Jugendbücher
HIM - Philophobia

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"Das Treffen zweier Jungs die unterschiedlicher und doch ähnlicher nicht sein könnten."
Veröffentlicht am 06. August 2017, 52 Seiten
Kategorie Jugendbücher
© Umschlag Bildmaterial: Cover edit by KaoTec
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Das Treffen zweier Jungs die unterschiedlicher und doch ähnlicher nicht sein könnten.

HIM - Philophobia

Prolog


Er war es gewohnt, dass seine Eltern sein Leben störten mit ihren Verboten, Vorschriften und ihrer Besserwisserei.

Er hatte das Talent schnell in Schwierigkeiten zu geraten, aber das störte ihn nicht. Er war schlecht im Umgang mit anderen Leuten. Die meiste Zeit war er still, ablehnend und hielt Andere so von sich fern. Er wunderte sich selbst, wie er es geschafft hatte Freunde zu finden. Okay, seine Freunde waren nicht wirklich Freunde, nur Leute mit denen er

herumhing, auf Partys ging und sich betrank. Die meiste Zeit geriet er in Schwierigkeiten, weil er nicht wirklich gut mit anderen Leuten kommunizieren konnte. Also meistens war es ein Missverständnis. Er realisierte das niemand ihn und sein Problem verstand, also gab er auf und geriet in Schlägereien wenn jemand ihn schlecht behandelte oder ihn nur schubste. Er wollte kein Mitleid, er war zufrieden mit seinem Leben. Vielleicht konnte sein Leben besser sein, aber er fand es okay. Vielleicht wäre ein richtiger Freund nett

gewesen, aber er hatte vor langer Zeit aufgegeben zu versuchen seine Gedanken und Gefühle zu erklären, und er wollte es nicht noch einmal versuchen. Eines morgens kam er nach Hause zurück, nachdem er auf einer Party irgendwo in Seoul gewesen war, und das Einzige was er wollte war ins Bett zu gehen und bis abends zu schlafen. Das erste was er sah, waren seine Koffer im Flur neben der Haustüre. Er zog die Brauen zusammen und versuchte herauszufinden was los war. Sein erster Gedanke war, dass seine Eltern ihn raus warfen, weil er zu oft auf Partys ging und betrunken wieder nach

Hause kam. Oder weil er ein bisschen zu oft in Schwierigkeiten geraten war. Vielleicht, weil er es auch nicht mochte mit seinen Eltern zu kommunizieren, wie mit anderen Leuten auch. Aber nein, nichts davon war der Grund für seine gepackten Koffer. Der wahre Grund waren die Streitigkeiten zwischen seiner Mutter und seinem Vater. Es war kein Geheimnis das diese Beiden sich die ganze Zeit stritten. Vielleicht sollte es vor ihm ein Geheimnis sein, aber sie schrien sich zu laut und zu oft an, als das er es nicht hören

konnte. Also war er jetzt auf dem Weg zu seiner Großmutter, welche am Arsch der Welt lebte. Okay, nicht wirklich am Arsch der Welt, aber Ulsan war weit genug weg von Seoul, dass es sich so anfühlte. Er wusste nicht was er in Ulsan tun sollte, weil er dort niemanden kannte, außer seiner Großmutter, aber er hatte sie das letzte Mal gesehen als er 13 Jahre alt war. Also wusste er nicht wie er sich benehmen sollte, oder ob seine Großmutter von seinen Problemen mit anderen Leuten

wusste. Er hoffte nur das ihre geistige Gesundheit in Ordnung und sie nicht verwirrt war. Sein Smartphone gab einen Ton von sich, und er bemerkte das seine Mutter ihm eine Nachricht geschickt hatte. Er wollte sie nicht wirklich lesen, aber letztendlich tat er es doch. Er hätte fast gelacht bei dieser lächerlichen Nachricht. Er verstand nicht wie seine Mutter ihm so ein Zeug schicken konnte. Es war nicht wirklich eine Nachricht, es war nur ein Bild mit einem Comic-Hasen der ein Schild hielt auf dem 'HWAITING!'

stand. Das war lächerlich, und er konnte ohne dieses Zeug leben. Er sah aus dem Fenster und seine Augen wurden größer, als er den Strand und das tiefblaue Meer sah, an dem der Zug gerade vorbei fuhr. Einige Minuten später sah er große Gebäude als der Zug in die Stadt fuhr. Sein Herz schlug schnell und schwer, als er realisierte das er in wenigen Minuten seine Großmutter treffen würde. Er wollte wegrennen, aber leider konnte man aus einem Zug nicht entkommen. Der Zug hielt an und er schluckte, seine

