidiot auf die Beine. Er ging dabei sehr behutsam mit mir um. Achtete
penibel darauf, mir nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen. Zu unserem Glück kam ein Taxi vorbeigefahren. Er hielt es an und setzte mich behutsam rein. Dann fuhren wir, gegen meinen Willen, ins Krankenhaus. Wir trieften vor Nässe und dem Taxifahrer war anzusehen, das es ihm gar nicht gefiel, das wir seine Sitze so sehr durchnässten. Mr gefiel es auch nicht. Aber uns war nichts anderes übrig geblieben. Rotzfrech stellte er sich als mein Mann vor, als wir in der Notaufnahme angekommen waren. Am liebsten hätte ich ihm eine geknallt. Während der Fahrt hatten wir uns ein wenig unterhalten.
Dennoch wusste ich nichts weiter von ihm, als seinen Vornamen und das er, wie ich, vom Regen überrascht wurde. Deshalb angefangen hatte zu rennen und mich umwarf, weil er nicht hingeschaut hatte, wohin er rannte. Über vier Stunden mussten wir warten, bis ich endlich untersucht wurde. Die ganze Zeit über war er bei mir geblieben. Brachte mir Kaffee, eine Zeitschrift und eine kühlende Kompresse für meinen angeschwollenen Knöchel. Meine Wut auf ihn war schon längst verraucht. Er war nicht so ein Arschloch, wie die Männer, die ich sonst kennenlernte. Dieser Mann war anders. Komplett anders. Und ich fing an, ihn mit anderen
Augen zu sehen. Mein Knöchel war angebrochen gewesen. Für einige Wochen wurde mein Fuß in Gips gelegt. Leider kein Gehgips, sondern Liegegips. Was bedeutete, das ich die nächsten Wochen nichts machen konnte. Dafür hasste ich ihn wieder. Wäre er nicht in mich reingerannt, hätte ich nicht wochenlang das Bett hüten müssen. Mit dem Taxi fuhren wir zu mir. Ich wohnte zwar in der ersten Etage. Aber mit dem Gips und den Schmerzen, war es eine Qual gewesen. Mit meinem vollem Gewicht hing ich auf ihn und ließ mich mehr nach oben ziehen, als das ich nach oben lief. Er stöhnte zwar, machte aber
keine Anstalten mich loszulassen, oder was zu sagen, das ich mich nicht so schwer machen soll. Tapfer hielt er durch. Bis zum Schluss. Er brachte mich ins Badezimmer und setzte mich auf dem Klo ab. Er triefte vor Schweiß und war völlig fertig. Da hatte ich ein wenig Mitleid mit ihm. Meine Klamotten waren immer noch feucht. Ich klebte und mir war kalt. Er sah, das ich fror und half mir beim Ausziehen. Bei Jacke, Schuh und Socke hatte ich nichts dagegen. Dann wollte ich aber alleine weitermachen. Ohne, das er mir dabei half oder gar zusah. Doch er blieb und zog mir behutsam die Hose aus. Ganz langsam, damit der Gips nicht
verrutschte. Dann trocknete er mich ab. Es war mir unangenehm, so in Unterwäsche vor ihm auf dem Klo zu sitzen. Noch unangenehmer wurde es mir, als ich merkte, was für einen Druck ich auf meiner Blase hatte. Ich versuchte aufzustehen. Aber ich bekam es nicht hin. Es war eine ganz neue Situation für mich. Noch nie war ich irgendwie körperlich eingeschränkt gewesen. Wohl oder übel musste ich ihn darum bitten, mir zu helfen. Er zog mir mein Höschen runter und ließ mich allein. Kurz darauf kam er mit meinem Nachthemd wieder. Bevor er mir mein Nachthemd überstreifte, zog er noch das allerletzte Stück Stoff aus. Danach nahm er einen
Lappen und tränkte ihn mit warmen Wasser und ein wenig Seife. Damit wusch er mich. Es war mir peinlich, nackt vor einem fremden Mann auf dem Klo zu sitzen und mich von ihm waschen zu lassen. Andererseits fühlte es sich auch sehr schön an. Und anstatt zu protestieren, genoss ich es einfach. Außerdem war ich zu müde, um mich dagegen zu wehren. Davon abgesehen, wurde ich noch nie so liebevoll und fürsorglich behandelt. Vielleicht abgesehen von meinen Eltern. Mir war um einiges wohler, als ich endlich mein Nachthemd anhatte. Er brachte mich in mein Bett und deckte mich zu. Fragte nach, ob ich noch
irgendwas brauche oder wolle. Ich verneinte. Dann schrieb er mir seine Nummer auf und verabschiedete sich von mir. Als er an der Tür war, rief ich ihn zurück. „Bleib diese Nacht hier.“, bat ich ihn. Er schien einen Augenblick lang darüber nachzudenken. Dann nickte er leicht und sagte, das er sich aufs Sofa lege. „Aber zieh dich vorher aus - und geh duschen. Nicht das du krank wirst.“ Kurz darauf schlummerte ich ein. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, dachte ich, das ich alles nur geträumt hätte. Doch dann stieg mir der Duft von Kaffee und Toast in die Nase. Hatte mir der Typ doch tatsächlich Frühstück ans
Bett gebracht. Es war das erste mal gewesen, das mir jemand Frühstück ans Bett brachte. Was mir noch gefehlt hatte, war der Mann. Denn noch schöner, als Frühstück im Bett, war gemeinsam frühstücken im Bett. Ich hörte ihn hantieren. Fragte mich, was er tat. Es schepperte hin und wieder. Dann war eine Weile ruhe. Kurz darauf schepperte es wieder. Irgendwas war heruntergefallen. Einen Augenblick später lugte er durch die Tür. „Habe ich dich geweckt?“, fragte er vorsichtig. „Nein, ich war schon vorher wach. Was machst du eigentlich da draußen?“ „Mittag vorbereiten. Ich dachte an etwas
leichtes, kalorienbewusstes, da du dich in nächster Zeit kaum bewegen wirst und bestimmt nicht zulegen willst.“ Als er das sagte, wusste ich nicht, ob ich schreien oder lächeln sollte. Recht hatte er ja damit gehabt. Für eine gewisse Zeit würde ich mich kaum bewegen, da ich nur einen Liegegips bekommen hatte. Mit dem konnte ich nicht mal irgendwohin gehen. Er saß auch total locker. Ich wusste nicht, ob es so sein sollte, fragte aber auch nicht nach. Das Schlimme war, das es höllisch weh tat, wenn ich mein Bein bewegte. Mir wurde richtig bewusst, was es bedeutete, gesund zu sein. Nichts gebrochen zu haben. Jeden Abend kam er in mein
Schlafzimmer und verabschiedete sich von mir. Ich bat ihn dann, noch eine Nacht zu bleiben. Nach zwei Wochen Couch, erlaubte ich ihm, das er sich neben mich legen darf. Ich wollte einfach nicht, das er ging. Er half mir, wo er konnte und vertrieb mir ein wenig die Langeweile. Ich wusste, wenn er weg war, würden sich die Tage endlos in die Länge ziehen, ich würde kaum etwas essen, weil mein Fuß immer noch schmerzte, wenn ich ihn bewegte. Besonders nachts war es beschissen, da ich dadurch immer aufwachte. Das heißt, wenn ich nachts schlafen konnte. Ich war nicht ausgelastet gewesen. Mir fehlte meine
Arbeit. Wenn ich nachts wach lag, drehte ich mich vorsichtig zu ihm um und betrachtete ihn. Die Straßenbeleuchtung schien sehr hell in mein Schlafzimmer. Daher konnte ich ihn ziemlich genau sehen. Ich stellte fest, das er mir immer besser gefiel. Das ich es schön fand, wenn er neben mir lag. Fängt so Liebe an, fragte ich mich manchmal? Er war völlig anders, als die Typen, mit denen ich sonst zusammen war. Schon rein äußerlich. Weder hatte er einen Sixpack, noch hatte er sonst irgendwie Muskeln vorzuweisen. Im Prinzip war er ein hagerer Jüngling. Als ich ihn nach seinem Alter gefragt hatte, konnte ich
nicht glauben, was er mir sagte. Seinem Aussehen nach, war er viel jünger. Meine Oma hatte immer gesagt: „Ein Mann ohne Bauch, ist ein Krüppel.“ Ihr Mann hatte reichlich Umfang gehabt. Leider verstarb er viel zu früh. Als ich acht war, musste ich von ihm Abschied nehmen. Ich hatte ihn so lieb gehabt. Ganz egal was kam, er sah immer nur das Positive. Seit dem er für mich kochte, fühlte ich mich besser. Obwohl ich die meiste Zeit im Bett verbrachte. Vorher hatte ich mich meist aus Konserven und Mikrowellen ernährt. Oder ich aß auswärts. Mir fehlte die Lust und das Talent zum Kochen. Außerdem fraß mich mein Job auf. Am
Ende des Tages war ich müde und erschöpft. Dennoch liebte ich meine Arbeit. Er zauberte die köstlichsten Sachen. Zumindest mir schmeckte es sehr gut. Fast so gut, wie das Essen, aus meinem Lieblingsrestaurant. Es sättigte, aber belastete mich nicht. Ich fühlte mich wohl. So wohl, wie schon lange nicht mehr. Es stimmt eben doch, was man sagt; Wohlbefinden und Ernährung hängen zusammen. Als sie mir meinen Gips abgenommen hatten, waren meine Schmerzen nicht gleichzeitig gegangen. Sie blieben noch einige Tage. Deshalb schonte ich meinen Fuß noch ein paar Tage. Außerdem
genoss ich es, wie er mich umsorgte. Nachdem er mich gewaschen hat, cremte er mich regelmäßig ein. Dabei war er sehr zärtlich. Beim Waschen, so wie beim Eincremen. Mir war schon lange egal geworden, das er mich nackt sieht. Die ersten paar male hatte ich mich noch vor ihm geschämt. Aber mit der Zeit hatte ich mich daran gewöhnt, das er mich auf die Toilette bringt und mich wäscht. Er hatte dabei nie große Augen gemacht, oder versucht mich anzugraben. Es war stets, als wäre er ein professioneller Pfleger oder homosexuell. Es war ein seltsames Gefühl gewesen, wieder auf Arbeit zu sein. Er war so lieb
gewesen und hatte mich begleitet. So richtig auftreten konnte ich noch nicht, obwohl der Bruch verheilt war. Deshalb benutzte ich die Krücken. Da ich sie die Wochen zuvor kaum benutzt hatte, fehlte mir Übung. Zum Glück hatte er damit gerechnet, das es etwas länger dauern würde, bis ich auf Arbeit ankam. Mit Ach und Krach kam ich gerade noch pünktlich an. Meine Kollegen schauten komisch, als sie mich mit ihm und meinen Krücken sahen. Aber ich ignorierte ihre Blicke. Bevor ich mich an meinen Arbeitsplatz setzte, gab ich ihm einen langen Abschiedskuss. Das hatte zur Folge, das sich meine Kollegen das Maul über mich
zerrissen. Viel verstand ich nicht, was sie so tuschelten. Aber das Wenige, das ich verstand, genügte mir schon. Dennoch blieb ich die Ruhe selbst und konzentrierte mich voll auf die Arbeit. Warum sollte mich interessieren, was die anderen denken? Es war mein Leben und ich war glücklich. Er machte mich glücklich. Alles andere war egal. In der Mittagspause, die bei uns eine ganze Stunde lang war, sprachen sie mich persönlich an. Keiner wollte wissen, wie es meinem Knöchel ging. Jeder fragte mich nur nach ihm aus. Teilweise zeigten sie Verachtung. Übertrieben, wie ich fand. War ich auch mal so
gewesen? Es war einfach nur schrecklich, wie sie über ihn gesprochen haben. Zugegeben, jener Morgen war nicht besonders schmeichelhaft zu ihm gewesen. Was aber teilweise an mir lag und weil er einfach nur lieb ist. Ich war völlig aufgeregt gewesen, weil ich wieder arbeiten gehen durfte. Das raubte mir den Schlaf. Und er blieb mit mir wach. So lange, bis ich endlich eingeschlafen war. Trotz dessen war er vor mir aufgestanden, hatte mir Frühstück ans Bett gebracht und mit eine Lunchbox fertiggestellt. Da kann man nicht erwarten, das er wie das blühende Leben aussieht. Außerdem hatte er mir
beim Laufen geholfen. Wie gesagt, hatte ich kaum geübt, mit Krücken zu gehen und daher meine Probleme gehabt. Immer wieder stützte er mich. Trug mich teilweise. Aber das wollte keiner hören. Ich war froh, als es endlich Feierabend war. Was für ein Tag. So hatte ich ihn mir nicht vorgestellt. Nur Geläster über...Ja, wer war er eigentlich? Mein Freund? Kumpel? Bekannter? In den letzten Tagen waren wir uns sehr nah gekommen. Ich genoss seine Nähe. Freute mich, wenn er bei mir war. Vermisste ihn, wenn ich ihn nicht sah. Wenn das nicht Liebe war, dann weiß ich auch nicht. Unbewusst hatte er mich gelehrt, das
Aussehen zweitrangig war. Wichtig war das Innere eines Menschen. Sein Charakter. Leider habe ich es erst durch ihn gelernt und nicht schon von Anfang an. Aber lieber spät, als nie. Ich saß hinter dem Steuer meines Wagens. Lange Zeit saß ich einfach nur reglos da und starrte durch die Windschutzscheibe. Konnte ich schon wieder fahren? Eigentlich hatte ich es mir vorgenommen. Viel zu lange stand mein Wagen schon auf diesem Parkplatz. Doch als ich losfahren wollte, durchzog mich ein stechender Schmerz. Vom Knöchel zog er bis hinauf in meinen Oberschenkel. Ein unmissverständliches
Zeichen. Ich stieg wieder aus meinem Auto und humpelte los. Wenn man es genau nimmt, war es gar nicht so weit gewesen, bis zu mir. Mit den Krücken zog es sich. Aber im Normalfall waren es vielleicht fünfzehn Minuten. Maximal zwanzig Minuten, bis zu mir. Im Büro saß ich fast den ganzen Tag auf meinem Hintern. Hatte kaum Bewegung. Dann die fünf Minuten Autofahrt bis zu mir. Zu Hause lag ich dann auf meiner Couch. Es grenzte schon an ein Wunder, das ich noch so beweglich und schlank war. Völlig geschafft kam ich zu Hause an. Das Abendessen stand schon länger auf dem Tisch. Es dampfte nicht mehr.
Dennoch schmeckte es köstlich. Vielleicht lag es auch daran, das ich richtigen Hunger hatte. Ich schaufelte es in mich hinein, als hätte ich seit Wochen nichts mehr zu Essen gehabt. Der Anblick war bestimmt nicht schön gewesen. Nach dem Abendessen half ich ihm, das Geschirr abzuwaschen. Er fragte mich, warum ich so spät gekommen war und ich mich nicht gemeldet hatte. Da war mir klar, das ich ihm nicht egal gewesen war. Der Blick, den er dabei gehabt hatte, als er mich dies gefragt hatte, sagte alles. „Ich hatte mich entschlossen den Wagen stehen zu lassen und stattdessen zu laufen. Es tut mir leid, das ich nicht
angerufen habe. Aber ich habe deine Telefonnummer nicht und ich wusste nicht, ob du an meins gehen würdest.“ Es war ein wenig gelogen gewesen. Um ehrlich zu sein, hatte ich gar nicht daran gedacht, mich bei ihm zu melden. Hatte sogar vergessen, das er bei mir war. Dabei war ich es doch gewesen, die ihn darum gebeten hatte zu bleiben. Es rührte mich zutiefst, das er sich Sorgen um mich gemacht hatte. Meinen Exmännern war es egal gewesen, wann ich nach Hause kam. Hauptsache, ich machte meine Beine breit, wenn sie es wollten. So kam es mir jedenfalls vor. Nie hatten sie mich gefragt, was mich aufgehalten hatte, oder wie es mir geht.
