Die WEISSE FRAU AUS ETTLINGEN
Fast jeder kennt verschiedene weiße Frauen in den verschiedensten Sagen. Kaum jemand weiss, dass es auch in Ettlingen im Kreis Karlsruhe eine weiße Frau gegeben hat. Möglicherweise liegt das daran, dass diese nur ein einziges Mal in Erscheinung trat. Als eine Winzerin zu ihren Reben laufen wollte, kam ihr diese weiße Frau entgegen. Als die Winzerin ihr die Hand gegeben hatte, schrie sie auf. Ihre Hand war auf einen Schlag verbrannt und schwarz.
Niemand weiss wer die weiße Frau war, und wieso die Hand der Winzerin durch einen
Händedruck verbrannt wurde.
Die Ettlinger errichteten an der Stelle, an der die beiden sich begegneten, einen Bildstock, dennoch gehen die Ettlinger, die von der Sage wissen, mit Respekt und Angst an dieser Stelle vorbei. Manch einer meinte, auch schon die weiße Frau, aus einiger Entfernung gesehen zu haben. In Wirklichkeit war die weiße Frau damals selbst erschrocken, sie wollte niemanden verletzten. Sie wollte nur die Winzerin fragen, ob sie ein paar von den Trauben haben durfte.
Lange rätselte die weiße Frau selbst, wieso sie einer armen Winzerin die Hand verbrannte. Sie wusste nicht, dass sie schon lange tot war, und ein Fluch auf ihr lag. Sie hatte, als sie
noch lebte, einmal das Haus einer Geliebten ihres Mannes angezündet.
Sie versuchte es immer wieder,auf die Menschen zuzugehen,wenn sie sie berührten, wurden die jeweiligen Stellen an denen die Berührung stattfand sofort schwarz und ver-brannt.
Die weiße Frau suchte verzweifelt nach Ruhe und innerem Frieden.
Eines Tages sah sie eine Frau mit einem grossen schwarzen Hut auf dem Kopf, und einer viel zu grossen Nase. Die weiße Frau ging auch auf diese Frau zu, und als sie ihr die Hand gab war sie verwundert. Dieser Frau schienen die Berührungen nichts
auszumachen.
Die weiße Frau dachte:
„Das ist ja schon mal gut, vielleicht kann mir diese Frau etwas mehr darüber verraten, warum ich alles Lebendige verbrenne was ich berühre.“
Die Frau mit dem spitzen Hut konnte offensichtlich Gedanken lesen, denn sie sagte: „Setz Dich, ich erkläre dir, warum Du alles lebendige verbrennst was Du anfasst und auch wie Du Dich davon befreien kannst“
Interessiert hörte sie der Frau mit dem großen Hut zu, sie setzten sich beide auf eine kleine Bank, die in ihrer Nähe stand und die Frau mit dem Hut fing an zu erzählen:
„Ich bin Helena, ich kenne Dich gut, und ich weiss auch wie es der Winzerin ergangen ist,
die Du vor 400 Jahren einmal berührt hast.“ Die weiße Frau wusste nicht, was sie davon halten sollte und sagte:
„Wie? Vor 400 Jahren? So lange lebt doch kein Mensch.“
Helena erklärte ihr:
„Ja, das ist richtig, aber Du bist ja auch schon lange tot“
Die weiße Frau konnte es nicht glauben, runzelte die Stirn und sprach:
„Ich, tot? Das kann doch gar nicht sein“
Jetzt musste Helena lachen und sagte:
„Oh doch, du hast damals versucht, Deinen Mann und seine Geliebte zu verbrennen, und
warst dabei aber so ungeschickt, dass auch Du selbst in den Flammen umgekommen bist“
„Ahja,“ sagte die weiße Frau,
„und deswegen wird alles Lebendige verbrannt, was ich anfasse“
Helena nickte mit dem Kopf.
„Und wie kann ich den Fluch beenden?“
Helena erklärte ihr, dass sie jemanden finden müsste, der bereit sei sie zu lieben, ohne sie anzufassen. Die weiße Frau sagte:
„Ohje, wie soll, dass den gehen? Berührungen gehören doch dazu, wenn man jemanden lliebt“
Helena sagte:
„Ja, eigentlich schon, aber schau doch mal, die Autisten an. Viele von ihnen sind durchaus in der Lage einen Menschen zu lieben, Berührungen mögen sie allerdings meistens nicht so sehr."
Glücklicherweise war die weiße Frau auch als Geist nach ihrem Tod für Menschen sichtbar geblieben.
Die weiße Frau fand das einen guten Tipp und sofort machte sie sich auf den Weg.
Sie wusste, wo eine Selbsthilfegruppe für Autisten jede Woche montags stattfand und heute war Montag. Sie setzte sich in den Kreis dazu, stellte sich kurz vor, und behauptete von sich auch Autistin zu sein und mit
Berührungen Probleme zu haben. Sie mochte sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn sie jemanden aus der Selbsthilfegruppe anfassen würde, und dessen Körperteil dann verbrannte.
Es dauerte einige Zeit, dann kam sie mit Roland immer intensiver ins Gespräch und sie unternahmen auch viel gemeinsam. Dass die weiße Frau, die sich den Namen Alexandra gegeben hatte, alles vermied, ihn zu berühren, bezog er auf den Autismus.
Nach vielen, vielen Monaten, und zahlreichen gemeinsamen Unternehmungen gestand Roland Alexandra, dass er sie über alles liebte und er merkte es gar nicht, doch er hatte die
Hand von Alexandra berührt. Auch Alexandra hatte die Berührung nicht gemerkt. Das war nicht schlimm, denn durch das, dass Roland Alexandra seine Liebe gestanden hatte, war der Fluch beendet. Leider löste sich Alexandra direkt nach der Berührung auf, denn sie hatte jetzt ihren Frieden gefunden und Roland fragte sich bis an sein Lebensende, was das für eine seltsame Frau gewesen war. Allerdings hatte sie eines geschafft: Er hatte jetzt auf einmal deutlich weniger Probleme mit Berührungen.