Hände wurden schwitzig. Er wartete bis alle anderen Passagiere den Zug verlassen hatten, dann nahm er seine Koffer und verließ den Zug ebenfalls. Als er endlich am Bahnsteig stand, sah er sich um und suchte zwischen den Leuten nach seiner Großmutter. Er erinnerte sich nicht wie genau sie aussah, aber er erinnerte sich das sie schreckliche Kleider mit Blumenmuster mochte. Es sollte nicht schwer sein, jemanden zu finden der solche Klamotten trug. „Jeonghun-ah!“ Er zuckte leicht zusammen, bevor er sich

umdrehte und auf die alte, kleine Dame herunter sah, die genau die furchtbaren Kleider mit Blumenmuster trug, an die er sich erinnerte. Die alte kleine Dame, seine Großmutter, erreichte mit ihrem Kopf gerade einmal die Mitte seines Oberarms. „Du bist so schnell gewachsen.“, lächelte sie, und legte ihre Hände auf seine Schultern, und er spannte seine Muskeln an. „Sieh an, manche Dinge ändern sich nie. Du hasst es immer noch angefasst zu werden.“ Er war ein bisschen überrascht das seine Großmutter sich daran erinnerte, das er

es nicht mochte angefasst zu werden, und sie ihre Hände wegnahm. „Soll ich dir helfen deine Koffer zu tragen?“, fragte sie und er schüttelte schnell den Kopf. Vielleicht war er mies darin mit Anderen zu interagieren, aber er wollte nicht das seine Großmutter wegen dem Gewicht seiner Koffer zusammenbrach. „Nein, ist okay.“, antwortete er. „Ah, du kannst immer noch reden. Das sind gute Neuigkeiten.“, kicherte sie, und er konnte sich nicht helfen, er musste ein kleines bisschen lächeln. „Wir werden viel Spaß haben.“ Er ging hinter seiner Großmutter her und

hob die linke Augenbraue ein wenig. „Spaß?“ „Vielleicht nicht deine Art von Spaß, weil ich dir nicht erlauben werde dich zu betrinken. Aber Ulsan ist eine schöne Stadt, und der Strand ist nicht weit weg.“ Strand klang gut, und er liebte Wasser, also vielleicht konnte er zum Strand gehen wann immer er wollte. Vielleicht war das der Strand den er aus dem Zugfenster gesehen hatte. „Wir können morgen zum Strand gehen, wenn du willst.“ Er nickte, bemerkte dann aber das seine Großmutter es nicht sehen konnte, weil er hinter ihr

ging. „Ja...klingt gut.“, antwortete er mit Worten. Wie lustig sein Leben in Ulsan sein würde, würde er bald heraus finden.

shit happens


Eingepfercht in dem winzigen Auto seiner Großmutter, sah Jeonghun während der ganzen Fahrt aus dem Fenster. Die Stadt war ihm so fremd, als wäre er noch nie hier gewesen. Aber wenn man bedachte, dass er seit seinem 13. Lebensjahr nicht mehr hier gewesen war, und sich auch nur schemenhaft an alles erinnerte, war das wohl dasselbe. Die Gebäude, Straßen, Autos und Menschen zogen an ihnen vorbei, und er begann sich immer unwohler zu fühlen.

Natürlich, er hatte es noch nie so wirklich mit anderen Leuten, aber wann das angefangen hatte oder ob es schon immer so war, wusste er nicht mehr. Früher wurde er für sein Verhalten gegenüber Anderen immer gehänselt und manchmal auch von Mitschülern verprügelt, aber inzwischen hatte er gelernt sich zu wehren und sich nichts gefallen zu lassen. Vermutlich hätte es auch geholfen, wenn er sich Anderen gegenüber etwas geöffnet und normaler verhalten hätte, aber er konnte nicht. Egal wie sehr er sich bemühte, er schaffte es einfach nicht sich richtig zu artikulieren. Immer, wenn jemand ihn ansprach fühlte er sich wie

ein Reh im Scheinwerferlicht. Seine Gedanken begannen zu rasen und er überlegte fieberhaft, was er sagen sollte ohne dumm zu wirken, was meistens darin endete, dass er nichts sagte und stattdessen arrogant herüber kam oder den Eindruck erweckte, dass er mit überhaupt niemandem reden wollte. Seinen Freunden gegenüber konnte er reden, allerdings auch nur, weil er inzwischen im Umgang mit ihnen geübt war. Er hatte schnell heraus gefunden, dass es leichter war mit Leuten zu reden, die nicht an tiefgründigen Gesprächen interessiert waren, und dazu vermutlich auch nicht fähig waren. Er selbst machte

auch nicht unbedingt den Eindruck als ob er an solchen Gesprächen interessiert war, aber er war es. Das Problem war lediglich, dass er seine Gedanken und seine Gefühle nicht wirklich erklären konnte, und keine Ahnung hatte was er dagegen unternehmen sollte oder konnte. Im Allgemeinen störte es ihn nicht sozusagen in seinen Gedanken gefangen zu sein und sie niemandem mitteilen zu können, nur manchmal. Manchmal hatte er die Idee, dass es bestimmt toll wäre jemanden zu haben, dem er alles erklären konnte und der ihn verstand. Aber wer wollte schon mit jemandem befreundet sein, der nicht dazu fähig war irgendetwas vernünftig

mitzuteilen? „Jeonghun-ah, wir sind da.“ Er fuhr zusammen und blickte orientierungslos aus dem Fenster. Seine Großmutter hatte in der Auffahrt eines kleinen, himmelblau gestrichenen Hauses gehalten. Das Haus hatte einen netten Vorgarten und einen knallgelben Briefkasten. Und Jeonghun hatte keine Ahnung wo er war. Irgendwann während der Fahrt war er in seinen Gedanken abgedriftet, und hatte nicht mehr darauf geachtet wo seine Großmutter lang gefahren war. Seine Großmutter stieg aus dem Auto, und er tat es ihr nach, wo er sich einmal

um sich selbst drehte um eine gewisse Orientierung zu bekommen. Er sah die großen Gebäude des Zentrums, also waren sie nicht ganz so weit weg vom Zentrum wie er dachte. Ulsan war auf jeden Fall anders als Seoul, das war für Jeonghun jetzt schon offensichtlich. In Seoul, nahe des Zentrums, eine ruhige und fast schon Vorstadt ähnliche Gegend zu finden, war ein Ding der Unmöglichkeit. Es gefiel ihm nicht direkt mit Menschenmassen konfrontiert zu werden, sobald er die Haustüre aufmachte. Kurz hatte er die Hoffnung das seine Zeit in Ulsan, wie lange das auch sein mochte, doch nicht so langweilig werden

würde. Die Realität war jedoch, dass er immer noch niemanden kannte, und seine Großmutter wohl ein Auge auf ihn haben würde. Zudem wusste er auch nicht was er hier großartig anfangen sollte, ohne jemanden zu kennen. Jeonghun hievte seine Koffer aus dem Auto, und folgte seiner Großmutter, die inzwischen die Treppe zur Haustür hinauf gestiegen war, und diese aufschloss. „Na komm, ich zeige dir dein Zimmer.“ Jeonghun nickte und ging wieder hinter seiner Großmutter hinterher, was anstrengend für ihn war, da seine

Großmutter nun einmal sehr klein war und dementsprechend kleine Schritte machte. Machte er einen Schritt, hätte seine Großmutter ungefähr zwei oder drei machen müssen. So watschelte er eher als das er ging, hinter seiner Großmutter her, die Treppen hinauf, und von dort nach links zur ersten Türe, die seine Großmutter öffnete und ihn dann durch ließ. Er ging in den Raum, der nun sein Zimmer war, und sah sich langsam um. Obwohl er das Zimmer nicht unbedingt als groß bezeichnen würde, war es immer noch größer als sein Zimmer bei seinen Eltern in der Wohnung, dass eher einer

Abstellkammer glich, wie es in manchen Wohnungen in Seoul nun mal normal war. Das Zimmer war hellblau gestrichen, mit weißen Dachbalken und einer ebenso weißen Dachschräge, unter der ein Doppelbett und ein Nachttisch stand. Das Fenster lag in einer Nische, unter der einer dieser Sitzbänke stand, die man ebenso als Truhe benutzen konnte. Gegenüber des Bettes war ein Kleiderschrank und ein Tisch mit Stuhl und Lampe. Direkt neben der Tür stand noch eine Kommode, die ebenso weiß war wie die anderen Möbel. Er hätte es als 'skandinavischen Touch' beschrieben, aber er kannte sich mit Einrichtungsstilen nicht besonders gut

aus. Die Deko war vielleicht etwas mädchenhaft, aber wenigstens nicht pink, weshalb ihn das nicht störte. Was ihm aber auffiel war, dass das Zimmer frisch renoviert war und sich seine Großmutter offenbar ziemlich Mühe gegeben hatte. Das machte die teilweise kitschige Dekoration schon wieder wett. „Ich wusste nicht, welche Farbe dir gefallen würde, aber damals mochtest du blau.“, kam es von der Tür, und Jeonghun drehte sich zu ihr um, und hob die Mundwinkel leicht. „Ich mag blau immer noch.“ Er war nur ein bisschen überfordert,

denn er war es nicht gewohnt, dass sich jemand solche Mühe für ihn gab. „Das Zimmer ist größer als meins zu Hause.“, hängte er hinten dran, und stellte seine Koffer neben der Kommode ab. Der Rest des Tages war relativ ereignislos. Seine Großmutter hatte ihm die Zugangsdaten für das WLAN gegeben, und er musste zugeben, dass er reichlich überrascht gewesen war, dass seine Großmutter WLAN besaß. Jeonghun hatte seine Sachen ausgepackt und in den Kleiderschrank und in der