Kaum war ich zu Hause angekommen, dauerte es nicht lange und wir trieben es. Aber er war anders. Ihm war ich nicht egal gewesen. Er fragte nach meinem Tag und meinem Befinden. Hatte das Abendessen schon auf den Tisch gestellt und auf mich gewartet. Auf die Uhr geschaut, wo ich bleibe. Das war ein neues und großartiges Gefühl für mich. Ich hatte mich in ihn verliebt. Und diesmal nicht in eine schöne Hülle, sondern in einen lieben, warmen Mann. Diesmal war es echte Liebe. Ich fühlte es ganz tief in mir drin. Nur hatte ich angst ihm das zu gestehen. Warum, kann ich nicht sagen. Das weiß ich selbst nicht. Vielleicht hatte ich angst davor,
zurückgewiesen zu werden. Auch wenn ich das Gefühl hatte, das er das Selbe für mich fühlt, wie ich für ihn, hieß es nicht, das ich recht hatte. Es bestand immer noch die Möglichkeit, das er mir gegenüber nur Freundschaft empfand. Oder Schuldgefühle hatte. Schließlich hatte er damals nicht aufgepasst und war in mich reingerannt. Seinetwegen war ich umgeknickt und hatte mir den Knöchel angebrochen. Als wir im Bett lagen, küsste ich ihn. Erst flüchtig, dann richtig. Er zögerte nur kurz, weil er nicht damit gerechnet hatte. Aber als er mitmachte, war es so schön gewesen. Nicht so, als würde man einen Kumpel küssen. Unsere Lippen
berührten sich und es explodierte ein Feuerwerk von Gefühlen. Jedes mal von Neuem. Für mich war er nicht einfach der Typ, dem ich mein Liegegips verdankte. Er war der Mann, der mein Herz berührte. Zärtlich, verspielt und intensiv. Zum ersten Mal war ich richtig verliebt. Nicht so, wie sonst. Dies war ernsthafte, innige Liebe. Mir war egal, wie er aussah und was andere von ihm hielten. Dieser Mann machte mich glücklich. Und das war wichtig. Bevor er in mein Leben trat hatte ich nur flüchtige Bettbeziehungen gehabt. Hatte nur geglaubt, es wäre Liebe. Durch ihn habe ich gelernt und gespürt, was wahre, echte Liebe ist. Wie sich Liebe anfühlt. Dafür
bin ich ihm unendlich dankbar. Aber nicht nur dafür. Er hat mich nachhaltig und positiv verändert. Aussehen war für mich zweitrangig geworden. Vielleicht lag es daran, das ich schon seit Monaten keinen Mann mehr gehabt hatte. Oder weil er so gut küssen konnte. Plötzlich wollte ich ihn ganz. Ich verspürte das Verlangen, mit ihm zu schlafen. Ihn in mir zu spüren. Bereuen tue ich es nicht, denn er war traumhaft gewesen. So zärtlich und rücksichtsvoll. Voller Liebe gab er sich mir hin. Mein Orgasmus war noch nie zuvor so schön und intensiv gewesen. Es war auch nicht nur ein kurzer gewesen, sondern ein langer, von allen Lasten
befreiender Orgasmus. Ich hatte mich gefühlt, als hätte ich keine Sorgen. Als schwebte ich zwischen Himmel und Erde. Mag sein, das es daran lag, weil ich schon länger keinen Sex mehr gehabt hatte. Das ich es deswegen so intensiv und heftig gespürt hatte. Jedenfalls fühlte ich mich herrlich. Wir kuschelten hinter noch, bis wir einschliefen. Am Morgen danach hatte ich immer noch das Gefühl, als würde ich schweben. Der Mann machte mich einfach nur glücklich, je länger er bei mir blieb. Deswegen wollte ich ihn nicht gehen lassen. Auch wenn ich wieder laufen durfte, brauchte ich ihn. Mein Herz schrie nach ihm. In den folgenden Wochen stellte sich
heraus, wie meine Kollegen tickten. Sie gingen echt nur nach dem Äußeren. Bis auf eine einzige Kollegin. Bisher hatte ich sie nie beachtet. Sie war unscheinbar und anders, als die anderen. - Natürlich. - Die Frau takelte sich nicht auf. Ihr war die aktuelle Mode egal. Sie trug, was ihr passte und gefiel. Im Winter zog sie mehr an, um nicht zu frieren. Nicht, wie meine Kolleginnen. Die zeigten sogar im Winter viel Haut. Nach dem Motto: „Wer schön sein will, muss leiden.“ Sie zeigten, was sie hatten. Aber sie war anders. Ihr war es egal gewesen, ob andere sie schön fanden, oder nicht. Das fand ich erst heraus, als ich mich in ihn verliebt hatte. Vorher hatte ich sie kaum
beachtet. Wie Oberflächlich ich doch gewesen war. Grauenhaft. Während sich die anderen immer mehr zurückzogen, desto näher lernte ich die kleine Unscheinbare kennen. Es klingt unglaublich. Aber mein Leben änderte sich total, seit dem ich ihn kennenlernte und mich in ihn verliebt hatte. Mein Horizont erweiterte sich. Ich sah über den Tellerrand hinaus. Ich begann, meine Mittagspausen mit ihr zu verbringen. Es war nicht das Schlechteste. Ganz im Gegenteil. Sie war eine kluge Frau. Verheiratet, mit zwei Kindern. Ihr habe ich es zu verdanken, das ich mir getraute, ihm zu sagen, was ich für ihn empfinde. Und sie war es
gewesen, die mir sagte, das ich schön dumm wäre, wenn ich mich nach den anderen richten würde. „Wenn du ihn liebst, sage und zeige es ihm. Schere dich nicht um andere. Dein Herz will, was es will. Hör auf dein Herz.“, waren ihre Worte. Noch am selben Abend habe ich ihm gesagt, was ich für ihn empfinde. Doch anstatt mir eine Antwort zu geben, lächelte er mich an, nahm mich dann in seine Arme und drückte mich liebevoll. Er drückte sein Gesicht an meinen Hals und ich spürte, wie er nass wurde. In dem Moment wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte. Ich fühlte mich irgendwie hilflos. Noch nie hatte ich
einen Mann zum Weinen gebracht. Ja, wir hatten Sex, in dieser Nacht. Aber nicht, weil ich ihm gestand, das ich ihn liebe und er mir beweisen wollte, das er mich auch liebt. Wir hatten Sex, weil es sich so ergab. Anders kann ich es nicht ausdrücken. Wir waren glücklich. Hatten Tränen in den Augen vor Glück. Waren nun offiziell zusammen. Und mir war egal, was die anderen davon hielten. Denn ich liebte ihn und wollte ihn nie wieder hergeben. Ich entfernte mich immer mehr von meinen Kollegen und alten Freunden, da sie nicht damit klarkamen, das ich mit ihm zusammen war. Dafür hatte ich eine neue Freundin gewonnen. Sie verstand
mich. Freute sich, das ich mich positiv verändert hatte und freute sich, das ich jemand gefunden hatte, der zu mir passte. Der mir die Augen öffnete. Mich nicht nur wegen meinem Äußeren liebte. Wenn sie nicht glücklich verheiratet gewesen wäre, hätte mich die Eifersucht gepackt, als sie uns mit ihrem Mann besuchen kam. In dem Kleid sah sie wirklich sexy aus. Und das sage ich als Frau, die nur auf Männer steht. Ich hatte sie zu mir eingeladen, weil ich festgestellt habe, das sie eine wahre Freundin ist, im Gegensatz zu meinen anderen Kollegen. Sie war eine ehrliche Person. Weder egoistisch, noch falsch. Sie freute sie wirklich für mich. Nicht
nur, weil ich einen Mann gefunden habe, der es ehrlich mit mir meint und nicht nur fürs Bett haben will, sondern weil ich meinen Horizont erweitert habe. Ich hing nicht mehr mit den oberflächlichen Kollegen ab. Hatte aufgehört mich zu schminken. Natürlichkeit war mein neuer Look geworden und ich fühlte mich einfach nur wohl damit. Es war ein angenehmer Abend gewesen. Nur mäßig lief der Alkohol. Dafür hatten wir viel Spaß und wir kamen uns alle näher. Ich bereute echt, das ich sie zuvor nicht beachtet hatte. Denn sie und ihr Mann waren so viel ehrlicher und offener gewesen. Ich genoss und schätzte ihre Gesellschaft daher
sehr. Ehe es wir uns versahen, war es nach Mitternacht gewesen. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Und wir waren alle noch nüchtern gewesen. Zu viert hatten wir uns eine Flasche Wein geteilt. Nebenbei hatten wir Wasser getrunken. An dem Abend hatte ich nicht das Bedürfnis verspürt, mich zu betrinken. Dennoch hatte ich mich amüsiert. Sogar köstlich amüsiert. Dies war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft gewesen. Wir zwei Frauen waren uns so ähnlich. Wäre er damals nicht in mich reingelaufen, hätte ich ihn nie kennengelernt und mich nie in ihn
verliebt. Hätte mich weiterhin mit den gutaussehenden, oberflächlichen Vollidioten abgegeben, die kein Herz haben. Eine lieblose Beziehung nach der anderen wäre die Folge gewesen. Nichts Festes hätte sich ergeben. Einsam, allein und verbittert hätte ich mein Rentendasein verbracht und auf den Tod gewartet. Aber Dank des Zwischenfalls habe ich die wahre Liebe kennenlernen dürfen. Bin ich glücklich geworden und habe eine allerbeste Freundin, mit der ich mich super verstehe. Ich hatte seine Blicke gesehen. Er hatte sie sich ganz genau angeschaut. Wie Männer nun mal so sind, wenn sie eine hübsche Frau sehen. Mich hatte es nicht
gestört, das er sie so angesehen hatte. Dafür hatte ich ihren Mann in Augenschein genommen. Auf den ersten Blick war er nichts Besonderes. Ein stinknormaler Durchschnittsmann. Ähnlich, wie meiner es war. Wenn man ihn aber genauer ansah, wurde er Interessant. Irgendwas strahlte er aus. Etwas, was man nicht beschreiben kann. Und mit den Jahren nahm es nicht ab. Wenn ich so zurückblicke, stelle ich fest, das mein Leben erst mit dreißig begann. Davor war alles Nichts. Gut, meine Kindheit war ganz schön gewesen. Doch dann wurde ich Teenager. Wenn meine Eltern nicht gewesen wären, hätte ich keinen Abschluss und keine
Berufsausbildung. Damals war mir Ansehen wichtig. Vor allem das Ansehen bei meinen Freunden. Ich wollte zu ihnen gehören. Zu ihnen und nicht zu den Strebern. Jetzt sehe ich alles aus einem anderen Blickwinkel. Aber damals war ich so gewesen. Und das hielt an, bis ich ihn getroffen hatte. Meine Eltern waren relativ streng gewesen. Oft hatte ich sie verflucht. Hatte versucht sie auszutricksen. Aber sie waren nicht so dumm, wie ich dachte. Zu meinem Glück. Denn ansonsten hätte ich, wie schon gesagt, wahrscheinlich keinen Abschluss. Meine damaligen Freunde hatten es nur mit Betrug und Beziehungen geschafft, einen guten Job
zu bekommen. Ohne das, würden sie Klos in einem schäbigen Lokal putzen, oder wären kriminell geworden. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, das sie so streng zu mir gewesen waren. Leider hatten sie mich beizeiten verlassen. Es war bei einem Urlaub. Sie nannten es: „Die zweiten Flitterwochen“. Ein Hurrikan hatte sie erfasst. So weit ich von der hiesigen Polizei erfuhr, waren sie gerade bei einem Strandspaziergang gewesen, als es passierte. - Gegen Naturgewalten kann man nichts machen. Es war schon schlimm, als ich erfuhr, das sie nicht mehr sind. Aber ich freute mich für sie, das sie gemeinsam gegangen
waren und das sie wahrscheinlich nicht gelitten hatten. Wie naiv war ich damals gewesen? Auch wenn es schon X-Jahre her ist, sehe ich es klar und deutlich vor mir. Er sah wirklich heiß aus. Aber er war auch ein totaler Macho gewesen, der nur daran dachte Frauen flachzulegen. Mit Vorliebe Jungfrauen. Liebe war für ihn ein Fremdwort gewesen. Aber ich Dussel hatte mich in ihn verliebt. Habe seinen Worten geglaubt und mich von ihm entjungfern lassen. Danach hatte er mich abgeschossen und ich fühlte mich elend. Nächtelang hatte ich mir die Augen ausgeheult. Hatte diesen Typen verflucht.
Ihm die Pest an den Hals gewünscht. Aber anstatt daraus zu lernen, hatte ich mich immer wieder auf solche Kerle eingelassen. Gutaussehend und von sich eingenommen. Von Anfang an waren die Beziehungen zum Scheitern verurteilt gewesen. Im Prinzip war ich für sie nur eine Spermaablage gewesen und mehr nicht. Wenn ich könnte, würde ich in der Zeit zurückreisen und mir selbst an den Ohren ziehen. Mir klar machen, das diese Typen einfach nur scheiße sind. Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Aber das stimmt nicht. Denn wenn es so wäre, würde ich jetzt nicht hier sitzen und weinen. Die alten Wunden sind nicht verheilt. Immer wieder zeigen sie mir,
das sie noch da sind. Schmerz ist zwar nur ein Gefühl, aber kein Angenehmes. Langsam sollte ich mal anfangen meinen Liebsten zu beschreiben. Wie er aussieht und so: Seine Figur war rank und schlank. Nicht muskulös. Immer mal wieder kam seine Akne durch. Es war nicht so, das sein Gesicht wie ein Streuselkuchen aussah. Hier und da sprossen aber ein paar Pickel. Schlimm sah es aus, wenn er sich rasierte. Sein Gesicht war hinterher knallrot und voller Ausschlag. Deswegen ließ er sich, auf meinen Wunsch hin, einen Dreitagebart stehen. Und ich muss sagen, das er damit männlicher wirkte. Ohne Bart sah er sehr
jungenhaft aus. Da hatte ich mich oft gefragt, ob er wirklich schon erwachsen war. Denn abgesehen von seinem knabenhaften aussehen, trug er auch größtenteils Kinderkleidung. In den Hosen hatte er aber wenigstens einen Arsch. Eine ganze Weile hatte es gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte, seine Sachen in der Kinderabteilung zu kaufen. Wobei ich aber auch festgestellt hatte, das manche Sachen sehr groß ausfielen. Sie sahen aus, wie S. Teilweise sogar wie M. Vielleicht täuschte es auch. Jedenfalls war es schwierig gewesen, etwas für ihn zu finden, da die meisten Klamotten sehr bunt und kindisch
aussahen. Neutrales fand ich nur selten. Und wenn wir was fanden, hieß es nicht, das es auch passte. Das Problem kannte ich von meinen Schuhen. Eigentlich habe ich Größe 38. Aber nicht immer passen sie. Es kommt vor, das 38 zu eng ist, ein andermal viel zu groß. Er hatte ein riesiges Problem. Es war schön zu wissen, das er sich um den Haushalt kümmerte und das Abendessen schon fertig war, wenn ich nach Hause kam. Aber mir wäre es lieber gewesen, wenn er auch arbeiten gegangen wäre. Auch wenn ich dadurch auf einige Annehmlichkeiten hätte verzichten müssen. Zwischendurch hatte er immer
mal wieder was gehabt, was aber nie länger als ein Jahr ging. Meist war es nur auf ein halbes Jahr befristet. Er hatte sichtlich Probleme einen Job zu finden. Leider konnte ich ihm nicht dabei helfen. Ich hatte einmal versucht ihn in meine Firma unterzukriegen, aber da ich mit ihm zusammen war, wollten sie ihn nicht einstellen. Für das Arbeitsamt lebten wir getrennt, damit er sein Arbeitslosengeld bekam. Deshalb hatte er auch seine alte Wohnung behalten. Zwar ist es Betrug gewesen, aber anders wären wir nicht über die Runden gekommen. Mein Gehalt stieg nicht so schnell, wie die Lebenserhaltungskosten. Gerne wäre ich
mit ihm offiziell zusammen gewesen und hätte ihn auch geheiratet. Aber aus finanziellen Gründen haben wir es nicht getan. Er war nicht dumm. Nur manchmal schnell überfordert. Der rasante Fortschritt machte ihn zu schaffen. Er kam nicht hinterher und hatte nur sehr wenig vertrauen zu sich und seinen Fähigkeiten. Es gab Momente, da fragte ich mich, warum ich mit ihm zusammen war. Warum ich mir keinen anderen Mann suchte. Dann kam er und überraschte mich. Zum Beispiel empfing er mich mal mit Smoking an der Wohnungstür und hatte ein exzellentes Candlelightdinner für uns vorbereitet, welches einer seiner
Freunde uns servierte. Es gab keinen expliziten Grund dafür. Denn weder war Jahrestag, noch Valentinstag, oder sonst was gewesen. Er hatte es nur deshalb veranstaltet, um mir eine Freude zu machen und mir zu zeigen, wie sehr er mich liebte und schätzte. Deswegen liebte ich ihn und wollte ihn nicht wieder hergeben. Es kam auch vor, das er die Wohnung so dekorierte, das sie vor lauter Erotik knisterte. Dann wurde das Abendessen nicht auf einem Teller serviert. - Ich kann aus Erfahrung sagen, das es um einiges besser schmeckt, wenn man es nicht von einem Teller isst; wenn sie verstehen, was ich meine.
