Der Wichtel
Wichtel Eric Hemli ging durch den Wald. Es war schon winterlich kühl und einzig sein Pfeifchen war heiß geworden, weil sich der Wichtel so freute. Sein Ziel war das Blockhaus am Rande des Waldes.
Jedes Mal zur Weihnachtszeit war das Ferienhäuschen von der Familie Soderquist angemietet. Das Häuschen war praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Es hatte an der Südseite genügend Holz gestapelt, denn Strom gab es nur spärlich. In einem Schuppen, der etwas abseits lag, werkelte ein kleiner Generator. Er erhitzte auch einen Wasserkessel und mit Mühe reichte es noch für die Versorgung zweier Glühbirnen.
Das gewonnene Warmwasser reichte aber immer nur für eine Katzenwäsche. Die Küche hatte einen alten mit Holz befeuerten Herd, in dem der Weihnachtsbraten unvergleichlich wurde, weil Helga nicht nur eine gute Mutter für die beiden Kinder Sven und Annika war, sondern auch eine hervorragende Köchin.
Ach, es würde wieder so schön sein wie jede Weihnacht.
Eric würde es sich vor dem offenen Kamin gemütlich machen, sein Pfeifchen am Kopf des Bärenfells ausklopfen, genauer gesagt an einem Reißzahn, und so die Weihnachtszeit genießen.
Bei Soderquists hatte er immer genug zu tun gehabt. Bella war ein aufgewecktes Hündchen, aber Eric musste ihr immer wieder
helfen zur Hütte zurückzufinden, weil sie sich vor lauter Begeisterung im Wald verlaufen hatte. Er hatte Helgas Plätzchen gerettet, die ansonsten angebrannt wären und er hatte sogar einmal einen Zimmerbrand verhindert, als Annika mit den Christbaumkerzen verbotener Weise gespielt hatte.
Ach, wie er sich freute.
Er erreichte das Blockhaus, dessen Schornstein schon rauchte. Papa Soderquist hatte wohl wieder die ganze Bude ein geräuchert, weil er immer zu ungeschickt war den Kamin richtig anzuheizen. Bella kläffte vergnügt und Annika sammelte Tannenzapfen. Da fiel dem Wichtel ein Stein vom Herzen. Alles war so wie früher.
Mit Grauen dachte er an die letzten vierzehn
Tage zurück.
Was war das für ein Horror gewesen!
Es hatte nämlich ein neuer Mieter das Blockhaus erobert. Die Familie hieß Jetsetström, der Bengel Lasse und die Frau Dronte, von dem Familienvater ganz zu schweigen, der nicht nur hektisch, cholerisch und unleidlich war, sondern auch noch auf den Vornamen Snorre hörte.
Als Hemli vor 14 Tagen aus dem Wald kam, sah er schon von Weitem, dass alles anders war. Der Schornstein rauchte nicht und ein hässliches, großes Gestell stand im Strauchgürtel, dem Übergang zur weiten Wiese. Das Gestell hatte eine Art Deckel, der
wie ein Spiegel aussah und doch keiner war. Auf dem Dachfirst hatte jemand eine übergroße Suppenschüssel angebracht.
Eric Hemli schüttelte den Kopf.
Was war denn hier los?
Wie üblich wollte er sich durch das alte Türschloss zwängen, das können Wichtel nämlich, aber das ging nicht.
Ein neumodisches Zylinderschloss ließ auch einen Wichtel nicht durch kommen.
Dammich!
Endlich ging die Türe auf und Snorre stapfte hinüber zum Schuppen und grummelte grässlich vor sich hin.
"Das Scheiß Internet funktioniert immer noch nicht richtig und die Ölradiatoren haben noch nicht genügend aufgeheizt. Nun auch noch
kaltes Wasser! Es ist zum aus der Haut fahren!"
Und weil Snorre gerade so gut in Fahrt war, folgte ihm der Wichtel unauffällig.
Ob Snorre genauso Mühe hatte den kleinen Generator anzuwerfen, wie vorher Papa Soderquist? Als Snorre fluchend werkelte, sah sich Hemli im Schuppen um.
Was war denn das?
Das Bärenfell lag zusammen gerollt in der Ecke? Das Hirschgeweih lag traurig am Boden, wo es doch über die Türe der Stube hin gehörte. Er hatte sich oft mit dem Geweih, dem Kopf unterhalten, denn der war in die Sprache der Wichtel eingeweiht.
