Vorwort
Hallo zusammen,
die/der ein oder andere kennt mich und dieses Projekt bereits. Ich befinde mich in der Überarbeitungsphase des Buches und würde es danach gerne offiziell verkaufen. Die aktuelle (und noch recht unausgegorene Fassung) steht bereits online als Kaufversion zur Verfügung.
Ich möchte aber ein richtig gutes Werk in den Handel bringen und freue mich daher über jede Anmerkung, jeden Kommentar und Hinweis auf Fehler oder
Verbesserungsvorschläge. Ich freue mich darauf alte Bekannte wiederzusehen und neue Bekanntschaften zu schließen.
Euer Christian
Nov. 2017
1. Der Kollektor
Tief einatmen.
Die Freiheit fühlen.
Meine Augen sind geschlossen.
Um mich herum herrscht absolute Stille.
Ein paar Schweißperlen sammeln sich auf meiner Stirn, und laufen mir die Wangen hinunter. Mein Puls schlägt spürbar in meinem gesamten Blutkreislauf. Ich spüre jeden einzelnen Herzschlag, durch meinen Körper jagen.
Das einzige wahrnehmbare Geräusch
erzeugen meine Laufschuhe. Sie rollen sich rhythmisch knirschend vom Boden ab, nur um gleich darauf wieder mit sanftem Stoß auf dem Feldweg aufzusetzen. So tragen sie mich immer einen weiteren Schritt voran.
Ich laufe gerne über die Äcker. Man sieht wenig Menschen und bis auf einzelne Traktoren herrscht kein Verkehr. Hier und da springen Rehe und Hasen aus dem hüfthohen Gras und flüchten vor mir und meinen grellbunten Brooks Laufschuhen.
Nach Feierabend zieht es mich raus in die Natur. Das ist meine Zeit, um den Kopf frei zu kriegen. Eine Stunde, die nur mir gehört. Eine Stunde, um alle
Gedanken zu sammeln und der Reihe nach abzuarbeiten, abzulegen oder zu verwerfen. Zeit und Ruhe, Gedankenspiele zuzulassen, die sonst im Alltag keinen Platz finden.
Ich bleibe stehen, um einmal tief durchzuatmen und mich zu strecken. Sieben Kilometer habe ich bereits hinter mir, da werden die Abstände zwischen den Pausen schon mal kürzer und die Pausen länger. Ich befinde mich auf einem erhöhten Feldweg, sozusagen einem Grat, inmitten einer hügeligen Feldlandschaft. Dutzende dieser Feldwege durchziehen die Landschaft. Teils sind sie befestigt, teils sind es einfach nur Traktorspuren, welche sich
durch knöchelhohes Gras ziehen, wie kleine parallel laufende Bäche.
Links von mir befindet sich ein Feld mit irgendeinem Getreide, rechts von mir erstreckt sich ein ausladendes Maisfeld in voller Blüte. Es ist Hochsommer und die Felder stehen kurz vor der Ernte. Aus den Kopfhörern in meinen Ohren dringt gerade U2 „Cemetries of London“. Das ist ein großartiger Song, welcher sich ideal mit meinem Lauf-Rhythmus zusammenfindet. Mit tiefen Zügen fülle ich meine Lunge, mit möglichst viel Sauerstoff, als Vorbereitung zum Weiterlaufen. Einen Augenblick genieße ich den Moment noch, bevor ich langsam wieder antrabe. Meine von Schweiß
rutschigen Finger fummeln an den winzigen Regelertasten, um die Lautstärke in den Kopfhörern hochzudrehen. Meine Schritte finden wieder den Rhythmus des Songs. Durch die Bewegung streicht Wind über meine verschwitzten Stellen am Rücken, und erfrischt mich überraschend angenehm.
Aus den Augenwinkeln glaube ich eine Bewegung hinter oder neben mir wahrzunehmen. Neugierig drehe ich meinen Kopf zur Seite, ohne mein Tempo zu verlangsamen. Mit der Fernbedienung an den Kopfhörerkabeln stelle ich den aktuellen Song auf Pause und bündle meine gesamte Konzentration auf meine Gehör. Es sind aber weder
Traktormotoren, noch Fahrradklingeln zu hören. Ich erwarte den Anblick eines mir zugewendeten Hasenpopos, der hakenschlagend das Weite sucht. Aber außer dem sanft im Wind wiegenden Getreide und Mais bewegt sich nichts. Ich laufe weiter, und erkläre mir die vermeintliche Bewegung mit einem Schweißtropfen, der mir am Auge vorbeigelaufen sein muss. Noch bevor ich wieder meine volle Laufgeschwindigkeit erreiche, bohrt sich ein Pfeil direkt links vor mir in den Acker. Die gleiche Bewegung, wie ich sie kurz zuvor dachte wahrgenommen zu haben. Diesmal ist es definitiv keine Einbildung, oder ein Schweißtropfen.
Die Absurdität der Situation überfordert mich etwas, also bleibe ich stehen und versuche zu verarbeiten, zu begreifen, was ich da grade gesehen habe. Unsicher, was ich von all dem halten soll, starre ich den Pfeil regungslos einfach nur an.
Die augenscheinliche Machart des Pfeils fasziniert mich nachhaltig. Er sieht nicht aus, wie einer aus dem Spielwarenladen oder einem Profi-Sportgeschäft. Er sieht aus, wie man sich einen alten Pfeil aus der wilden Zeit der Indianer vorstellt. Etwas abgenutzt, echte Federn im Kiel und das Holz von der Sonne und der Zeit ausgebleicht und verwaschen.
Ich drehe mich ruckartig um, da mir gerade klar wird, dass jemand den Pfeil
auch abgeschossen haben muss, und erstarre in meiner Bewegung. Fassungslos erkenne ich einen Indianer, der auf meinem Feldweg völlig deplatziert wirkt. Wie weit ist er von mir entfernt? Vielleicht 20 Meter? Ich bin nicht sonderlich gut im Schätzen von Entfernungen. Es könnten auch 50 Meter sein. Sein linker Arm hängt lang an der Seite herab und hält locker umschlossen einen Bogen in der Hand.
Ich bin mir unschlüssig, was ich als nächstes erwarten sollte. Haben sich die Jungs einen peinlichen Scherz erlaubt? Hab ich einen Hitzschlag? Werde ich als Opfer eines Dorf-Psychopathen heute Abend die Nachrichten füllen?
Mit einer ruhigen und flüssigen Bewegung streckt der Indianer seine rechte Hand steil in den Himmel, und auf einen Schlag setzt in meinen Ohren ein betäubend lautes Dröhnen ein. Ich schließe im Reflex meine Augen, wie bei einer Migräneattacke, und versuche mich auf den Schmerz zu konzentrieren. Mit geschlossenen Augen bete ich, dass ich nicht verrückt werde und an wilden Halluzinationen leide. Der Schmerz in meinem Schädel geht etwas zurück. Mit geschlossenen Augen fühle ich mich jedoch ausgeliefert, unsicher und öffne sie vorsichtig, so schnell es geht wieder. Ohne darüber nachdenken zu können, mache ich einen kleinen Satz nach
hinten, denn der Indianer steht direkt vor mir. Nicht eine Armlänge von mir entfernt, bohrt sich sein Blick durch tote, schwarze Augen tief in mein Innerstes.