An einem jener Abende war es passiert. Wir liebten uns und passten nicht auf. Neun Monate später hielt ich eine kleine Cathy in Händen. Wir waren so überglücklich gewesen. Und da er ja nicht arbeiten ging, übernahm er die Elternzeit. Somit hatte er auch drei Jahre Ruhe vor dem Amt. Die Schwangerschaft verlief unproblematisch. Er war die ganze Zeit an meiner Seite geblieben. Und obwohl mein Bauch wuchs und ich mich selbst zum Abstoßen fand, ließ seine Liebe zu mir nicht nach. Sanft cremte er jeden Abend meinen Bauch ein. Redete mit dem ungeborenen Kind. Liebte mich,
wann immer ich es zuließ. Meine Cousine hatte damals nicht so viel Glück gehabt. Ihr Mann hatte die Flocke gemacht, als er erfuhr, das sie schwanger ist. Irgendwann nach der Geburt des Kindes kam er wieder zu ihr zurück. Und sie war so dumm, hatte ihn wieder bei sich reingelassen. Ihr Männergeschmack ließ eh zu wünschen übrig. Auch wenn ich mich geändert hatte. Aber ich würde nie etwas mit einem Typen anfangen, der schon mehrmals im Gefängnis saß. Vor allem würde ich mich von so einem nicht schwängern lassen. - Den Erzeuger ihres Kindes hätte ich ein paar Takte erzählt. Erst schwängern, dann abhauen. An ihrer
Stelle hätte ich ihm in den Arsch getreten, anstatt ihn wieder rein- und ranzulassen. So übel sieht sie gar nicht aus. Eigentlich ist sie sehr hübsch. Sogar jetzt noch, mit fast fünfzig. Dennoch... Die Zeit der Schwangerschaft verstricht sehr schnell. Was auch daran lag, das er so überaus liebevoll zu mir war. Ich weiß, das ich zwischendurch nicht besonders nett zu ihm gewesen war. Er ertrug die Launen aber tapfer. Im Krankenhaus hielt er dann meine Hand, die ich ihm beinahe gebrochen hätte. Die Schmerzen waren einfach zu groß gewesen. Es heißt, das es nur beim ersten Kind so
schlimm ist. Zu dem Zeitpunkt wollte ich gar nicht wissen, wie es beim zweiten Baby sein würde. Ich wollte diese erst einmal überstehen und nicht gleich an ein zweites Kind denken. Mein Kind zeigte mir von Anfang an seine Liebe zu mir, indem es mir meine Nippel zerkaute. Unvorstellbar. Aber das Kind hatte Kraft im Kiefer. Deswegen musste sich mein Mann davon fernhalten, bis ich abgestillt hatte. Ihm gefiel es gar nicht, das ich ihm seine zwei Lieblinge vorenthielt. Ein Grund war, das ich ganz schöne Euter hatte und er es ausnutzen wollte, so lange ich sie hatte. Nicht, das für ihn üppige Oberweiten wichtig waren. Es war einfach nur so...Er war ein
Mann. Was soll ich noch dazu sagen? Ich nahm es ihm nicht übel. Warum auch!? Männer sind nun mal so. Wahrscheinlich wäre ich nicht anders, wenn bei ihm ein bestimmtes Körperteil an Volumen zugenommen hätte. Privat hatte ich wirklich das Glück gepachtet. Leider hatten meine lieben Kollegen ein Problem damit. Ich glaube nicht, das es daran lag, das er nicht so war, wie sie. Wahrscheinlicher ist, das sie nicht so viel Glück hatten, wie ich und meine beste Freundin. Sprich, sie waren einfach nur neidisch gewesen. Schließlich wurden sie auch nicht jünger. Ihre biologischen Uhren tickten immer
lauter. Trotz der Abneigung, die ich ihnen gegenüber hatte, zeigte ich ihnen die Bilder meines Kindes. Sie sollten mir nichts nachsagen. Ihre Meinungen waren eher negativ ausgefallen. Ich hatte auch nichts anderes erwartet. Aber ich sah bei manchen, das sie Tränen unterdrückten. Schon während meiner Schwangerschaft hatte ich beobachtet, wie sie mich anblickten. Die Sehnsucht stand in ihren Gesichtern geschrieben. Mit unter war dies ein Grund gewesen, warum ich ihnen die Bilder gezeigt hatte. Gerne würde ich an dieser Stelle sagen, das sich der Zustand eines Tages
geändert hatte. Aber leider waren sie die überheblichen, von sich selbst eingenommenen Menschen geblieben, bei denen Geld und Äußerlichkeiten an erster Stelle kamen. Manche Menschen ändern sich eben nie. Während ich damals mit meinem Liegegips im Bett lag, rief mich keiner von ihnen an. Auch kam mich niemand besuchen. Dabei waren wir eigentlich Freunde gewesen. Dachte ich zumindest. Heute weiß ich es besser. An meiner besseren Hälfte kann es nicht gelegen haben, das sie mich nicht besuchten. Denn da wussten sie noch nichts von ihm. Und ich wusste nicht,
was sich daraus entwickeln würde. Warum mir dies jetzt beim Schreiben auffällt, weiß ich nicht. Es ist nun viel zu spät, um nachzufragen, warum ich nichts von ihnen gehört hatte und sich niemand bei mir blicken ließ. Wäre mir das schon damals aufgefallen, wäre ich schon eher darauf gekommen, das es keine wahren Freunde waren. Denn wenn sie es gewesen wären, hätten sie sich zwischendurch erkundigt, wie es mir geht. Obwohl ich immer mal wieder darüber nachgedacht hatte, den Arbeitsplatz zu wechseln, war ich geblieben. In erster Linie lag es an meinen Kollegen, das ich gehen wollte. Das Arbeitsklima war
irgendwie unangenehm geworden. Geblieben war ich nur, wegen meiner besten Freundin und weil ich einen krisensicheren Job hatte. Mein Vorgesetzter wusste, was er an mir hatte. Weswegen er auch meinen Arbeitsplatz stets freigehalten hatte. Auf mich konnte er sich stets verlassen. Ich habe mir nie was zukommen lassen und mich nie bei ihm eingeschleimt. Lehnte nie Extraarbeit ab und feierte nicht krank. Als ich den Gips hatte, erhielt ich eine Genesungskarte von ihm und als ich dann schwanger war, gratulierte er mir. An meinem letzten Arbeitstag, bevor ich in Mutterschutzurlaub ging, überreichte er mir einen süßen
Strampler. „Mit besten Glückwünschen von meiner Frau und mir. Wir wünschen ihnen, ihrem Mann und natürlich ihrem Kind, das Allerbeste.“ Von meiner besten Freundin habe ich später erfahren, das er ihr auch einen Strampler geschenkt hatte, bevor sie in Mutterschutz ging. Einmal hatte sie sogar seine Frau gesehen. Es war reiner Zufall gewesen. Sie ging gerade mit ihrem Mann und ihrem Kind im Park spazieren, als ihr unser Chef und seine Gattin entgegen kamen. Er hatte sie höflich gegrüßt und seiner Dame vorgestellt. Dann hatten sie sich kurz unterhalten und gingen wieder getrennte
Wege. „Keine Spur von Chef. Als wären wir gleichrangig.“, hatte sie noch gesagt. Unser Vorgesetzter war eben einmalig. Chef und Freund in einer Person. Was auch ein Grund war, warum ich in der Firma blieb. Es war an einem Muttertag gewesen. Mein Kind war da rund ein Jahr alt gewesen. Als ich an jenem Sonntag aufwachte, war es schon nach elf Uhr gewesen. Erstaunt und erschrocken darüber, wie spät es schon war, stand ich viel zu hastig auf. Kaum hatte ich mich aufgestellt, wurde mir schwindlig und ich fiel zurück aufs Bett. Da fiel mir erst
der Zettel auf, den er mir hinterlegt hatte. „Solange ich lebe Werde ich dich lieben Leider kann ich dir nichts anderes geben Außer meinem Herz Verzeih Jeder Augenblick mit dir ist schön Auch wenn wir uns mal nicht so verstehen Ich danke dem Regen, der dich in mein Leben brachte Und mich dadurch glücklich machte Ich liebe dich so
sehr“ Wie kann man so einen Mann nicht lieben? Er hatte keinen Job, kein Geld und war nicht „The sexiest man“. Dafür hatte er aber das Wichtigste, was es auf der Welt gibt: Ein Herz. Ich weiß noch, wie er eines abends völlig geschafft nach Hause kam. Man sah ihm an, das er nicht mehr konnte. Dennoch stellte er sich in die Küche und machte für uns das Abendessen. Bei seinem Zustand bekam er natürlich kein „Drei Gänge Menü“ mehr hin. Aber eine Tiefkühlpizza, kam für ihn trotzdem nicht in Frage. Wäre er nur zwei Minuten
später erschienen, dann hätte ich mir eine in den Ofen geschoben. Denn ich hatte Hunger gehabt und keine Ahnung, wo er steckte. An sein Handy ging er ja nicht. Mehrfach hatte ich versucht ihn anzurufen. Keine Reaktion. Ich hatte mir große Sorgen um ihn gemacht. - Übrigens das erste Mal, das ich angst um einen Mann hatte. - Um keinen streit vor unserem Kind anzufangen, hatte ich ihn nicht gleich mit Fragen durchlöchert. Später brauchte ich es auch nicht tun. Denn als wir gemeinsam am Tisch saßen, erzählte er es mir freiwillig. „Ein alter Bekannter hatte mich angerufen. Kurz darauf saß ich schon in seinem Wagen. Am Telefon hatte ich
nicht verstanden, was er von mir wollte. Hatte einfach Ja und Amen gesagt. Und ehe ich es mich versah, schleppte ich Kartons und Möbelstücke. Frag mich aber nicht für wen. Ich kannte keinen. Bis auf den Ochsen, der mich angerufen und hingefahren hatte.“ So war er gewesen. Viel zu gut. Er konnte auch Nein sagen. Aber das kam selten vor. Meist nur bei den Leuten, die er nicht mochte. Und wenn er einmal zugesagt hatte, war zu 99% Verlass auf ihn. Nur Krankheit, unsere Tochter, ich und ein wichtiger Termin konnten ihn davon abbringen, ein Versprechen nicht einzuhalten. „Wieso hast du nicht Bescheid gegeben?
