Waschtag
Wir waren unterwegs gewesen, also ich und Prinz, mein Mischlingshund. Irgendwie war bei ihm ein Rottweiler, ein Schäferhund und ein Yorkshire Terrier miteinander verwoben worden. Schon allein technisch gesehen, ich meine aus sexistischer Sicht, ist Prinzi ein Unding, aber der beste Beweis, was alles auf der Welt möglich ist.
Wie gesagt, wir waren unterwegs. Ich war extra auf das Land hinaus gefahren. Erstens liebte es Prinzi mir als Beifahrer behilflich zu sein, seine Schnauze in den Wind halten, und zweitens konnte er sich auf weitläufigen Wiesen austoben.
Das war ja auch ganz in Ordnung, wenn man mal von dem Zwischenfall mit dem Zuchtstier absieht, dem er gerade noch durch den Zaun entkam. Da hatte er sich zwar eine ordentliche Strom-Backpfeife eingefangen, aber immer noch besser, als ein Horn im Bauch.
Schon auf der Rückfahrt fiel mir der beißende Geruch auf. Es war nicht der Mundgeruch, obwohl er einen Knochen gefunden hatte, den wahrscheinlich ein verstorbener Neandertaler vermissen würde. Es war nicht die Mundfrische, die Odol versprach, es war das Fell, das nervte
Er hatte sich voller Vergnügen in einem Kuhfladen gewälzt. Vorher hatte die Hinterlassenschaft des Huftieres so ausgesehen, wie eine abgekühlte Lavazunge.
Nach Prinzis Fellpflege, war der Fladen aufgebrochen, wie eine matschige Sauerei und ein erneutes Fest für die Schmeißfliegen. Wie ein Wildschwein hatte er sich in dem Gebräch, dem Fladen gewälzt. Prinzi war zum Himmel stinkend zufrieden.
Ich spazierte mit ihm noch eine ganze Weile weiter in der Hoffnung, dass das Fell austrocknen würde. Trockenheit bindet Gestank, so träumte ich.
Die grüne Luft im Auto war zum Schneiden. Das war zwar furchtbar, aber ich konnte den Hund ja schlecht neben dem Auto herlaufen lassen.
Noch während des Spaziergangs hatte ich einen Bauern gefragt, ob vielleicht in der Nähe ein See zu finden wäre. Er verneinte.
Wenigstens ein Weiher, hatte ich gebettelt. Nix. "Ein Flüsschen", jammerte ich.
Ein Rinnsal gäbe es, aber der würde an einer Rinderzucht vorbeifließen und dabei dankbarer Weise natürlichen Dünger aufnehmen.
Also auch nichts.
Keine Chance dem Hund noch unterwegs ein Bad zu verpassen.
Die Einzelheiten der quälenden Rückfahrt erspare ich ihnen. Es half kaum etwas, dass ich sämtliche Fenster aufgerissen hatte.
Daheim hatte Prinzi die Absicht auf der Couch ein Nickerchen einzulegen, aber ich scheuchte ihn weg und jagte ihn in den Garten hinaus. Da konnte er vor sich hin stinken und so
keinen grünen Film an den Wänden meines trautes Heims hinterlassen. Die Couch, sein Plätzchen, war zwar mit einer Hundedecke ausgelegt, aber ich wollte die Decke nicht auch noch waschen, oder - eher wahrscheinlich - entsorgen müssen.
Als Erstes ließ ich etwas Wasser in die Wanne. Ich fragte mich, ob ein großzügiger Schuss Baby-Shampoo ausreichen würde. Eine Wurzelbürste legte ich bereit. Daneben noch ein Stück Kernseife.
Dann ging ich hinaus auf die Terrasse und lockte.
„Prinzilein, Prinzi!“
Der Hund war wie vom Erdboden verschluckt, einfach verschwunden. Ich hatte das Loch,
das Prinzilein gegraben hatte, um unter dem Zaun hindurch zu schlüpfen, wieder zugeschüttet und sicherheitshalber auch noch ein Brett darüber gelegt. Prinzi musste sich also irgendwo im Hoheitsgebiet aufhalten. Auf der Wiese war er jedenfalls nicht zu sehen. Mir fiel nur auf, dass ein Maulwurfshügel platt gedrückt war.
„Prinzilein, spielen! Balli!“
Sein Lieblingsbällchen warf ich immer wieder in die Luft und tat, als würde ich mich wie Bolle freuen, dass ich mit SEINEM Ball spielen durfte.
Prinzi blieb verschwunden.
"Na warte", dachte ich, "jetzt kannst du aber was erleben!"
Ich bin sonst nicht so, aber wenn es sein
muss, dann bin ich gnadenlos. Ich fuhr stärkstes Geschütz auf, praktisch eine Atombombe. Aus der Küche kommend hatte ich die ultimative Waffe in der Hand. Ich stellte mich wieder auf die Terrasse und gurrte. „Leberwurstschnittchen, hmmm, feini, feini.“ Ich schwenkte die Köstlichkeit und hoffte, dass der ganze Garten nach Leberwurst riechen würde. Es konnte sich nur ein paar Sekunden handeln, dann würde Prinzi wie ein Pfeil angeschossen kommen. Allein, der Pfeil blieb aus.
„Leberwurstschnittchen!“
Ich kam mir vor, wie ein Marktschreier.
Frau Biederkampf, die Nachbarin, rief durch die Hecke.