Wie Eric sehen konnte, hatte Jetsetström alles richtig gemacht, sämtliche Hebel und Ventile
richtig eingestellt. Anscheinend hatte ihm ein Zettel in der Hand alles verraten. Der Generator musste zwangsläufig anspringen. "So nicht", dachte sich Hemli erbost.
„Wenn du so mit meinem Freund, dem Hirsch umgehst, dann aber...“
Der Motor sprang an. Snorre murmelte: „Wenigstens etwas“ murmelte Snorre und trottete von dannen. Der Wichtel wartete ein Weilchen ab, dann schloss er den Benzinhahn.
Schnell folgte er Snorre, damit er noch mit ihm durch die Blockhaustüre hindurch wischen konnte.
Drinnen musste Hemli weitere Überraschungen hinnehmen. Der Kamin hatte nun eine vordere Glaswand, dahinter flackerte
irgendein künstliches Licht, das wie Feuer aussehen sollte. Das Bärenfell war weg und ein komisches Gefährt rollte durch die Gegend und saugte. Der Wichtel musste öfters zur Seite springen. Das Ding nahm einfach keine Rücksicht.
Snorre schimpfte in der Küche.
„Liebe Dronte, das weiß ich, dass dieser vorsintflutliche Herd Holz braucht. Das ist ja hier wie bei den Neandertalern! Geht wenigstens die Mikrowelle?“
„Welche Mikrowelle?“
„Dem Vermieter zeige ich es“, rief Papa Jetsetström erbost. Er hatte das Satellitenhandy am Ohr.
„Das ist doch hier eine Bruchbude“, schimpfte er. "Sie wollten doch 'back to the Roots'. Sie
haben ihre Ruhe und Stille“, rechtfertigte sich der Verwalter.
„Scheiß Stille“, brüllte Snorre zurück. "Hier funktioniert nichts!“
„Es ist eben sehr einfach gehalten, wie sie es wünschten.“
"Einfach ja, aber doch nicht vorsinnflutlich!"
Die aufmerksame Ehefrau Dronte mischte sich ein.
„Du Snorre, das Licht ist auch ausgegangen. Vielleicht der Generator.“
"Alles marode! Und wenn wir nicht noch ein Solarpaneel mitgenommen hätten, hätten wir nicht einmal Strom für den Saugroboter!"
Snorre hörte zu, dann schrie er.
„Und nicht einmal schnelles Internet! Gar keines! Nur die Satellitenschüssel, und die
habe ich mitbringen müssen!" Keine Antwort.
„Mensch, der hat einfach aufgelegt, stell‘ dir das vor!“
Dronte wagte zu wispern. „Wenn du kein Holz holst, dann gibt es auch kein Essen."
Der Wichtel Eric folgte Snorre nach draußen, hatte sich aber diesen lästigen Sauger geschnappt. Er setzte den kleinen Roboter hinter einer Baumwurzel aus, damit er auch mal frische Luft schnappen konnte, anstatt sich dauernd am Staub zu verschlucken.
Dann sah Hemli zu, wie Snorre den Korb mit Holzscheiten füllte. Da legte Eric die Scheite wieder flugs zurück. Snorre ärgerte sich. „Das gibt’s doch nicht! Wie kommt es, dass der Korb immer noch leer ist. Ich werde hier noch irre. Lasse“, schrie er, „komm sofort herunter!“
Lasse kam müde heran geschlurft. „Der Laptop hat keinen Saft“, maulte er.
„Das ist jetzt egal. Du kannst hier auch einmal was tun. Mach den Korb voll und bring‘ den Korb in die Küche zu deiner Mutter.“
„Der Korb ist leer.“
„Klar ist der leer, deshalb mach hinne, lade das Holz auf und zwar ziemlich zügig“, befahl Snorre und stampfte zornig in das Blockhaus zurück.
Diesmal mischte sich der Wichtel nicht ein, hockte sich auf den gefüllten Korb und kam so wieder mit Lasse in das Haus. Da konnte er gerade noch Dronte schimpfen hören.
„Wie soll ich denn abwaschen, wenn ich kein warmes Wasser habe.“
„Wieso? Das erledigt doch der Generator im
Schuppen“, erklärte Snorre.