Warum hast du nicht auf meine Anrufe reagiert, oder hast wenigstens zurückgerufen?“ „Tut mir leid. Ich wusste nicht, das es so lange dauern wird. Hätte alle durchgezogen, anstatt ständig Rauchpausen einzulegen und sinnlos im Weg zu stehen, wären wir nach spätestens zwei Stunden fertig gewesen. - Vor Frust habe ich dort Bier getrunken. Ganz in Ruhe. Während ich dabei zusah, wie andere arbeiteten. Das heißt, all zu viel hatte ich nicht sehen können. - Eine ganz schön träge Gesellschaft, muss ich sagen. Kein Wunder, das er mich geholt hat. Wer weiß, wann sie sonst fertig geworden wären. Und das Handy lag die
ganze Zeit in seinem Wagen. Deshalb habe ich deine ganzen Anrufe verpasst. Auf dem Rückweg habe ich deine ganzen Nachrichten gelesen. Zum Antworten war es zu spät gewesen. Da war ich schon fast zu Hause.“ „Versprich mir, mir beim nächsten Mal rechtzeitig Bescheid zu geben. Und jetzt geh unter die Dusche. Ich kümmere mich um den Rest.“ Trotz meiner Aufforderung, blieb er sitzen. Machte die Augen zu und fing an zu schnarchen. Ich ließ ihn in Ruhe. Oft genug war ich auf der Couch eingeschlafen und er hatte die Arbeit. Wenn ich dann aufwachte, hatte ich eine Decke auf mir und er schlich auf
Zehenspitzen durch die Wohnung, um mich ja nicht zu wecken. Wenn er dann sah, das ich meine Augen offen hatte, fragte er auf der Stelle: „Habe ich dich geweckt? Tut mir Leid. War keine Absicht.“ So leise, wie er gemacht hatte, konnte man Fliegen furzen hören. Während er im Sessel saß und leise vor sich hin schnarchte, machte ich unser Kind fertig und brachte es zu Bett. Ich las ihr ein paar Minuten vor, bis sie eingeschlafen war. Dann kümmerte ich mich um die Reste des Abendessens. Aus Faulheit brachte ich das schmutzige Geschirr nur in die Küche und ließ es einfach dort stehen. Auch ich war nicht
mehr ganz auf der Höhe gewesen. Ich wollte nur noch schnell unter die Dusche hüpfen und dann ab ins Bett. Aber wie das so ist, wenn man zu zweit drunter geht. Mit schnell ist da nix. Besonders dann nicht, wenn der Mann vorher ein kleines, erholsames Nickerchen hatte. Die Leidenschaft nimmt im Laufe der Zeit ab. Ich hatte das Gefühl, als würde sie bei uns eher zunehmen. Auch kam es mir vor, als würde er immer interessanter werden, je älter er wurde. Veränderte ich ihn, oder lag es in der Natur? Meiner besten Freundin war auch aufgefallen, das er mit dem Alter immer anziehender wurde. Für mich hieß es aufpassen, das ihn mir keine andere
wegschnappt. Wobei ich bei ihm keine angst zu haben brauchte. Hier und da schaute er zwar der einen oder anderen Dame auf den Arsch, oder in den Ausschnitt, wenn er groß genug war. Ansonsten hatte er nur Augen für mich. Wer kann es ihm verübeln, wenn er anderen Frauen hinterherschaut? Männer sind nun mal so. Außerdem schaute ich auch manchmal anderen Männern hinterher. Hatte auch schon manch schmutzigen Gedanken dabei gehabt. Es blieb aber auch beim Gucken und den schmutzigen Gedanken. Nix mit flirten und Telefonnummern austauschen. Warum Grund zur Eifersucht geben? Ich muss zugeben, das ich manchmal in
seinen Account ging, um zu überprüfen, ob er mir wirklich so treu war, wie ich glaubte und wie er vorgab. Kein guter Zug von mir, ich weiß. Aber manchmal war er so übermäßig heiß auf mich gewesen, das ich nicht glauben konnte, das es einzig und allein an mir lag. Wenn ich mich nackt vor dem Spiegel betrachtete, habe ich auf Anhieb zehn Dinge gesehen, die mich alles andere, als sexy machten. Zum Beispiel hatte ich nie wieder meine alte Figur bekommen. So, wie sie vor der Schwangerschaft gewesen war. Meine Brüste wurden massiv von der Schwerkraft nach unten gezogen. Nach dem sie keine Milch mehr produzierten,
hatten sie auch keine Form mehr. Die Schwangerschaftsstreifen zierten nicht meinen Bauch, sondern verunstalteten ihn. Aber auch ohne diese Streifen sah mein Bauch einfach nur scheiße aus. Ich war nicht fett gewesen. Mein Bauch bestand nur aus Haut, die herunterhing. Trotz Bemühungen, hatte ich es nicht geschafft, das er wieder so wurde, wie er einmal war. Nicht einmal annähernd. Wie ich hinten aussah, konnte ich nie richtig sehen. Seiner Meinung nach, hatte er nie einen geileren Hintern gesehen, als den meinigen. Da er ihn gern in seine Hände nahm, muss ich ihn wohl glauben. Wenn ich mich nackt im Spiegel betrachtete, spielte ich oft mit dem
Gedanken, in ein Fitnessstudio zu gehen. Muskeln aufzubauen, damit meine Fettarme wieder straff wurden. Eigentlich schwabbelte alles an mir. Oberschenkel, Waden, ebengenannte Oberarme. Aber ich habe es nie geschafft mich irgendwo anzumelden. Stattdessen betrachtete ich immer wieder meinen nackten, unattraktiven Körper und streckte mir dabei selbst die Zunge raus. Einmal stand er genau hinter mir und beobachtete mich, wie ich mich im Spiegel betrachtete. Sah, das ich mich vor meinem Körper fast ekelte. „Wenn ich mich im Spiegel sehe, gucke ich genau so, wie du jetzt. Ich sehe meine krummen Beine. Das kleine
Pimmelchen. Frage mich, wie ich dich damit befriedigen kann, so klein wie er ist. Und sieh dir meine Brust an. Von Männerbrust weit entfernt. Meine Brust gleicht der eines Jungen. Dazu die dünnen Ärmchen. Dafür habe ich am Bauch zugelegt. Nicht mehr lange und sehe den Kleinen gar nicht mehr.“ „Du bist doch so ein Vollidiot. Wo bist du fett? Und so klein ist er gar nicht. Genau richtig für mich. Als wäre er für mich gemacht. Deine Beine sind auch nicht krumm. Und was deine Brust angeht; sei froh darüber. Oder willst BH tragen müssen?“ Über meinen letzten Kommentar mussten wir beide
feixen. Wir waren beide Vollidioten und mussten lernen, unsere Körper so zu akzeptieren, wie wir den Körper des Partners liebten. Ja, ich weiß. Der Satz klingt blöd. Aber ich habe doch recht, oder? Als ich noch jung war, hatte ich einen Typen, der einen Hammer in der Hose hatte. Leider wusste er nicht damit umzugehen. Er tat mir damit weh. Wäre ich länger mit ihm zusammengeblieben, hätte er es geschafft, mir für immer die Lust auf Sex zu versauen. Gut, einerseits hätte ich mir so manch Kerl erspart. Andererseits wäre ich nie in den Genuss gekommen Mutter zu werden. So schmerzhaft die Geburt auch gewesen
sein mag, möchte ich mein Kind nicht missen. Immer wieder würde ich dies durchstehen. Denn der Moment, wo man zum ersten Mal das Kind in Händen hält, welches man neun Monate unter dem Herzen getragen hatte, ist unbezahlbar und unbeschreiblich schön. Für die Mutter und für den Vater. Ich hatte das Glück gehabt, einen Mann zu haben, der sich mit mir gefreut hatte, das ich schwanger war. Leider gab und gibt es Männer, die sofort das Weite suchen, sobald sie erfahren haben, das sie ein Kind angesetzt haben. „Vielleicht liegt es einzig und allein daran, weil ich dich so sehr liebe, dass ich dich immer noch sexy, wunderschön
und attraktiv finde. Ich weiß es nicht. Aber ist es denn nicht egal?“, hatte er mich einmal gefragt, nachdem wir uns geliebt hatten und kuschelnd im Bett lagen. Das war für uns beide wichtig; kuscheln nach dem Sex. Ohne dem würde wir uns vorkommen, als wären wir nichts anderes, als ein Sexobjekt - Triebe befriedigt, nun mach was du willst, aber lass mich in Ruhe und fasse mich nicht an. Andere Männer waren mir schon lange egal geworden, auch wenn ich manchem noch hinterher schaute. Ein Blick in die Speisekarte ist ja erlaubt. Nur gegessen wird zu Hause. Und nirgendwo anders. Daher war mir relativ egal, wie andere
über mich dachten. Wichtig war, das mein Mann mich attraktiv fand. Anstatt ihm zuzustimmen, blickte ich ihn tief in die Augen und fragte ihn: „Wie soll ich das verstehen?“ Dabei hatte ich einen Ton an mir, als wäre ich kurz davor ihm den Kopf abzureißen. Wieso, das weiß ich selbst nicht. Es sollte gar nicht so barsch rüberkommen. Ich wollte ihn nur ein wenig necken. Gott sei Dank war das nicht der Beginn eines Streits gewesen. Zu meinem Glück küsste er mich. Dies war die Einleitung zu Runde zwei gewesen. Als mein Kopf auf seiner Brust lag, sagte ich ganz leise: „Tut mir
leid.“ „Wie bitte?“, fragte er sanft. „Ich habe vorhin scheiße reagiert. Es tut mir leid.“ „Wie oft willst du dich noch bei mir entschuldigen? Ich kann jetzt schon nicht mehr.“, sagte er und grinste mich dabei frech an. Ich wusste ihn damals schon zu schätzen. Ihn und das, was er tat. Er war ein wunderbarer Mann gewesen, der nicht gern im Mittelpunkt stand. Wenn man zu ihm „Danke“ sagte und es auch ehrlich meinte, war er zufrieden und bereit, jederzeit wieder zu helfen. Bei mir machte er eine Ausnahme. Ich war die einzige gewesen, die ihm ihre
Dankbarkeit zeigen durfte. Schade, das es von seiner Sorte so wenige gibt. Und das so wenige Frauen den größten Wert drauf legen. Leider ist es so, das man zuerst auf die Schale guckt und erst danach, was in der Schale ist. Bei mir war es ja nicht anders gewesen. Vor seinem Erscheinen stand für mich auch die Schale im Vordergrund. Der Inhalt war...faules Obst. Sind wir doch mal ehrlich. Was ich vor ihm an Land gezogen hatte, war nur faules Obst. Maximal fürs Bett zu gebrauchen, oder zum Vorzeigen bei irgendwelchen Schickimickis. Wobei für ersteres nicht
wirklich. Ich merke grade, das ich vom einem, ins andere komme. Das ich nicht chronologisch bleiben kann. Aber immer wieder quetschen sich Gedanken dazwischen. Erinnerungen, die aufgeschrieben werden wollen. Nicht später, sondern jetzt sofort. Ein Profi würde es hinterher überarbeiten. Aber ich bin nur Laie. Mir ist es egal, ob es jemand liest und was derjenige davon hält, wenn er es liest. Es sind meine Erinnerungen, an den wunderbarsten Menschen, den ich kenne. Er war nicht nur mein Mann, sondern auch der Vater meiner Tochter Cathy Vivien Highins.
Wenn ich in ihr Gesicht sehe, muss ich automatisch an ihren Vater denken. Er hatte die gleichen Gesichtszüge gehabt. Wie sehr ich ihn vermisse. Nur meine Tochter hält mich davon ab, ihm nachzureisen. Sie und meine beste Freundin Mary Clark. Natürlich hatte er auch negative Seiten. Es kam vor, das er wütend wurde und irgendwas kaputt machte. Aber er beruhigte sich auch schnell wieder. Meist lag es an Behörden, das er ausrastete. Ich konnte ihn verstehen. Er gab ab, was sie haben wollten und kurze Zeit später mahnten sie ihm, das er das Schriftstück bis da und da abgeben soll, sonst drohe ihm...Einmal war es so arg,
das er ganze viermal das Selbe abgeben musste. Immer wieder ging es auf dem Weg zum zuständigen Beamten verloren. Beim letzten mal war ich mit gewesen und habe dort Terror gemacht. Es konnte doch nicht sein, das so ein Schriftstück einfach verloren ging. Und das ganze viermal. Groß und deutlich stand der Name des Empfängers drauf. Und dann wundern, das es so viele Beamtenwitze gibt. Wie gut, das er immer nur eine Kopie abgegeben hatte. Was wäre wohl gewesen, wenn er das Original gleich beim ersten mal hingegeben hätte? Ich muss aber auch erwähnen, das es manchmal auch verdammt flott ging. Kaum war das Formular ausgefüllt, lag
schon der Bescheid im Briefkasten. Da kann man mal sehen, das es auch Beamte gibt, die arbeiten. Die was tun, für ihr Geld. Es gibt eben solche und solche. Wie überall. Es war kurz vor... Unsere Tochter war schon Teenager. Wie jede Teenagertochter, stand auch sie auf Boygroups, wollte alle Fanartikel und unbedingt zu einem Konzert. Als Mutter, die ihr Kind liebt fühlt man sich verpflichtet, mitzugehen. Meine Lust hielt sich aber stark in Grenzen. Ich konnte damit nichts anfangen. Um so mehr aber mein Mann. Er stand voll darauf. Verstanden hatte ich es nie. Der
Mann war über vierzig gewesen. Gut, die Mitglieder der Boygroup waren auch nicht wirklich jünger gewesen. Sie standen auch schon etliche Jahre erfolgreich auf der Bühne. Aber deren Musik traf doch eher den Geschmack der weiblichen Teenager. Andererseits war es mir ganz recht. So musste ich nicht mit. Auch wenn sie mich darum angebettelt hatten. Von wegen, was als Familie unternehmen und so. Ich konnte damit einfach nichts anfangen. Also mit der Band konnte ich nichts anfangen. Aus dem Alter war ich eindeutig raus. Mein Mann eigentlich auch. Dennoch war er Fan von denen. Er war eben schon immer anders, als alle
anderen und stand auch dazu. Ihm war egal, was und wie andere darüber dachten. Öffentlich bekannte er sich als Fan. Unserer Tochter gefiel es. Sie schämte sich keineswegs dafür, das ihr Vater auf eine Boygroup abfuhr. Sie freute sich riesig, das er mit ihr zu dem Konzert ging und sie brachten einige Fanartikel mit. Ich sagte nichts, zu dem Thema. Die beiden hatten Spaß zusammen gehabt; was wollte ich mehr? Ich war ja auch mal zum Konzert einer – Boygroup? Band? - gewesen. Als ich noch Teenager war, fuhr ich voll auf sie ab. Besonders den Sänger fand ich irgendwie süß. Aber nur in meinen Träumen. Offiziell hörte ich mir so was
nicht an. Schließlich sahen sie nicht scharf aus. In ihrer Anfangszeit waren sie noch Teenies gewesen. Dann war Pause. Später traten sie wieder auf. Doch die Stimme war nicht mehr die Selbe gewesen. Scheiß Stimmbruch. Deshalb hatte mir das ganze Konzert nicht gefallen. Es kam mir vor, als wäre es eine Coverband gewesen. Enttäuscht lief ich nach Hause und machte dabei einen riesigen Umweg. Wie sehr er mir doch fehlt. Seine Umarmungen und seine Komplimente. Er war nicht einer von denen, die ständig Druck hatten und ihn loswerden mussten. Dave war ein liebevoller Mann, der
meine Wünsche respektierte. Es kam schon mal vor, das ich keinen Bock hatte und er Willig war. Aber er regte sich nicht darüber auf, wenn ich ihm sagte „Ich will nicht“. Er akzeptierte es und kuschelte nur mit mir. Dafür war ich ja immer bereit gewesen. Ich genoss es, wenn sein Körper meinen Körper berührte. Es half mir beim Einschlafen. Als er einmal mit seinen Kumpels auf Sauftour war und nicht zu mir kam, weil er zu viel getrunken hatte und es deshalb vorzog, bei sich zu schlafen, lag ich stundenlang wach. Ich konnte einfach nicht einschlafen, obwohl ich wusste, wo er war. Es kam nicht oft vor, das er eine
ausgedehnte Sauftour mit seinen Freunden unternahm. Deshalb hatte ich auch nie etwas dagegen. Zu Hause trank er gar keinen Alkohol. Außer mal ein Glas Wein mit mir. Wenn wir ausgingen, sah es auch nicht anders aus. Er gehörte nicht zu denen, die sich am Wochenende unbedingt die Rübe zuknallen mussten. Am sogenannten Männertag unternahm er lieber was mit mir, beziehungsweise mit uns, anstatt sich von früh an die Birne weich zu saufen. Das eine Jahr waren wir nach Spanien geflogen. Dave hatte uns damit überrascht. Drei Stunden, bevor wir am
Flughafen sein mussten, sagte er uns, das wir unsere Koffer packen sollen. Verdutzt starrten wir ihn an. Doch er wiederholte nur, das wir in spätestens drei stunden am Flughafen sein müssen und wir nur das allernötigste einpacken sollten. Unsere Tochter hatte ihr letztes Schuljahr. Sie schrieb pausenlos Bewerbungen und erhielt nur Absagen. Dabei hatte sie ein ziemlich gutes Zeugnis. Aber in dem Jahr gab es eh nur wenig Ausbildungsplätze. Die Chance, eine Lehre zu bekommen, war sehr gering. Um dem Stress ein paar Tage zu entgehen und um auf andere Gedanken zu kommen, hatte er die Reise
gebucht. Außerhalb der Saison ist Spanien nicht überlaufen. Zwar hatten wir kein Badewetter, dafür aber herrliches Frühlingswetter. Wir genossen ausgedehnte Spaziergänge und lernten ein wenig die Kultur des Landes kennen. Es war einfach nur genial gewesen. Auch unserer Tochter hatte es sehr gut gefallen. Bei ihr lag es wahrscheinlich daran, das sie jemand kennengelernt hatte. Einen jungen, sympathischen Spanier. Wie sehr hatte sie für ihn geschwärmt. Es gefiel ihr gar nicht, das wir schon nach einer Woche wieder abreisten. Aber die Schule wartete. Und irgendwann heißt es immer:
Abschiednehmen. Sie war sehr traurig gewesen, als sie sich von ihm verabschieden musste. Bis zur allerletzten Minute ließen wir ihr Zeit. Schließlich waren wir auch mal jung gewesen und hatten und in jemanden verliebt, von den wir uns trennen mussten. Wir konnten ihr also nachfühlen, wie es ihr ging. Es fiel uns alles andere, als leicht, sie trennen zu müssen. Dave machte den Vorschlag, das wir in genau einem Jahr wiederkommen würden. Den Kindern gefiel der Vorschlag. Sie tauschten Adressen und Telefonnummern aus, im Anschluss küssten sie sich ein letztes mal, bevor wir in den Bus
Richtung Flughafen stiegen. Leise kullerte Träne für Träne ihre Wange hinab. Als wir wieder zurück waren, wollte sie unbedingt spanisch lernen. Ihr spanischer Freund konnte nur brockenhaft deutsch und sie wollte ihm zeigen, wie viel er ihr bedeutete. Wir wollten ihr nicht im Weg stehen. Also meldeten wir sie in einem Spanischkurs an. Zu dem Zeitpunkt ahnte noch keiner... Es gab keine Anzeichen. In seiner Familie gab es nichts in der Art. Nichts, aber auch rein gar nichts hatte uns einen Hinweis darauf gegeben. Dave ernährte sich und uns gesund. Er war kein
Sportfanatiker. War aber trotzdem stets in Bewegung. Die meisten Wege ging er zu Fuß, oder er fuhr mit dem Rad. Er hatte mich oft dazu gebracht, das Auto stehen zu lassen. Dafür bin ich ihm dankbar. Dadurch sparte ich Sprit und tat nebenbei was für meine Gesundheit. Oft kam ich erst durch unsere kleinen Spaziergänge in Schwung. Fahrstühle benutzte er nur äußerst selten. Lieber nahm er die Treppe. Auf die müsse er nicht warten, hatte er einmal zu mir gesagt. Wo er recht hat. Manchmal brauchte der Fahrstuhl ewig, weil er zwischen den anderen Etagen hin und her pendelte. Ich habe mir auch angewöhnt, die Treppe zu benutzen.
