Was bleibt? (am Ende des Tages)
Familientreffen
Es kommt nicht oft vor, dass ich mich mit meinen beiden Brüdern und meiner Schwester gleichzeitig treffe. Das liegt nicht daran, dass wir uns nicht mögen, sondern weil wir ziemlich weit voneinander weg wohnen.
Wir Brüder sind in Deutschland verteilt, Und Anke wohnt seit 25 Jahren im Nordwesten der USA. Ich vermisse sie alle und deshalb genießen wir diese Treffen immer, wenn wir es tatsächlich mal geschafft
haben.
Wir haben immer viele Themen aber über eines reden wir immer: Unsere Erfahrungen mit Handschellen! Unser Vater war nämlich vor langer Zeit Polizist.
Ein Tag im Mai/Teil 1
„Puuuuh, das war knapp“, sagte Konny zu mir. Wir waren bereits ein eingespieltes Team. Konny war über das Wochenende zu Besuch gekommen und wir hatten am Montag und Dienstag jeweils unsere Vorlesungen geschwänzt.
Wir nahmen ihn in die Mitte, Konny rechts und ich links. Dann versuchten wir, ihn zurück zu bringen. Kurz vor der
Tür sah er uns an und sagte „Danke, Jungs“. Danach bugsierten wir ihn ins Schlafzimmer und legten ihn in sein Bett. Er hatte in 4 Monaten 50 Kilo abgenommen und sein ehemals schwarzes Haar war inzwischen weiß.
Wir vergewisserten uns, dass er auch nicht aus dem Bett fallen konnte.
Er sah Konny kurz an und sagte mit ernster Miene „Du bist ein Strolch, Dich werde ich auch noch verhaften“.
Konny und ich sahen uns an – „ist schon ok“, entgegnete Konny auf meinen Blick. „Papa weiß es nicht mehr“.
Wir gingen auf die Terrasse, es war ein angenehmer Frühlingstag. Ich zündete
mir eine Zigarette an, damals rauchte ich noch mehr als 50 Zigaretten am Tag, seit 28 Jahren bin ich Nichtraucher.
„Was würde ich dafür geben, wenn er uns tatsächlich noch einmal verhaften könnte“ sagte Konny, „alles wäre besser.“
Handschellen
Konny spielte darauf an, dass er als kleiner Junge „vorbeugend für einen Nachmittag“ von unserem Vater verhaftet und in Handschellen gelegt wurde.
Bei einem Familienfest unserer Tante Margarete hatte Konny beinahe erfolgreich versucht, den Geräteschuppen in ihrem Garten anzuzünden. „Guckt mal,
was ich gemacht habe“, zeigte er der Festgesellschaft freudig, die ebenfalls im Garten saß. Zum Glück war das Feuer noch nicht auf brennbare Materialien übergesprungen, so dass es sich umgehend mit Decken löschen ließ.
Das „Familiengericht“, bestehend aus einem Dutzend Erwachsenen, die beim Grillen gestört wurden, verurteilte ihn prompt in einem Garten-Standgericht einstimmig zu einer Stunde Handschellen, die unser Vater aus dem Dienst mitgebracht hatte. Er nahm die Strafe murrend an, wurde aber nach 30 Minuten wieder begnadigt. Natürlich war er unschuldig, was sonst?
„Besser als 30 Jahre“, lachte ich.
„Aber Du warst auch nicht schlecht“, stichelte Konny. Er traf damit allerdings bei mir einen wunden Punkt, den ich auch 5 Jahre danach immer noch nicht überwunden hatte.
Ende Kapitel 1