„Das Wasser ist aber kalt!“
„Himmel nochmal, was für ein elendes Kabuff. Jetzt langt es aber!“
„Papi, der Saugroboter is‘ weg“, mokierte sich Lasse. „Dann such ihn, Bengel. Und außerdem kannst du am Weihnachtsbaum aus grünem Draht die LED Lichterkette schon mal anbringen“, schnauzte Snorre und stapfte wieder hinaus in Richtung Schuppen.
Beim Schuppen wollte Elric dabei sein. Also schlich er dem Hausherrren nach.
Snorre untersuchte die Leitungen, Hebel, Ventile. Dann fand er, dass der Benzinhahn auf geschlossen stand. "Ich hatte doch..“, murmelte er. Um den Benzinhahn umzulegen,
musste er sich bücken und da rammte er sich die elfte Geweihspitze des Zwölfenders in sein Gesäß.
Hemli hatte das Geweih genau richtig positioniert.
Snorre schrie wie am Spieß, obwohl es eigentlich nur ein Piekser gewesen war.
In Windeseile waren Lasse und Dronte herbei gestürmt. „Hast du dich verletzt?“
„Nein, ich schreie nur, damit das Wasser warm wird, ihr Dödel. Da, das blöde Geweih!“
Lasse kicherte. "Reiz mich nicht", rief Snorre. „Jetzt setze dich erst einmal.“
„Ich will nicht, mein Hintern!“
Sie gingen zum Blockhaus zurück, aber die Türe war zu. Hemli hatte dafür gesorgt.
„Das ist hier ein Irrenhaus!“
„Mir ist kalt. Die Finger wie Eis, wie soll ich da noch gamen.“
„Ruhe, Lasse, wir müssen erst einmal wieder ins Haus kommen.“
Schließlich lagen Snorre und Dronte im Bett. Es war stockfinstere Nacht.
„Das hat Lasse toll gemacht, nicht? Wie er über das Dach in die Luke geklettert war, das war doch echt super.“ Snorre hatte keinen Sinn für Heldentaten. „Ich kann nicht einschlafen, nicht mal ein Kopfkissen.“ Das Kopfkissen hatte er nämlich um das Gesäß mit einem Gürtel fest geschnallt, zur Polsterung.
Eric, der Wichtel hatte inzwischen den Wolf Zebur herbei gerufen.
„Und nun, schön heulen!“
Der Held des Tages, Lasse, bibberte im Bett vor Angst und lief zu seinen Eltern.
„Die Wölfe“, rief er, „sie werden uns fressen. Hast du nicht eine Knarre?“
Snorre hatte nicht.
"In jedem Baller-Game gibt es Werwölfe", jammerte der Sohnemann.
"Wir brauchen was zum Ballern!"
Wenigstens hatten sie Taschenlampen. Dronte beruhigte Lasse, aber an Schlaf war nicht mehr zu denken. Das Heulen war furchtbar und gefährlich. Die Schlafzimmertüre wurde verbarrikadiert und draußen gab sich Zebur alle Mühe so laut wie möglich zu heulen, denn Eric feuerte ihn ordentlich an.
Am Tag darauf waren die Batterien der Taschenlampen leer, die Familie Jetsetström am Ende ihrer Kräfte.
Sie reisten ab und eine Woche später brachte ein Traktor mit Hänger das Solarpaneel, die SAT Anlage, den Gaseinsatz für den Kamin weg. Auch das alte Türschloss wurde wieder eingebaut. So konnte Eric das Haus wieder herrichten, wie es immer schon gewesen war. Das Geweih bekam seinen Platz und das Bärenfell war wieder in der Stube vor dem Kamin.
"Ja, ja, so war das gewesen", seufzte der Wichtel zufrieden und klopfte seine Pfeife am Bärenzahn aus.
Jetzt waren die Soderquists wieder da, die sich so gefreut hatten, dass es doch noch geklappt hatte das geliebte Blockhaus über Weihnacht zu mieten.
Es war überraschender Weise doch noch frei geworden.
Sie hatten sogar von Anfang an warmes Wasser. Papa Soderquist hatte sich mit dem Generator keine Mühe geben müssen, denn der lief bereits, dem Wichtel sei Dank.
Der Kamin prasselte und die Familie Soderquist saß auf dem Sofa.
Wie immer zur Weihnachtszeit las Helga eine Geschichte über Wichtelmännchen vor und Eric Hemli spuckte vor Freude in die Glut, so dass es lustig zischte.