Kaum zu glauben, aber ich bin manchmal schneller, als der Lift. Wenn die meisten Menschen nicht so bequem wären...Über eine Stunde lag er im Treppenhaus des Bürogebäudes. Er war einfach so umgefallen. Niemand hatte etwas mitbekommen, weil alle nur den Lift nahmen. Das traurige ist, das er ein Vorstellungstermin hatte. Die Wahrscheinlichkeit, das sie ihn eingestellt hätten, war sehr hoch gewesen. Denn es gab nur ganz wenige Bewerber und er hatte reichlich Erfahrungen in verschiedenen Bereichen gesammelt. Nach ihm, brach ich zusammen. Ich verkraftete seinen Tot nicht. Dave war
mein Leben gewesen. Wie sollte ich ohne ihn weiterleben? Ohne dem Mann, der mein Leben so sehr verändert hatte. Dem ich für so viel so unendlich dankbar war. Eine Weile fand ich Halt bei meiner Tochter und bei meiner besten Freundin. Doch sie konnten Dave nicht ersetzen. In meinem Namen kümmerten sie sich darum, das Dave eine wunderschöne Bestattung bekam. Denn ich hätte es nicht geschafft. Besonders die Nächte waren schwer für mich gewesen. Jede Nacht lag ich wach. Starrte auf seine Seite und fing erneut an zu weinen. In der Nacht wurde mir stets aufs Neue bewusst, das er für immer fort war. Nie wieder würde ich ihn anfassen
können. Seine Lippen würden nie wieder die meinigen berühren. Keine sanften Massagen mehr. Und was wahrscheinlich am Schlimmsten war; der Urlaub fiel auch aus. Cathy würde ihren spanischen Freund nicht wieder sehen, wie versprochen. Das Leben war manchmal so fies. Er war noch keine fünfzig Jahre alt gewesen. Wenn ich jetzt behaupten würde, das ich gemütlich zu Hause sitze und dies hier schreibe, würde ich lügen. In Wirklichkeit bin ich in einer Klinik. Nicht ganz freiwillig, muss ich gestehen. Aber es war das beste für mich. Für mich und Cathy, die bis zur Volljährigkeit bei
meiner besten Freundin. Mir geht es soweit gut. Die Ärzte sind ganz nett. Mit den anderen Patienten verstehe ich mich ziemlich gut. Wen man sich erst einmal daran gewöhnt hat, hier zu sein, lebt es sich ganz gut so weit. Mindestens einmal die Woche bekomme ich Besuch und den neuesten Tratsch von der Arbeit. Daher weiß ich, das man meinen damaligen Kollegen immer mehr das Alter ansieht. Die Falten werden immer größer und länger. Unser Chef bedauert sehr, das ich eine Weile nicht zur Arbeit kommen kann. Ein halbes Jahr will er die Stelle noch für mich freihalten. Danach ist er wirklich gezwungen, den freien Platz neu zu
besetzen. Vielleicht habe ich ja Glück und ich habe mich bis dahin wieder voll im Griff. Wunder gibt es immer wieder. Der Appetit auf Alkohol ist mir auf jeden Fall vergangen. Ich habe mir geschworen, nie wieder einen Tropfen anzufassen. Cathy macht eine Ausbildung zur Diätassistentin. So weit ich weiß, hat sie mit ihrem Spanier immer noch Kontakt. In Zeiten des Internets ist es auch kein Ding mehr. Ein Jahr später Unter der Sonne Spaniens kann man alles vergessen. Auch wenn mich hier alles an
meinen geliebten Mann erinnert, geht es mir gut. Cathy und ihr spanischer Freund Raul verbringen sehr viel Zeit miteinander. Es kommt mir vor, als wären wir erst vor ein paar Wochen hier gewesen. Nichts hatte sich geändert. Ich habe auch einen Verehrer. Aber ich halte ihn auf Abstand. Der Abschied von Dave ist mir noch zu frisch. Ich möchte mich nicht in etwas Neues stürzen, solange ich mit Dave noch nicht 100% abgeschlossen habe. Zu sehr lebt er noch in mir. Die Therapie hatte mir zwar geholfen, mich aus dem tiefen Loch zu ziehen, dennoch bin ich über Dave noch nicht hinweg. Sein Tot macht mir immer noch zu schaffen. Ich hatte gehofft, das
es mir helfen wird, wenn ich an den Ort zurückkehre, wo wir unseren letzten gemeinsamen Urlaub verbracht hatten und ein Jahr später zurückkehren wollten. Wenigstens ist Cathy glücklich. Ich habe Daves Versprechen eingelöst. Wir sind wieder hier. Es freut mich zu sehen, wie Cathy und Raul sich verstehen. Aber es tut auch verdammt weh, weil ich keinen Mann mehr habe, in dessen Arme ich mich einfach nur wohl und geborgen fühle. Es wird noch viel Wasser die Donau hinabfließen, bis ich seinen Tod verarbeitet habe. Noch mehr Zeit wird vergehen, bis ich wieder bereit bin, mich auf was Neues einzulassen. Wir waren
schließlich nicht nur ein paar Tage zusammen, sondern fast zwanzig Jahre. Dave passte einfach perfekt zu mir. Es ist sehr unwahrscheinlich, das ich je wieder so einen Mann finden werde. Wie wunderschön so ein Sonnenuntergang doch ist. Mein Verehrer steht neben mir. Er ist ein sympathischer Mann. Sehr zurückhaltend. Das er mich nicht bedrängt, spricht schon mal für ihn. Vielleicht schafft er es ja, das ich nicht mehr so sehr an Dave hänge. Eigentlich wäre es ja jammerschade, wenn ich den Rest meines Lebens damit verbringe, einer einzigen Person hinterher zu trauern, anstatt das Leben zu genießen.
Es gab ein Leben vor Dave und es gibt ein Leben nach ihm. Auch wenn ich mich eines Tages neu verlieben sollte, wird er für immer und ewig ein Teil von mir sein. Ich glaube, der Urlaub war eine gute Idee. Cathy ist glücklich und ich werde es langsam auch. Langsam dringt Licht in mein Innerstes und lässt mich freier atmen und denken. Es ist bestimmt in Daves Sinn, das ich wieder glücklich werde. An seiner Stelle würde ich wollen, das er mir nicht ewig nachtrauert. „Wir sollten gemeinsam essen gehen. Was halten sie davon?“ Ich überraschte mich grad selbst damit.
Habe ich ihn gerade wirklich gesagt, das wir gemeinsam Essen gehen sollten? Seinem erstaunten Blick nach zu urteilen, ja. „Meinten sie das gerade ernst?“, fragt er mich. „Ja. - Ja, ich finde, wir sollten gemeinsam irgendwohin gehen und gemeinsam einen Happen zu uns nehmen.“ Dave, ich liebe dich. Ich werde dich immer lieben. Aber ich will auch leben. Oh mein Gott! - Wo soll ich anfangen zu erzählen? Es war ein wunderschöner Abend gewesen. Bernd, mein Verehrer, durch
und durch Gentleman. Ich habe ihn von Dave erzählt. Kommentarlos hatte er mir bis zum Schluss zugehört. Seinem Blick nach zu urteilen, schien er fasziniert gewesen zu sein, wie ich und Dave und kennen und lieben gelernt haben. Als ich geendet hatte, sagte er zu mir: „Ich kann es ihnen nachfühlen. Denn auch ich habe einmal so geliebt. Viele Jahre lebte ich in tiefer Trauer. Hatte versucht, mich selbst umzubringen. - Mehrfach. Wir hatten ziemlich schnell geheiratet, weil wir gewusst hatten, das wir für einander bestimmt sind. Bis auf ein paar Kleinigkeiten, führten wir eine Bilderbuchehe. Unsere Eltern waren nicht sehr begeistert gewesen, das wir
uns kurz nach dem Kennenlernen verehelichten. Aber recht schnell bemerkten auch sie, das wir füreinander bestimmt waren. Leider konnten wir keine Kinder bekommen. An wen und was es genau lag, konnte uns keine sagen. Einmal hatte es ja geklappt. Aber schon kurz nach der Befruchtung musste der Embryo entfernt werden. Die Zellteilung hatte schlagartig aufgehört. Wir waren beide zutiefst betrübt. Kurze zeit später verstarb meine Frau. Damit hatte ich alles verloren, was mich am Leben erhielt. Sie war für mich, was Dave für sie war. - Wie sagt man so schön? Wen die Götter lieben, holen sie früh. Noch heute ist sie
mein erster Gedanke, wenn ich morgens aufwache und mein letzter Gedanke, wenn ich abends zu Bett gehe. Ich hatte irgendwann versucht, mich wieder auf eine neue Beziehung einzulassen. Aber ich konnte nicht. Bis ich sie traf, glaubte ich, das ich nie wieder eine Frau treffen würde, die mein Herz berührt, ähnlich, wie meine verschiedene Frau. Als ich sie sah, hatte ich diese berühmten Schmetterlinge im Bauch. Auch wenn es vielleicht kindisch klingt, war es so gewesen. Deswegen hatte ich sie angesprochen und wich nicht mehr von ihrer Seite. Sie sind eine sehr attraktive Frau. Ich kann ihren Mann Dave sehr gut verstehen, warum er
seine Finger nicht von ihnen lassen konnte.“ Sein letzter Satz brachte mich zum Lächeln. Er war der erste Mann gewesen, nach Dave, der mir sagte, das ich attraktiv bin. Ich muss gestehen, das ich mich geschmeichelt gefühlt hatte. Leider hatte ich auch den Fehler begangen und hatte Wein getrunken. Dabei hatte ich mir geschworen, das ich nie wieder Alkohol trinke. Warum musste er mir auch so viele Komplimente machen? Ob es am Alkohol lag, oder an den Glückshormonen, kann ich nicht sagen. Wir gingen gemütlich am Strand spazieren. Plötzlich überfiel es uns. Innerhalb weniger Sekunden waren wir
nackt und sprangen, wie frisch verliebte Teenager, ins Meer. Es kam mir vor, als wäre ich in einem Traum, aus dem ich nicht wieder aufwachen wollte. Wir ließen uns auf dem Wasser treiben und küssten uns. Seine Lippen schmeckten nach Meer und mehr. Ehe ich es mich versah, griff ich ihm zwischen die Beine und half ihm, in mich einzudringen. Wenn man lange nicht mehr geliebt hat, erlebt man die Gefühle um so intensiver. Das war damals bei Dave so gewesen, und diesmal bei Bernd. Man muss es selbst erlebt haben, um es verstehen zu können. Noch am folgenden Morgen hatte ich ein
Grinsen im Gesicht. Meine Tochter sah mir sofort an, was ich vergangene Nacht erlebt hatte und freute sich überschwänglich für mich. „Wie schön, dich wieder lächeln zu sehen. Papa würde sich bestimmt auch für dich freuen. - Übrigens muss ich dich dir was gestehen...Nicht nur du...“ Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Ich wusste auch so, was sie meinte. Für diese Zeit, war sie sehr spät dran gewesen, wenn man bedenkt, wie früh die Meisten damit anfangen. „War es denn schön gewesen?“, fragte ich. „Oh ja. Ich konnte mir keinen anderen vorstellen, als Raul, mit dem ich mein
Erstes Mal erlebe. Auch für ihn war es das Erste Mal gewesen.“, schwärmte sie. Dann fügte sie hinzu: „Wir wollten es beide, Mum. Ich glaube, ich liebe ihn. Aber in ein paar Tagen reisen wir ja schon wieder ab. Und auf Fernbeziehung habe ich kein Bock. Woher soll ich wissen, das er mir treu bleibt?“ Das kann dir keiner sagen, dachte ich. Raul war ihre erste wirklich wahre große Liebe. Mir tat es selber weh, das sie sich wieder trennen mussten. Aber in wenigen Tagen mussten wir wieder zurückreisen. Schließlich musste ich wieder arbeiten gehen und sie musste ihre Ausbildung fortsetzen. Und Bernd würde nur ein Urlaubsflirt bleiben. Dabei hatte ich
mich in ihn verliebt. Was hieß, das ich jede Sekunde, die wir noch hier verbrachten, ausnutzen musste. Erst am Abend sah ich ihn wieder. Ich hatte schon geglaubt, das er einen großen Bogen um mich machen würde; nach dem Motto: Er hatte bekommen, was er wollte. Aber er gehörte nicht zu der Sorte Mensch. Als er mich erblickte, steuerte er direkt auf mich zu und lächelte dabei so wunderbar, wie er es nur konnte. „Wie ich mich freue sie zu sehen. Ich war bis eben in der Stadt gewesen. Dabei entdeckte ich ein kleines, nettes Restaurant, in welches ich sie gern
entführen würde.“ Bernd war wirklich charmant. Mich wunderte es, das er ausgerechnet auf mich ein Auge geworfen hatte. Es gab so viele Frauen, die viel besser aussahen, als ich. Jünger und attraktiver, als ich, waren. Der Mann konnte sie alle haben, wenn er wollte. Denn er sah gut aus und war galant. Was fand er nur an mir? Ich hatte die fünfzig schon erreicht und meine besten Jahre waren vorbei. Ein wenig schäbig kam ich mir schon vor, als wir in das Restaurant liefen. Er hatte seinen besten Sonntagsanzug an und ich ein lockeres Sommerkleid. Das passte ja gar nicht. Doch er versicherte mir immer wieder, das ich die
wunderschönste Frau unter Spaniens Sonne sei und das Kleid mich noch schöner mache, als ich schon sei. Es war ein tolles Restaurant gewesen. Klein und gemütlich. Die Bedienung verstanden perfekt unsere Landessprache. Und das Essen war einfach nur köstlich. Meiner Meinung nach hatte es fünf Sterne verdient. „Nach gestern Nacht, finde ich, sollten wir anfangen uns zu duzen.“, schlug ich vor. „Der Meinung bin ich auch. Lassen sie uns Brüderschaft trinken und auf diesen Urlaub anstoßen. Auf einen unvergesslichen Urlaub, der wieder Wärme in mein Herz
brachte.“ Wie schön er das gesagt hatte. Traurig nur, das der Urlaub schon bald sein Ende fand und wir uns nie wieder sehen würden, dachte ich. „Liebe Jennifer. Ich freue mich, deine Bekanntschaft gemacht zu haben und hoffe, das wir uns nicht aus den Augen verlieren werden, sobald das hier vorbei ist. Es fällt mir nicht leicht, dies zu sagen, weil ich nicht weiß, wie du es aufnehmen wirst und wie es in dir aussieht. Wie ich dir schon gestanden habe, finde ich dich traumhaft schön. Nach gestern Nacht brauchte ich Zeit zum Nachdenken. Deswegen war ich auch den ganzen Tag unterwegs gewesen.
