Gedichte
Partus mortuus

0
"kaum Zeit gehabt zu existieren, doch da gewesen um zu schweigen."
Veröffentlicht am 26. August 2017, 6 Seiten
Kategorie Gedichte
http://www.mystorys.de
kaum Zeit gehabt zu existieren, doch da gewesen um zu schweigen.

Partus mortuus

partus mortuus

Ein Tagebuch vom Unglück geschrieben, Stacheldraht ragt besudelt mit Geronnenem aus einem halb gewachsenen Mund, erschwert das Atmen und friedliche Gedanken, Rabenfedern bis zum Rand aufgezogen, Teer fließt lauwarm auf trüb modrig gepresstes Waldgut, schildert ungeschönt des verlorenen Kindes Plagenwege, getrennt vom sicheren Mutterfleisch, hinauf getragen zum Berg der Qualen. Ziegel um

Ziegel, geformt zu einem Lichtlosen Zimmer, in dem einsam kauert eine regungslose Kreatur, dessen Herz mit Hass verpestet, seine Sinne vom Tode berührt, der Spindeldürre Rumpf verwahrlost ist, Insektenfresser durch Körpermord geschädigt, dicke Narbenlinien durchziehen seinen mageren Hals, auf dem Berge toben Eis und Schnee, Höllengeflüster brodelt hoch zu zuckenden Schläfenlappen, klumpiger Unrat zum Wahn vergoren. Stinkende Haargewölbe verhängen ein

blindes Augenpaar, unheilbar traurig stehen rege Zweifel im Gesichtsgewirr, vollends entstelltes Hirn, beinahe nach außen gekehrt, dahin geschlachteter Lebensdurst, begraben im eigenen Kompost, in einer dicht bewachsenen Schattenwand, auf Gedeih und Verderben dazu verurteilt, immer wieder zu durchschreiten, den Unheil bringenden Hammerfall, welcher jenem schwachen Dasein, auch die letzten noch übrig gebliebenen Lichtschleier, geknüpft zu einem Galgen vor sein Haupt

gehängt, um ihn in den Nebel der absoluten Verderbtheit hinunter zu lassen, vorenthält und sie langsam tötet. Nirgends wartet Trost, nie zuvor gehörte Satzaufbauten erscheinen, wie von Teufelshand errichtet, ganz plötzlich auf dem Klagenpapier, salziges Wasser folgt ihnen hinterdrein, denn lesen kann diese jämmerlich misshandelte Gestalt sie nicht, nur in sich verborgen weiter tragen, erblindet, taub, zur endlosen Stille

verdammt, welche er zwar suchte, jedoch nimmer halten wollte, Gerüche wirbeln durchs Gestirn, alles gleich, alles vorbei, die Leere frisst das Menschlein auf, kaum Zeit gehabt zu existieren, doch da gewesen um zu schweigen.



Bildmaterial und Text © Gebeine 2017

0

Hörbuch

Über den Autor

Gebeine

Leser-Statistik
18

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
mohan1948 Gruselig
liebe Grüße
Hannelore
Vor langer Zeit - Antworten
Lindenblatt 
Lieber Andy,
während ich Dein Gedicht gelesen habe, hat sich mehr und mehr in mir ein Horror-Bildnis aufgetan. In gemalten Bildern oder auch Gedichten lassen sich dadurch tiefe und traurige Gefühle für eine gewisse Zeit verewigen.
Wie schön wäre es, wenn sich diese umkehren könnten, in fröhlichere Gedanken.
Lieben Gruß
Linde
Vor langer Zeit - Antworten
Gebeine Mir ist schon bewusst, dass viele meiner Texte Unbehagen verursachen können und sie dadurch auch weniger gelesen werden.
Ich finde es für mich selbst jedoch positiv, dass ich manchmal in der Lage sein kann, dieses Unbehagen hervor zu rufen.
Ein Kontra wird es zu diesem Gedicht wohl nicht geben, wie es bei vielen meiner Sachen der Fall ist.
Manchmal schlage ich auch über die Strenge, weil diese Themen in meinem Kopf spuken und raus müssen,da teile ich wohl mit Stephen King die gleiche Make :-) Positiv und fröhlich schreiben, dass müsste ich mir dann erst einmal aneignen, vielleicht in naher Zukunft, einen Versuch ist es, denke ich wert,es wird aber nicht leicht, da ich es liebe, mit der Dramatologie zu spielen und sie auf die Spitze zu treiben. Ich freue mich trotzdem, dass du Zeit und Lust für diesen Text da gelassen hast.
Vielen Dank.
LG Andy
Vor langer Zeit - Antworten
Nurbat Ich schließe mich den beiden an: Sehr finster und düster. Aber eben auf diese Weise hat es mich beeindruckt. LG
Nurbat
Vor langer Zeit - Antworten
Gebeine Danke sehr.
Grüße Andy
Vor langer Zeit - Antworten
Kornblume Mir geht es ebenso wie Daxana,aber das weisst Du ja, weil ich schon öfter bei Dir gelesen und kommentiert habe. Auch dieses Gedicht ist voller Fragezeichen für mich.
Ein Lächeln, schickt die Kornblume
Vor langer Zeit - Antworten
Gebeine Auch an dieser Stelle danke für dein Interesse.
LG Andy
Vor langer Zeit - Antworten
daxana Hallo Gebeine.. ein seltsamer düsterer Name.
Deine Lyrik ist so voller Schmerz, einsam, lichtlos, trostlos, quallvoll, "mit Hass verpestet" und "unheilbar traurig"...
Ich würde gern wissen, was dir so Schreckliches widerfahren ist, dass du derart schmerzerfüllte Gedichte verfasst?
lg daxana
Vor langer Zeit - Antworten
Gebeine Hallo Daxana, auch ein interessanter Username.
Gebeine ist halt das, was übrig bleibt und meine Texte kann man mit diesem Pseudonym gut in Verbindung bringen, denke ich. Die Inhalte meiner Texte sind gewiss sorgfältig gewählt, auch scheue ich mich nicht, dass Ding beim Namen zu nennen, jedoch immer bemüht poetisch an die Sache ran zu gehen.
Jeder hat, oder hatte im Leben sein Laster zu tragen, der eine mehr, der andere weniger,.
Mehr möchte ich nicht dazu schreiben.
Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit,
LG Andy
Vor langer Zeit - Antworten
daxana Lieber Andy, bitte nicht falsch verstehen, es war auf keinen Fall als Abwertung gemeint - das würde ich nie wagen, noch an der Sorgfältigkeit deiner Arbeit zweifeln oder gar an deiner Sprache - sie ist einwandfrei. Deine Direktheit und der poetische Ausdruck sind ja gerade das, was fasziniert.
Ich wollte mein persönliches Empfinden der Stimmung in deiner Lyrik ausdrücken, wofür ich auch teilweise deine Ausdrücke aus dem Gedicht benutzt habe, und wollte wissen, woher diese viele Traurigkeit bei dir kommt.
Sorry, vllt. bin ich dir mit meiner Frage zu Nahe getreten, das wollte ich nicht.
lg daxana.
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
12
0
Senden

153931
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung