“Ah, du bist so schön! Was für ein Augenschmaus!“ Es ist ein Paradox, wie unsere Lügen unsere Gemeinschaft zusammenhalten und wie Menschen sich besser fühlen, wenn sie täglich belogen werden! Ob Lügen in bestimmten Situationen gerechtfertigt werden können und ob die Fähigkeit zu lügen als eine Stärke oder eine Schwäche angesehen werden sollte, können wir kaum feststellen. Wie Herr Voland einmal sagte: „Licht könne
nicht ohne Schatten und Schatten nicht ohne Licht existieren“.
So ist es mit Lügen. Alles, was wir in unserem Leben für richtig und falsch halten, lässt sich schließlich nur durch Kontrast erkennen. Wie könnten wir Wahrheit als Wahrheit ansehen, ohne Lügen erlebt zu haben? Wie könnte eine Lüge ohne Wahrheit als etwas Schlechtes betrachtet werden? Das wäre wahrscheinlich die Wahrheit selbst! Dann hätte man dafür
eine ganz andere Bezeichnung. Dann hätten wir ein ganz anderes Leben. Dann wäre alles einfach anders…
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Die Menschen glauben viel leichter eine Lüge, die sie schon hundertmal gehört haben, als eine Wahrheit, die ihnen völlig neu ist.
Alfred Polgar
Etwas, was im Kern
falsch ist, aber hundertmal wiederholt wird, wird automatisch zur Wahrheit. Angst von etwas Neuem zu haben ist vollkommen menschlich. Wir haben unsere tierischen Instinkte verloren und vertrauen uns selbst nicht mehr. Stattdessen haben wir uns eine endlose Welt ausgedacht, die Welt voller Bedingtheiten, Vieldeutigkeiten und Wortspielen. Selbst Bücher könnten als eine Illusion angesehen werden. Selbst die
Bilder im Louvre sind ein Betrug. Realismus? Impressionismus? Modernismus? Wahnsinn! Das ist einfach Farbe auf dem Leinen und das sind nur schwarze Häkchen auf dem Papier. Und wir Menschen glauben, dass sie einen Sinn ergeben. Wir denken uns fiktive Menschen aus, die zu alledem ihre eigenen Gedanken haben! Was ist Lügen? Wir wissen das nicht. Wir lassen uns von einer bestimmten Tendenz leiten. Was heute falsch ist, könnte morgen zur
Wahrheit werden.