Habe mir die Gegend angesehen und war in mehreren Museen gewesen. Kurz gesagt, ich habe mich ernsthaft in sie verliebt. Ich meinte, ich habe mich in dich verliebt. Nach dem Tod meiner Frau, hatte keine andere so sehr mein Herz berührt, wie du...“ Anstatt ihm zu antworten, fiel ich in Ohnmacht. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem weißen Raum. Ziemlich schnell wurde mir klar, das ich in einem Krankenhaus lag. Mir brummte der Schädel und mir war leicht übel. Ich blickte mich um und sah Bernd, der neben meinem Bett saß und ein Schläfchen hielt. „Bernd.“, murmelte
ich. Obwohl ich nur sehr leise sprach, reagierte er. Verschlafen sah er mich an und lächelte. „Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Deinetwegen habe ich mich große Sorgen gemacht.“ „Was genau war passiert?“ „Ich habe dir meine Liebe zu dir gestanden. Dann bist du weggetreten. Fielst vom Stuhl und schlugst mit deinem Kopf hart auf den Steinfußboden auf. Als ich sah, das Blut aus deinem Schädel kam, geriet ich in Panik. Zum Glück blieb die Bedienung ruhig. Sie riefen sofort den Notdienst. Ich habe mich übrigens als deinen Mann ausgegeben,
sonst hätte ich wahrscheinlich nicht mitfahren dürfen.“ „Weiß Cathy Bescheid?“ „Noch nicht. Ich werde aber gleich nach der Visite zu ihr gehen.“ Kaum war die Visite vorüber, war er weg. Kurze Zeit später stand er mit meiner Tochter an der Tür. Mit Tränen im Gesicht, stolperte sie auf mich zu. Bernd blieb draußen. „Was haben sie mit dir gemacht? Wieso hat mir keiner Bescheid gegeben?...“, sprudelte es aus ihr heraus. „Bleib unruhig, Maus. Ich bin erst vor wenigen Minuten wach geworden. Mein Schädel brummt, als hätte ihn jemand mit
einem Vorschlaghammer bearbeitet. Wenn du irgendwas wissen willst, musst du Bernd fragen oder die Ärzte. Ich weiß auch nicht so genau, was da war. Plötzlich wurde es mir schwarz vor Augen und ich fiel in Ohnmacht. Es tut mir so leid, das ich dir den Urlaub versaut habe.“ „Es ist doch nicht deine schuld. Hätte mir auch passieren können, das ich einfach so plumps mache und mich dabei stoße. Und mach dir keine Gedanken. Du hast den Urlaub nicht versaut. Werd lieber wieder gesund. Du verstehst dich recht gut mit ihm. Wird er mein neuer...also...“ „Er wird deinen Vater nie ersetzen, auch
wenn sich zwischen Bernd und mir was anbahnen sollte. Ich hab Bernd sehr gern. Aber deinen Vater liebte ich und ich werde ihn immer lieben.“
Und so,, wie es sich anfühlt, werde ich schon bald bei ihm sein.
„Es muss schrecklich für dich sein. Erst lag ich lange Zeit in Deutschland in der Klinik und nun bin ich schon wieder in einem Krankenhaus.“
„Du kannst doch nichts dafür, Mum. - Ich gehe erst mal wieder. Heute Nachmittag schaue ich aber nochmal vorbei. Versprochen.“
Ich habe dieses Buch in ihrer Handtasche gefunden. Eigentlich sollte man nicht in Privatsachen schnüffeln. Aber ich konnte nicht anders. Menschliche Neugier? Meine Mum liegt seit ein paar Tagen im Koma. Bernd und ich gehen sie jeden Tag besuchen. Da mein spanisch nicht so gut ist, kommt Raul auch mit und übersetzt für uns. Sein Deutsch ist wirklich sehr gut. Er hatte mir erzählt, das er nur meinetwegen intensiv deutsch gelernt hat. Und ich glaube, das er die Wahrheit spricht. Genau wie Bernd und ich, ist er sehr besorgt um meine Mum. Die Ärzte
machen uns keine große Hoffnung auf baldige Besserung ihres Zustands. Was genau sie ins Koma gebracht hat, können sie uns auch nicht sagen. Sie glauben, das sie ein Blutgerinnsel im Gehirn hatte. Die spanischen Ärzte sind sehr nett und offen. Mir persönlich ist es lieber so, als wen sie uns Hoffnung machen würden, obwohl sie ganz genau wissen, das es nichts zu hoffen gibt. So trifft es einem nicht ganz so hart, wenn sie es doch nicht mehr zurückschaffen sollte. Man kann den Ärzten dann auch weniger Vorwürfe machen, wie:„Sie haben versprochen, das sie wieder ins Leben
zurückkehrt...“ Es tut weh, sie so zu sehen und zu wissen, das sie vielleicht nicht wieder kommen wird. Der einzig tröstende Gedanke, der mir bleibt, ist der, das sie und mein Vater wieder vereint sein werden. Ich weiß, wie sehr sie meinen Vater vermisst. Auch wenn sie sich auf jemand Neuen eingelassen hat, will sie doch nur ihn. Das kann ich aus ihren Notizen herauslesen. Sie hatte ihn von Herzen geliebt. Sein Tot bedeutete für sie das Ende von allem. Nicht einmal ich schaffte es, sie ins Leben zurückzuholen. Meine Mum liebt mich. Das hat sie mir immer wieder gezeigt. Als sie in der Klinik war und den Tod meines Vaters
halbwegs verkraftet hatte, fing sie an, sich bei mir zu entschuldigen. Dafür, das sie mich vernachlässigt hatte. Das sie mich weggestoßen hatte. Die Tränen, die sie dabei weinte, waren allesamt echt gewesen. Ich hatte Glück das Mary Clarke, ihre beste Freundin, sich für sie und mich stark gemacht hatte. Dank ihr und ihrem Mann musste ich nicht ins Heim, sondern konnte zu ihr. Es wäre nicht gut ausgegangen. Garantiert nicht. Ganz bestimmt hätte ich dort nur Terror gemacht. Raul schenkt mir Kraft. Ich lebe derzeit bei ihm und seiner Familie. Eigentlich hätte ich schon längst zurück in die
Heimat fliegen sollen. Aber ich kann Mum nicht alleine lassen. Sie war stets eine gute Mutter gewesen. Das mein Vater so früh verstarb, dafür konnte sie nichts. Und wenn man jemand so sehr geliebt hat, wie meine Mutter meinen Vater, dann ist es selbstverständlich, dass man nicht einfach sagen kann: „Tot ist tot, da kann man nichts dran ändern.“ Je näher man einem Menschen stand, desto schwerer fällt einem sein Ableben. Ich habe Mary Clarke über alles in Kenntnis gesetzt. Ihre Tränen waren unüberhörbar. Sie versucht, so bald wie möglich herzukommen. Als ihre beste Freundin, will sie sich selbst ein Bild über den Zustand meiner Mutter
machen. Damit ich Ablenkung habe, helfe ich der Familie, wo ich nur kann. Gehe überall zur Hand und lerne dabei spanisch. Ich habe mich stark verbessert, finde ich. In der Zeit, wo ich hier bin, habe ich mehr gelernt, als in einem Jahr Schule. So oft es geht, versuche ich spanisch zu sprechen. Hier und da holpere ich noch. Aber niemand macht sich lustig darüber. Ganz im Gegenteil. Sie verbessern mich. Sprechen es mir vor und ich spreche es ihnen nach. Ich denke kaum noch an Deutschland. Zwar vermisse ich meine Freundinnen, aber mich zieht es dennoch nicht zurück.
Am liebsten würde ich für immer hier bleiben. Bei Raul und seiner Familie. Vielleicht ist dies ja Gottes Plan? Er schickte meine Mutter ins Koma, damit ich hier bleiben kann. Es klingt weit hergeholt und völlig unsinnig. Aber an irgendwas muss ich ja glauben, damit ich nicht vollends den Verstand verliere. Erst verliere ich Papa und nun wahrscheinlich meine Mum. Ausgerechnet dann, als sie in Begriff war, das Leben wieder zu genießen. Bernd besucht sie jeden Tag. Ich sehe ihm an, wie es ihn mitnimmt. Er scheint sich doll in sie verliebt zu haben. Wie es mit ihm wohl weitergeht, wenn meine Mum...? Ich mag gar nicht daran denken.
Er tut mir so leid. Als ich letztens mit Raul schlief, konnte ich es nicht genießen. Die ganze Zeit musste ich an Mum, Bernd und meinen Papa denken. Dabei wollten wir miteinander schlafen, um uns für einige Zeit auf andere Gedanken zu bringen. Raul hatte bemerkt, das ich mit meinen Gedanken woanders gewesen war. Deshalb war er vorzeitig von mir runter gegangen. Er nahm mich in seine Arme und ich weinte in seine Schulter. Warum sterben die Guten so jung? Mary Clarke kam heute an. Kaum war sie angekommen, wollte sie sofort zu meiner Mutter. Ihr Mann lud die Koffer aus und
schon waren wir auf dem Weg zum Krankenhaus. Meine Mutter hatte vielleicht nicht viele Freunde. Aber den Freunden, die sie hatte, war sie wichtig gewesen. Beinahe hätte ich noch jemanden verloren, die mir viel bedeutet. Denn als wir im Krankenhaus ankamen, erfuhren wir, das sich der zustand meiner Mutter verschlechtert hatte. Es gab kaum Hoffnung für sie. Die Chance, das sie jemals wieder ins Leben zurück kehrt, war mehr, als gering. Dafür war es um so wahrscheinlicher, das sie nach dem Aufwachen ein Pflegefall sein wird. Irgendwie hatte ich damit schon gerechnet. Dennoch war es ein Schock
für mich. Mary Clarke und ich fielen uns in die Arme und heulten schlimmer, als Schlosshunde. Erst Papa und jetzt Mum. Wer würde als nächstes den löffel abgeben? Ich wusste, das sie vor mir sterben würden. Aber nicht in dem Alter. Sie waren noch viel zu jung dafür. Ich fiel in eine tiefe Depression. Das Leben zog an mir vorbei und ich bekam es nicht mit. In der Zeit verstarb meine Mutter. Von Bernd habe ich nichts mehr gehört. Mir wurde gesagt, er ist Hals über Kopf abgereist, als er erfuhr, das meine Mum für immer eingeschlafen war. Mich
würde es nicht wundern, wenn er sich was angetan hätte. Erst verlor er seine Frau, und als er endlich eine neue Liebe fand, musste er alsbald Abschied nehmen. Wenn Raul und seine Familie nicht wären... Mary Clarke versuchte stark zu wirken. Jeder sah ihr aber an, wie sehr ihr das alles mitnahm. Wenn sie glaubte unbeobachtet zu sein, heulte sie sich die Augen aus. Sie standen sich wirklich nah. Auch ihrem Mann nahm es sichtlich mit. Ein Jahr danach Mein Name ist Cathy Vivien Highins
Hernandez. So steht es zumindest in der Heiratsurkunde. Raul und ich haben vor etwa einem dreiviertel Jahr geheiratet. Aus zwei Gründen: 1. Inniger Liebe. Ich kann und will nicht ohne ihn Leben. 2. Staatsbürgerschaft. Wenn ich ihn nicht so schnell geheiratet hätte, dann hätte ich zurück nach Deutschland gemusst und das wollte ich nicht. Zu sehr hatte ich mich an das Leben hier in Spanien gewöhnt. Meine Mutter haben wir hier begraben lassen. Einmal im Monat gehe ich sie besuchen. Ich muss immer noch weinen, wenn ich an ihrem Grab bin. Aber der Gedanke, das sie wieder mit meinem Papa zusammen ist, tröstet mich ein wenig. Vor meinem geistigen Auge
sehe ich sie beide eng umschlungen und glücklich. Mein spanisch ist schon fast perfekt. Es gibt immer noch einzelne Worte, die ich nicht kenne und verstehe. Deshalb muss Raul oder einer aus seiner Familie mir stets helfen, wenn ich ein Formular ausfüllen muss. Offiziell arbeite ich bei ihnen. Es ist ein angenehmer Job und sehr abwechslungsreich. Ziemlich genau vor einem Jahr war ich hier noch zu Gast gewesen. Wenn Raul nicht gewesen wäre, hätte ich damals wahrscheinlich nicht so lange bleiben dürfen. Unsere Hochzeit war ein berauschendes Fest gewesen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Zum ersten mal hatte
ich Alkohol getrunken. Die nächsten zwei Tage hatte ich noch was davon gehabt. Seit dem habe ich nie wieder einen Tropfen angerührt. Auf Flitterwochen hatten wir verzichtet. Abgesehen vom Geld, fehlte uns auch die Lust zum Verreisen. Außerdem wurden wir gebraucht. Die Pension, die Rauls Familie betrieb, war gerade gut besucht gewesen. Jede Hand wurde da gebraucht. In wenigen Tagen müssten Mary Clarke und ihr Mann erscheinen. Wir halten Kontakt übers Internet. Tauschen den neuesten Tratsch aus und so. Gern hätte ich sie bei meiner Hochzeit dabei gehabt, aber leider konnte sie aus zeitlichen Gründen nicht
kommen. Natürlich bekommt sie Rabatt auf Unterkunft und Verpflegung. Wenn es nach mir gehen würde, täte ich sie kostenlos übernachten lassen. Aber anderseits lebt meine neue Familie von zahlenden Gästen. Rechnungen wollen bezahlt werden, und so weiter und so fort. Ich hatte mal einen Blick auf den Papierkrieg geworfen. Wenn ich den Laden eines Tages mit Raul übernehmen soll, muss ich mich irgendwann damit auseinandersetzen. Wie schnell das Leben eines Menschen vorbei sein kann, habe ich bei meinen Eltern gesehen. Ich hoffe, das Raul und ich noch ein langes, glückliches Leben haben werden. Wir
haben auch schon an Kinder gedacht. Wollen uns damit aber noch Zeit lassen. Noch fühlen wir uns nicht wirklich bereit, Eltern zu werden. Vielleicht ändert sich das aber schon in zwei, drei Jahren, wer weiß. In einem Punkt sind wir uns aber vollkommen sicher; auch wenn wir vieles nicht verstehen, irgendwo und irgendwie ergibt alles irgendwann seinen Sinn. Wäre meine Mum damals mit dem Auto nach Hause gefahren, wäre sie meinem Papa wahrscheinlich nie begegnet. Ich wäre nie geboren worden und Raul hätte mich nie kennengelernt. Klingt egoistisch, ich weiß, aber ich habe grad die Kurve nicht gekriegt. Es sollte nur noch mal
unterstreichen, was ich eben gesagt hatte. Alles im Leben hat seinen Sinn. Wobei ich noch nicht herausgefunden habe, worin der Sinn besteht, wenn Jungen und Mädchen missbraucht werden. Denn der Schaden bleibt ein Leben lang. Es gibt, ehrlich gesagt, vieles, was ich nicht verstehe. Warum mussten meine Eltern so früh sterben? Wäre mein Papa damals nicht gestorben, wären wir schon eher wieder hergekommen. Mein Papa hatte seine Versprechen immer gehalten. Würde Mum noch leben, könnte sie das bestätigen. Ich komme wieder von dem einem zum Anderen. In letzter Zeit erwische ich