„Esse ich auch sehr gerne!“
„Tach, Frau Biederkampf. Haben sie vielleicht Prinzi gesehen?“
„Einen Ast knickte, das habe ich gehört.“ Wunderte mich nicht, weil sie sogar das Gras wachsen hörte.
„Wo?“
„Links hinten in ihrem Garten, bei ihrem Kompost, da muss es gewesen sein.“
Ich prüfte schnell den Kompost, fand Hundespuren, aber sonst waren die einzigen Lebewesen Ameisen. Nix Prinzi.
Ich war ratlos.
Vor kurzem hatte ich über einen Hundeflüsterer gelesen und fand die Zeitung auch. Herr Schnautzl hatte in seinem Inserat seine Rufnummer angegeben. Ich rief also an
und bat um Hilfe.
„Leberwurstschnittchen hat auch nicht funktioniert?“
„Nein“
„Und er konnte nicht aus dem Garten entwischen?“
„Nein.“
„Haben sie ihn geschlagen?“
„Nein.“
Ich wurde allmählich sauer.
„Nun mal raus mit der Sprache. Was haben sie angestellt?“
„Wieso, nichts! Ich habe nur ein wenig Wasser in die Badewanne gelassen, weil ich..“
„Alles klar“, kläffte Schnautzl dazwischen. „Sie wollten ihn baden, oder?“
„Ja.“
„Ich komme, so schnell ich kann“, versprach Schnautzl. „Das wird ein schwieriges Unterfangen.“
Ein viertel Stunde später war er da und lud einige Gitter ab.
„Wir müssen ihn treiben. Machen sie im Haus alle Türen zu.“
„Prinzi kann sie öffnen, die Klinken herunter drücken“, bemerkte ich stolz. „Er ist ein super schlauer Hund.“
„Umso schlimmer“, stöhnte Schnautzl, der eine Latz-Plastikschürze umgebunden hatte. „Dann schließen sie ab. Lassen sie nur einen Weg zum Bad frei.“
Ich tat, wie mir geheißen und dann durchkämmten wir den gesamten Garten.
Plötzlich schoss Prinzi aus seiner Deckung
unter dem kriechenden Wacholder hervor. Nun hatten wir die Zaunteile so in der Hand, dass Prinz nur noch der Weg ins Haus blieb. „Wir haben ihn“, rief ich voreilig.
In diesem Moment nahm Prinz Anlauf und sprang über das Zaunteil, das ich in der Hand hielt. Erst eine Stunde später war Prinzi im Bad gefangen.
„Türe zu“, prustete Herr Schnauzl.
Wir waren erschöpft. Prinzi wimmerte jämmerlich im Bad und heulte ,wie wenn er gerade abgestochen werden würde.
„Lassen sie ihn. In zehn Minuten machen wir weiter.
Das IPhone kläffte.
"Ja?" "Ich kann es hören", bellte es in den Äther. Es war der andere Nachbar, Herr Alfons
Schneider, der ebenfalls über das Gras Wachsen Bescheid wusste. Und nicht nur das, der konnte sogar herausfiltern, ob eine Biene mit Pollen beladen war, oder nicht. "Sie hören sofort auf den armen Hund zu quälen", befahl er
"Eine Anzeige ist ihnen sowieso gewiss!"
Ich gab das Gerät an Herrn Schnautzl weiter. Der konnte nach langem hin und her gerade noch verhindern, dass das SEK anrückte.
Ich atmete auf, als er zufrieden grinsend das Gespräch beenden konnte.
"Das wäre erledigt", meinte er. "Sie können sich inzwischen ausziehen.“
„Wie bitte?“
„Ziehen sie nur eine Badehose an.“
„Woher hatte denn Prinzi wissen können, dass
ich ihn baden wollte. Sonst stellt er sich doch auch nicht an, wenn ich Badewasser einlaufen lasse“, fragte ich mit leuchtend roter Badehose.
„Die Vierbeiner wissen es“, versicherte Herr Schnauzl. „Und nun, auf in den Kampf! Passen sie nur auf, dass er ihnen nicht nur die Beine abhaut, denn das wird er versuchen, sobald wir die Badezimmertüre aufmachen. Ich bin noch zur Sicherung hinter ihnen.“
Wir hatten es geschafft.
Prinzi, Herr Schnauzl und ich waren im Bad. Die Türe war zu, so dass er nicht entkommen konnte.
Ich wusste da noch nicht, wie recht Herr Schnauzl hatte, als er vorher von einer
Kampfansage sprach.
Eine Stunde später waren Herr Schnauzl und ich gründlich gewaschen. Das Bad hatte die typische Spuren, wie es bei einem Hurrikan der Stufe sechs üblich ist.
Der nasse Prinz lief glücklich ins Wohnzimmer, wo er sich ordentlich schüttelte und überall Spritzer hinterließ. Glücklich war er, weil er es überstanden hatte.
Ich war nach dem Massaker auch zufrieden und duftete einem Baby gleich vor mich hin.
Ich bedankte mich bei Herrn Schnauzel für seine Hilfe und er dankte mit einer unbescheidenen Rechnung.
Ich bin schließlich ganz von selbst auf den
Trichter gekommen.
Wenn es Prinzi nötig hatte, ging ich selber in die Wanne. War er, wie immer, aufmerksam dabei, schloss ich die Badezimmertüre und dann konnte der Ringkampf los gehen.
Das war dann sozusagen ein Aufwasch, eben ein Waschtag. Vor allem für mich selbst.