mich oft dabei. Gerade eben gehe ich noch meiner Arbeit nach, im nächsten Augenblick bin ich völlig weggetreten. Denke über alle möglichen und unmöglichen Dinge nach. Stelle mir hunderttausend Fragen. Komme vom einen Gedanken, auf den anderen. Plötzlich ist meine Stimmung ausgewechselt. Raul und seine Familie haben es schön öfter bei mir gesehen. Sie haben gelernt damit umzugehen und mich da raus zu holen. Ich glaube, ich werde mich deswegen mal untersuchen lassen. Meine Arbeit leidet darunter und das will ich nicht. Das kann ich meiner Familie nicht antun. Sie sollen sich auf mich verlassen
können. - Dauerhaft. Ich weiß auch nicht warum, aber irgendwie bin ich total vernarrt, in deutsche Salami. Mary Clarke hatte welche mitgebracht. Nicht extra wegen mir, sondern für die Fahrt zu mir. Als sie ihre Reste auspackten, griff ich unbewusst zu und steckte es mir in den Mund. Es war ein Stück Salami gewesen. Ehe ich es mich versah, hatte ich die ganze Dose leer gefuttert. Ich war selber über mich erstaunt, da ich eigentlich gar kein Hunger gehabt hatte. Mary Clarke musste bei dem Anblick schmunzeln. Dann zog sie mich auf, von wegen das ich wohl was Freudiges erwarte; bei dem
Appetit. Schon als Kind aß ich gerne Salami. Ich schnitt sie mir immer großzügig ab und zerteilte sie dann in mundgerechte Stücke. Genau so hatte sie Mary Clarke mitgebracht. Das mir deutsche Salami so fehlte, hatte ich bis dahin nicht gemerkt. In Spanien gibt es zwar auch Salami, aber die ist anders. Mir schmeckt sie nicht so gut, wie die, die ich von Kindheitsbeinen gewöhnt bin. So lange wie Mary Clarke da war, arbeitete ich nur halbtags. Ab dem frühen Nachmittag verbrachte ich meine Zeit mit ihr. Wir gingen schwimmen, oder spazierten irgendwohin. Einmal besuchten wir meine Mutter. So sehr sich
Mary Clarke auch bemühte, sie schaffte es nicht ihre Tränen zurückzuhalten. Leider verging die Zeit viel zu schnell. Zwei Wochen sind einfach zu kurz. Aber nächstes Jahr kommt sie ja wieder. Außerdem schreiben wir uns öfter via Internet. Über sechs Wochen blieben meine Tage aus. Deswegen war ich zum Frauenarzt gegangen. Der bestätigte meine Vermutung. Mary Clarke hatte Recht gehabt. Dabei wollten wir eigentlich noch warten und ich nahm regelmäßig die Pille. Hundert prozentig ist wohl gar nichts. Sonst wäre ich nicht schwanger. Einerseits freue ich mich. Aber
andererseits...Fühle ich mich schon bereit dazu, Mutter zu werden? Ich bin bin erst zwanzig. Raul ist einundzwanzig. Vom Alter her wären wir zwar soweit. Aber sind wir es auch wirklich? Ich meine, das Alter hat ja nichts zu sagen. Meine Freundinnen waren alle schon sexuell aktiv gewesen, bevor ich mein erstes Mal erlebt hatte. In manchen dingen hänge ich eben hinterher. Wobei; eigentlich passe ich nur besser auf. Schon lange vor Raul hatte ich sexuelles Interesse. Aber ich fand niemanden, der dafür in Frage käme. Die Jungs in meiner Klasse waren mir zuwider. Sie wollten nur Jungfrauen knacken. So hörte ich es, als ich mal an
ihnen vorbeiging. Aus Mums Tagebuch weiß ich, das sie keine guten Erfahrungen gemacht hatte, bevor sie meinen Vater traf. Ihr erstes Mal war nicht, woran man sich gern erinnert. Da hatte ich Glück. Raul und ich waren beide Jungfrauen gewesen. Wollten beide miteinander schlafen. Hatten beide gewollt, das es so wird, das wir uns beide gern daran zurückerinnern, selbst wenn es bei dem einen Mal bleiben sollte. Nun sind wir verheiratet und ich erwarte ein Kind von ihm. Obwohl ich nicht weiß, ob ich bereit dazu bin Mutter zu werden und ob Raul dafür ist, Vater zu werden, habe ich schon einen Namen für das Kind.
Nämlich Dave, wenn es ein Junge wird und Jennifer, wenn es ein Mädchen werden sollte. Ich möchte, das meine Kinder die Namen meiner Eltern erhalten. Meinetwegen können es auch Doppelnamen sein. Den Namen meiner Mutter und seiner Mutter, beziehungsweise, den Namen meines Vaters und den Namen seines Vaters. Sie freuten sich mehr, als ich dachte. Gestern hatte ich Raul gestanden, das ich schwanger bin. Sofort erzählte er es seiner Mutter und am Abend gab es ein großes Fest. Alle waren eingeladen. Auch die Gäste. Es war sehr schön gewesen. So schön,
das ich keine Zweifel mehr habe. Ich will dieses Kind und ich will, das es in dieser Familie aufwächst. Denn sie ist so voller Liebe. Ich könnte heulen vor Glück. Und all das habe ich meinem Vater zu verdanken. Schließlich hatte er damals de Idee gehabt, hier her zu kommen. Wenn wir damals nicht hergekommen wären, hätte ich niemals Raul kennengelernt. Und auch nicht seine Familie. Ich bin so glücklich, das ich die ganze Welt umarmen könnte. Noch glücklicher wäre ich, wenn meine Eltern noch leben würden. Aber leider... Rauls Familie ist wirklich sehr nett zu mir und sie behandeln mich, als würde ich zu ihnen gehören. Dennoch können
sie nicht meine Eltern ersetzen. Ich erinnere mich noch an meinen Papa, wie er mit mit zu dem Konzert ging. Meine Mutter fühlte sich zu alt dafür. Aber mein Papa fuhr voll auf die Boygroup ab. Hinterher hatten wir noch jede Menge Fanartikel gekauft. War das ein Abend gewesen. Ein Abend, den ich nie vergessen werde. Manchmal hatte mein Papa voll einen an der Klatsche. Wieso sonst kam er auf die Idee zwei Konzertkarten zu besorgen? Eine war für sich gewesen und die andere für mich, weil meine Mutter nicht mitgehen wollte. Normalerweise gehen Mütter mit ihren Teenytöchtern zu solchen Ereignissen und nicht Väter.
Mein Papa machte da die Ausnahme. Während des Konzertes flippte er voll aus. Das heißt, er machte die anderen nach. Kreischte herum und sang die ganzen Songs mit. Er war so was von Textsicher gewesen. Man erkannte gleich, das er Fan von denen war. Irgendwo war es schon peinlich gewesen. Aber andererseits hatte ich einen Megafun gehabt. Es war mein erstes Konzerterlebnis gewesen. Und so lange ich lebe, werde ich es in Erinnerung behalten. Bisher vertrage ich die Schwangerschaft sehr gut. Keine Spur von Morgenübelkeit und so. Ich kann nur hoffen, das es so
bleibt. Mein Spanisch ist jetzt fast so, als wäre es meine Muttersprache. Ich habe fast keinen Akzent mehr. Die verschiedenen R-Laute habe ich mir endlich verinnerlichen können. Dennoch wird Raul ihm/ ihr spanisch beibringen und ich deutsch. Es soll richtiges spanisch sprechen. Akzentfrei. Und es soll zweisprachig aufwachsen. Deswegen er spanisch und ich deutsch. Was schreibe ich eigentlich? War doch eindeutig, das unser Kind zweisprachig aufwachsen soll. Wieso wiederhole ich es so oft? So alt bin ich doch noch gar nicht. Es wird kein Kind. Jedenfalls kein
Einzelkind. Laut letztem Befund bekomme ich Zwillinge. Wie soll ich das Raul und seiner Familie beibringen? Müssen es ausgerechnet Zwillinge werden? Ein Kind hätte doch auch gereicht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, meine Liebe gerecht auf zwei Kinder zu verteilen. Vielleicht habe ich ja Glück und es werden Zweieiige Zwillinge. Ein Junge und ein Mädchen. Dann hätte ich schon die perfekten Namen. Dave und Jennifer. Raul ist damit einverstanden. Wir hatten darüber geredet. Ein ausführliches Gespräch geführt. Er weiß, wie viel es mir bedeutet, das unsere Kinder die Namen meiner Eltern tragen. Auch seine Familie
weiß es. Sollten es aber ein zwei Jungs oder zwei Mädchen werden, dann wird ein Kind den Namen meiner Eltern tragen und das andere Kind bekommt den Namen seiner Eltern. Wir haben aber auch schon über Doppelnamen gesprochen. Sind uns aber nicht ganz sicher deswegen. Jennifer Ixtaro Highins Hernandez oder Ixtaro Jennifer Highins Hernandez. - Ich weiß, das da Striche über den Buchstaben fehlen. Aus Faulheit lasse ich sie weg. Dave Gervaso Highins Hernandez oder Gervaso Dave Highins Hernandez? Mit oder ohne Bindestrich? Da wir in Spanien sind, wäre es besser, wenn erst der spanische Name genannt und jener
auch als Rufname genommen wird. Bis zur Entbindung ist ja noch Zeit. Vielleicht finden wir bis dahin eine Lösung, die uns allen gefällt. So weit ich noch aus dem Biologieunterricht weiß, ist Genmischung eine sehr gute Voraussetzung für kerngesunde Kinder. Rauls Familie hat, so weit ich bisher erfahren habe, keine Erbkrankheiten. Wie es bei meiner Familie aussieht, weiß ich nicht so genau. Meine Eltern kann ich nicht fragen. Ansonsten kenne ich kein Familienmitglied. Die Eltern meiner Mutter waren schon weit vor meiner Geburt gestorben. Von Geschwistern und anderen Verwandten hatte sie nie
gesprochen. Über die Familie meines Vaters weiß ich noch weniger. Es kam nie zur Sprache. Weder wurden jemals seine Eltern erwähnt, noch andere Verwandte. Hatte er den Kontakt zu ihnen abgebrochen, oder waren sie alle tot? Ich werde es nie erfahren. Ich vermisse ihn so sehr. Er war der beste Vater gewesen, den ich mir vorstellen kann. Er war immer für mich da gewesen. Wie jeder Mensch, hatte auch er Fehler. Mein Vater gehörte zu der Sorte, die ihre Fehle einsahen. Die zugaben, wenn sie falsch lagen. Für meine Mutter war er der Mann gewesen. Er war ihr ein und alles. Jener Mann hatte ihr den Glauben an die Liebe
zurück gegeben. Mir hatte er alles bedeutet. Sein Ableben machte mir genauso zu schaffen, wie meiner Mutter. Aber einer von uns musste stark bleiben und die Fassung behalten. Ohne Mary Clarke hätte ich es aber auch nicht geschafft. Sie gab mir damals die Kraft, das ganze zu überstehen. Sie und Raul. Natürlich hatte ich ihm davon berichtet und er war sehr mitfühlend gewesen. Laberte keinen scheiß daher, sondern baute mich richtig auf. Er ist für mich das, was mein Vater für meine Mutter war. Ich liebe ihn. Mit jedem Tag ein Stückchen mehr. Nichts gegen Schwangerschaft. Aber ich
fühle mich einfach nur fett und aufgebläht. Ich kann gar nicht verstehen, warum Raul immer noch bei mir ist. An seiner stelle hätte ich schon längst das Weite gesucht. Nicht, weil ich immer fetter werde. Meine Launen sind sehr wechselhaft. In den letzten Tagen war ich ihn sehr oft angegangen, obwohl er gar nichts gemacht hatte. Ganz im Gegenteil. Er ist furchtbar lieb zu mir. So wie mein Vater damals zu meiner Mutter. Ich liebe es, wenn er sanft meinen Bauch streichelt. Jeden Abend cremt er ihn mir ein, um Schwangerschaftsstreifen vorzubeugen. Ob das wirklich hilft? Überzeugt bin ich davon nicht. Aber es fühlt sich gut an.
Unter seinen Händen schmelz ich einfach nur dahin und bereue, das ich ihn ungerechter Weise angefahren war. Hoffentlich hören meine Stimmungsschwankungen bald auf. Raul ist viel zu lieb zu mir, um angefahren zu werden. Ob Mama genauso zu meinem Vater war, als ich in ihrem Bauch heranreifte? Ich muss mir nochmal ihr Tagebuch durchlesen. Scheiße. Ich liege hier im Krankenhaus und heule mir die Augen aus. Jennifer hat die Geburt nicht überlebt. Und Dave befindet sich in Lebensgefahr. Es ist einfach nur schrecklich und grauenhaft. Über zwölf Stunden lag ich in den
Wehen. Soll das alles umsonst gewesen sein? Wir hatten uns doch so sehr auf unsere Kinder gefreut. Zuerst verliere ich meine Eltern, nun auch noch meine Kinder. Das Schicksal meint es nicht gut mit mir. Nach einer schönen Kindheit und Jugend,... Mir geht es einfach nur beschissen. Ich trauere um meine Tochter Jennifer und bete für meinen Sohn Dave. Wenn er auch noch stirbt, will ich auch nicht mehr leben. Meine Tränen sind versiegt. Die Liebe hat gesiegt. Dave lebt und ist wohlauf. Wie ich mich freue. Er sieht meinem Vater sehr ähnlich. Vielleicht bilde ich es
mir auch nur ein. Aber wenn ich in sein Gesicht sehe, erkenne ich meinen Vater wieder und ich muss wieder weinen. Warum musste Jennifer sterben? Meine geliebte Tochter. Es tut so weh, wenn ich daran denke. Ich habe so viel Liebe in mir. Die reicht locker für zehn weitere Kinder. Wieso durfte Jennifer nicht leben? Was hatte sie getan? Kann mir das jemand erklären? Ich muss aufpassen, das ich Dave nicht mit meiner Liebe erdrücke. Die Gefahr ist groß, da seine Schwester...Meine Tränen sind doch noch nicht versiegt. In Strömen fließen sie über mein Gesicht. Jennifer, ich vermisse
dich. Eine Woche ist es schon her, das ich Jennifer verloren habe. Seit einem Tag bin ich wieder zu Hause. Noch immer habe ich den Verlust von Jennifer nicht überwunden. Raul und seine Familie geben sich größte Mühe mich zu unterstützen und mir beizustehen. Es hilft mir sehr. Dadurch fühle ich mich verstanden und nicht allein. Ich sehe ihnen auch an, das sie mit mir leiden. Und ich weiß, das ich Jennifer nicht ewig nachtrauern kann. Das Leben geht weiter. So und auch so. Wenn ich nicht langsam zu mir komme und mich aufraffe, vernachlässige ich am Ende noch Dave.
Das darf nicht passieren. So sehr der Verlust meiner Tochter mich auch schmerzt, so darf ich nicht vergessen, das ihr Bruder überlebt hat und mich braucht. Er ist mein Sohn und ich liebe ihn. Langsam geht es bergauf mit mir. Ich helfe wieder tatkräftig mit. Die Arbeit tut mir gut und lenkt mich ein wenig ab. Mit Dave gibt es keine Probleme. Er schläft sehr viel und ist auch so ein ganz ruhiger Junge. Leider ist er aber nicht sanft zu meinen Nippeln. Es ist unglaublich, wie viel Kraft in dem kleinen Zwerg steckt. Wie stark er saugen kann. Wahrscheinlich werde ich
ihm bald die Brust abgewöhnen und ihm Fläschchen geben, um meiner Brustwarzen zu willen. Ich kann derzeit keinen BH tragen, weil dadurch meine Nippel noch mehr wehtun. Raul gefällt es zuzusehen, wenn meine Brüste frei, unter meinem extrem weiten Shirt, hin und her schwingen. Er bedauert, das er vorerst nicht ran darf. Vor allem, weil sie so aufgebläht sind. Aber jede Berührung fühlt sich sehr unangenehm an. So hatte ich mir das Stillen nicht vorgestellt. Raul ist missgestimmt. Gern würde er wieder mit mir Sex haben wollen. Aber derzeit habe ich absolut keine Lust darauf. Ich weiß nicht, woran es liegt.
Mein Bedürfnis mit Raul zu schlafen, ist gleich null. Es liegt aber nicht an ihm. Wenn ich sonst nicht viel weiß, so aber das. Ich liebe ihn noch immer und finde ihn auch anziehend, nur habe ich kein Bock auf Sex. Das Phänomen ist aber nicht einzigartig. Im Internet fand ich viele Seiten, wo es beschrieben wird. Viele Frauen hatten plötzlich keine Lust mehr auf Sex und können es sich nicht erklären. Was bei allen gleich war, ist, das sie alle nach einer Geburt plötzlich diese Unlust hatten. Nur mit dem Unterschied, das sie vorher schon mindestens ein Kind zur Welt gebracht hatten. Ich hatte erst...Gut, es waren zwei Kinder, aber es war meine erste
Schwangerschaft gewesen. Die Frauen im Internet hatten ihre zweite oder dritte Schwangerschaft hinter sich. Manche sogar noch mehr. Wie es wohl bei meiner Mutter gewesen war? Laut ihrem Tagebuch hielt ihr sexuelles verlangen, nach meiner Geburt, an. Ob es aufgehört hätte, wenn sie noch eins bekommen hätte? Ich habe mich dazu überwunden mit Raul zu schlafen. Lust hatte ich keine verspürt. Aber ich wollte ihn nicht noch länger hinhalten und riskieren, das er mich verlässt. Das Gefühl, ihn in mir zu spüren, war eher unangenehm. Ich weiß selbst nicht warum, wünschte aber, es
wäre anders. Raul war immer noch der gutaussehende Typ, in den ich mich vor Jahren verliebt hatte. Der einzige Unterschied war, das ich keine Lust hatte mit ihm zu schlafen. Woran lag das? Als er eingeschlafen war, weinte ich heimlich. Er war so ein guter Mann. Ich liebe ihn. Liebe ihn sehr. Warum verspüre ich nicht mehr das Verlangen, wie vor der Geburt unserer Zwillinge? Habe ich den Tod von Jennifer immer noch nicht überwunden. Liegt es daran? Oder hat es einen anderen Grund? Wie gern würde ich mit Raul wieder den leidenschaftlichen Sex haben wollen, wie vor der Geburt unserer
Zwillinge. Etwas Schreckliches ist passiert. Ich getrau mich gar nicht es hier reinzuschreiben, weil ich angst davor habe, das Raul es eines Tages heimlich liest. Aber ich muss es jemanden beichten. Heute kam ein neuer Gast. Ein Deutscher. Seine Augen strahlten so blau, wie das Meer an einem wunderschönen Sommertag. Durch sein Shirt, das hauteng an ihm lag, konnte ich seinen Sixpack sehen. Dieser Typ sieht einfach nur Hammer aus und ich erwischte mich dabei, wie ich ihn mir nackt im Bett
vorstellte. Raul war sehr überrascht, als ich mich an ihn kuschelte und heiß machte. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte richtig Lust gehabt. Jedoch dachte ich dabei die ganze Zeit an unseren neuen Gast, seinen strahlendblauen Augen und seinem herrlichen Sixpack. Ich fühle mich, als hätte ich Raul betrogen. Die ganze Nacht habe ich kaum geschlafen, weil mich mein schlechtes Gewissen plagte. Hoffentlich liest Raul nie dieses Familientagebuch. Wenn ich mir vorstelle… Heute habe ich ihm Tee auf sein Zimmer
gebracht. Kamillentee. Du wirst es nicht glauben, aber in seinem Bett lag noch jemand. Keine Frau, sondern ein Mann. Optisch auch ein Hingucker. Ein richtiger Hengst, um ehrlich zu sein. Ich konnte wirklich alles sehen, da er nackt im Bett lag und nicht zugedeckt war. Sein Kopf lag auf seinem Sixpack, also dem Typen, der mich zuerst scharf gemacht hatte und sich anscheinend etwas zugezogen hatte. Der Anblick dieser zwei Hengste machte mich ganz wuschig und...irgendwie geil. Daher zog ich mich schnell zurück und rannte zu Raul. Wir trieben es zwischen der Dreckwäsche. Zum Glück sind unsere Gäste sauber, sonst hätten wir uns was
anderes suchen müssen. Raul bedankte sich mehrfach bei mir, für den Sex und wollte wissen, woher die Lust kam. Ich sagte ihm, das ich es nicht weiß, das es ganz plötzlich über mich kam. Ich weiß, das ich nicht ganz ehrlich zu ihm war. Das schlechte Gewissen nagt an mir. Aber die Wahrheit kann ich ihm nicht sagen. Er würde nur eifersüchtig werden.
Wir waren heute beim Kinderarzt gewesen. Vorsorgeuntersuchung. Dave ist kerngesund und entwickelt sich seinem Alter entsprechend. Er ähnelt immer mehr meinem Vater. Vor allem seine Augen und sein Mund, erinnern mich
sehr an ihn. Ich frage mich, wohin wir gehen, wenn wir gestorben sind. Sind wir dann wirklich nur ein Haufen Staub, oder gibt es ein Leben danach? Immer wieder stelle ich mir diese Fragen, wenn ich meinen Sohn ansehe. Manchmal habe ich das Gefühl, das ich durch die Arbeit mein Kind vernachlässige. Rauls Eltern sind nicht mehr die Jüngsten und wir nehmen ihnen immer mehr Arbeit ab. Dafür kümmern sie sich desto inniger mit ihrem Enkel. Ich sehe es ihnen an, wie viel Freude es ihnen bereitet. Sie sind richtig stolz auf ihren Enkel. Ich hoffe, das ich keinen Fehler damit machte, ihn von Geburt an zweisprachig
aufzuziehen. Ab und zu bekomme ich mit, das er Worte durcheinander bringt. Sein Spanisch klingt daher manchmal sehr seltsam. Ob er die Pension eines Tages fortführen wird? Rauls Eltern haben sie in den achtzigern gemeinsam aufgebaut. Nun ziehen sie sich immer mehr aus dem Geschäft zurück und übergeben uns das Ruder. Sie haben vollstes Vertrauen zu uns und bisher war jeder Gast zufrieden mit uns. Beschwerden gab es bisher nur wegen dem Wetter. Vor allem die deutschen Touristen kommen mit dem Glauben hierher, das in Spanien immer die Sonne scheint und der Himmel stets blau ist. Zum Glück sind nicht alle so
naiv. Die Meisten wissen, das es bei uns auch mal stürmisch zugehen kann. Hauptsächlich außerhalb der Hochsaison. Einige Gäste kommen am Liebsten außerhalb der Sommerferien, um die Ruhe und einen ungestörten Blick aufs Meer und die umgebende Natur zu genießen. Mir persönlich sind diese Zeiten auch die Liebsten. Wir haben dann zwar nicht so viele Einnahmen, dafür aber ein innigeres Verhältnis zu unseren Gästen und mehr Freizeit. In der Hauptsaison komme ich so gut wie nie zum Baden, obwohl der Strand nah ist. Tagsüber bin ich mit der Pension beschäftigt und abends meist zu kaputt, um noch an den Strand zu gehen.
Trotzdem möchte ich das alles nicht aufgeben. Mir gefällt es hier. Raul ist immer noch der Knackarsch, in dem ich mich vor Jahren verliebt habe und seine Eltern sind die besten Schwiegereltern, die man sich wünschen kann. Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen. Nachdem ich von meinen Eltern geträumt hatte, war ich schweißgebadet aufgewacht und konnte nicht wieder einschlafen. Von was genau ich geträumt habe, weiß ich nicht. Das Einzige, was mir in Erinnerung blieb, ist, das ich meinen Eltern begegnet war und es sich sehr real angefühlt hatte. Ich habe mir das Tagebuch
vorgenommen und Seite für Seite gelesen, was meine Mutter geschrieben hat. Dabei kamen längst vergessen geglaubte Erinnerungen wieder hoch. Zum Beispiel hatte ich völlig vergessen, das ich mit meinem Vater auf einem Teeniekonzert gewesen war. Dabei war es mein erstes und schönstes Konzerterlebnis gewesen. Es war nicht nur riesig gewesen, meine Liblingsboygroup live zu erleben, sondern auch meinen Vater zu sehen, wie er voll abgeht. Jeden Song konnte er mehr oder weniger mitsingen. Mit Sprachen hatte er es nicht so gehabt. Aber zwischen all den Teenagern, war das gar nicht aufgefallen, das mein Vater
manchmal falsch sang. Was aber immens aufgefallen war, war die Tatsache, das er der einzige männliche Erwachsene zwischen all den Müttern und ihren Teenietöchtern war. Vor Konzertbeginn war es ihm schon ein wenig peinlich gewesen. Aber als die Jungs ihre ersten Töne von sich gaben, vergaß er alles um sich herum und genoss das Konzert in vollen Zügen. Sprang und sang und schien sich jung zu fühlen. Die Fanartikel, die wir hinterher gekauft hatten, liegen derzeit in irgendeinem Koffer. Völlig vergessen. Derzeit suche ich einen geeigneten Platz dafür. Es sind so ziemlich meine einzigen Erinnerungsstücke an
ihn. Oh Gott, er fehlt mir so sehr. Genauso, wie Mama. Sie waren immer für mcih da gewesen. Mit all meinen Problemen konnte ich jederzeit zu ihnen gehen. Sie haben sich immer Zeit für mich genommen. Ich kann mcih nicht entsinnen, das sie mich von ihnen jemals im Stich gelassen gefühlt habe. Gibt es einen Himmel, wo ich sie wiedersehen darf? Mein kleiner Dave hat heute nach meinen Eltern gefragt. Je mehr ich über sie sprach, desto trauriger wurde ich. Als Dave meine Tränen sah, schlang er seine kleinen Ärmchen um meinen Hals und schmiegte
sich an mich. “Ich hab dich lieb, Mama.”, hatte er mir auf deutsch ins Ohr geflüstert. Wir saßen eine ganze Weile so da. Hielten uns gegenseitig einfach nur fest und schwiegen. Am Abend holte ich wieder das Tagebuch hervor und las Mamas Zeilen zum X-ten Mal. Ich weiß nicht, wie oft ich es in den letzten Tagen und Wochen gelesen habe. Und immer wieder kommen mir erneut die Tränen. Immer wieder frage ich mich, warum sie so früh von mir gehen mussten. Mir hatte mal jemand gesagt: “Man ist erst richtig tot, wenn niemand mehr an diech denkt.” Wie lange hatte ich nicht
mehr an sie gedacht? Wie konnte ich nur aufhören an sie zu denken?
Raul hat mich “beurlaubt”. Er meinte, das ich mich für eine Weile zurückziehen soll. Im Moment haben wir nur zwei Gäste und die sind Pflegeleicht. Natürlich war es ihm nicht entgangen, das ich in den letzten Tagen viel mit meinen Gedanken woanders war. Um wieder Kraft zu tanken, habe ich mir ein Zelt besorgt und bin in das nächstgelegene Waldgebiet gewandert. Es ist ziemlisch frisch, aber ich spürte schon beim Zeltaufbau, das mir die Ruhe und Abgeschiedenheit gut tut. Außer dem Zelt, dieses Tagebuch und
zwei Kanister Wasser, habe ich mir nichts mitgenommen. Ich möchte in den nächsten Tagen meinen Geist und meinen Körper “reinigen”. Denn ich fühle mich nicht nur geistig unwohl, sondern auch körperlich. Drei Tage bin ich schon hier. Mir geht es ausgesprochen gut. Trotz Fastens, verspüre ich kein Hungergefühl. Dennoch fühle ich mich fit, wie ein Turnschuh. Heute Morgen habe ich meditiert. Es war unglaublich. Hinterher fühlte ich mich leicht und glücklich. Ich glaube, ab sofort werde ich jeden Tag meditieren. Die Tage vergehen schnell. Zu schnell, meinem Empfinden nach. Am Liebsten
würde ich noch viel länger hier bleiben und die Ruhe genießen. Ich fühle mcih irgendwie mit der Natur verbunden. Aber ich vermisse meinen Schatz und meine Familie. Ein wenig fehlt mir auch die Arbeit in der Pension. Wenn es die Zeit zulässt, werde ich nächstes Jahr wiederkommen. Ein wenig Wehmut machte sich in meinem Herzen breit, als ich mein Zelt abbaute. Doch empfand ich auch Freude, da mir die Natur geholfen hatte, das es mir wieder gut geht. Und ich empfand Freude. Die Freude, meine Familie wieder in meine Arme schließen zu können. Sie hatte mir sehr gefehlt. Dabei
war ich gerade mal fünf Tage von ihnen getrennt gewesen. Als ich meine Familie in meine Arme genommen hatte, platzte Raul mit einer gigantischen Überraschung heraus. Er hatte zwei Karten. Ich traute meinen Augen und Ohren nicht, als er mir das sagte. Genau an unserem Hochzeitstag würden meine Teenagerhelden in Madrid ein Konzert geben. Auch wenn ich schon längst aus dem Alter raus bin, höre ich sie mir immer noch sehr gern an. Beim Durchlesen des Tagebuches habe ich gesehen, wie meine Mutter schrieb, das die Jungs damals an die vierzig waren. Das stimmt aber nicht. Sie waren um einiges jünger. Jetzt sind sie um die
vierzig und ich freue mich riesig, das es sie noch gibt, das sie immer wieder neue Alben rausbringen. Die Jungs haben es immer noch drauf und ich steh noch voll auf sie.
Ich hatte, ehrlich gesagt, Tränen in den Augen, als er mir die Karten vor die Nase hielt. Raul kann damit nichts anfangen; es ist nicht seine Welt. Er hat es nur für mich getan, weil er mich so sehr liebt. Ich kann es kaum erwarten, die Jungs wieder live zu erleben.