Kommode verstaut, seinen Laptop auf den Tisch gestellt. Danach hatte er sich etwas in der Nachbarschaft und im Garten umgesehen, und war dann auf sein Zimmer gegangen, wo er das Bett nur kurz testen wollte. Schlussendlich war er wohl eingeschlafen, denn als er aufwachte und auf sein Handy sah, zeigte ihm das Display das es bereits neun Uhr morgens war. Grummelnd ließ er sich zurück in die Kissen fallen und starrte ein paar Minuten auf die weiße Dachschräge. Das fing ja schon gut an. Seine Großmutter war bestimmt nicht begeistert, dass er nicht zum Abendessen

erschienen war, und sich stattdessen die ganze Zeit in seinem Zimmer aufgehalten hatte. Aber wenigstens wusste er jetzt, dass das Bett bequem war und er wohl nicht unter Schlafstörungen oder verspannten Muskeln leiden würde. Jeonghun erhob sich und zog sich neue Kleidung aus dem Schrank, ehe er sein Zimmer verließ und dann vorsichtig die Badezimmertüre öffnete. Das letzte was er wollte war, jemanden im Bad zum überraschen. Zwar konnte er nur seine Großmutter überraschen, aber das war auch nicht unbedingt ein Vergnügen. Er konnte nicht so mit Menschen, und mit nackten Menschen schon gar

nicht. Zu seinem Glück war das Bad leer und er sperrte hinter sich ab, bevor er sich auszog und seine Klamotten in den Wäschekorb warf und unter die Dusche stieg, die zwar echt klein, aber doch irgendwie komfortabel war. Nachdem er fertig geduscht und sich angezogen hatte, schlich er die Treppen nach unten und spähte um die Ecke in die Küche. „Guten Morgen.“ Jeonghun zuckte zusammen und verzog kurz das Gesicht. Wie seine Großmutter ihn bemerkt hatte, obwohl sie mit dem Rücken zu ihm stand und Geschirr

abspülte, blieb ihm ein Rätsel. „Guten Morgen.“, erwiderte er und wollte schon eine Entschuldigung für seine gestrige Abwesenheit hinterher schieben. Er konnte sich zwar nicht besonders gut entschuldigen, da er es auch nie tat, aber seine Großmutter war gestern sehr nett zu ihm gewesen, und er hatte ein schlechtes Gewissen. „Willst du Kaffee?“, fragte sie und drehte sich lächelnd zu ihm um, was ihn lediglich nicken ließ. Offenbar war sie nicht wütend oder irgendetwas in der Art, auch wenn er das nicht wirklich verstand. Seine Mutter hätte ihm eine riesige Szene gemacht, wenn sie nun hier

gewesen wäre. „Tut mir leid, ich bin einfach eingeschlafen.“, entschuldigte er sich trotzdem. Die Entschuldigung klang richtig lahm in seinen Ohren, und war es vermutlich auch. „Ach was. Natürlich warst du müde, die Zugfahrt war ja auch lang genug, und du musstest dich vielen neuen Eindrücken hingeben. Wenn du möchtest können wir auch die nächsten Tage einmal zum Strand fahren, das muss ja nicht heute sein.“ Jeonghun, der sich inzwischen auf einen Stuhl am Küchentisch niedergelassen

hatte, schüttelte schnell den Kopf. Er wollte unbedingt zum Strand. Außerdem wollte er wissen wie er dort hin kam, um eventuell auch einmal alleine dorthin zu gehen. „Na wenn du möchtest, gehen wir gleich hin wenn du gefrühstückt hast. Möchtest du Badesachen mitnehmen?“ Er schüttelte den Kopf und nahm die Tasse Kaffee entgegen. Vorerst wollte er sich den Strand nur einmal angucken. Zwar liebte er Wasser wirklich sehr, aber er war trotzdem nicht gerade der geborene Schwimmer, denn in Seoul gab es nicht unbedingt viele Möglichkeiten. Natürlich hätte er in

eines der Hallen- oder Freibäder gehen oder das Schwimmbecken der Schule benutzen können, aber er hatte nicht nur das Problem das er es mit Menschen nicht so hatte, sondern besonders mit Mädchen hatte er so seine Probleme. Die unterschieden sich zwar nicht unbedingt von den Problemen die er mit Jungs hatte, aber Mädchen konnte er nicht schlagen, was seine Handlungen einschränkte. Meistens endete es darin, dass er vergaß zu atmen und nur unzusammenhängende Dinge dachte, da man zu Mädchen einfach nicht so schroff war wie zu Jungs. Soviel Erziehung hatte er dann doch

noch. „Ich frühstücke eigentlich nicht.“, gab er zu und seine Großmutter hob kurz eine Augenbraue, bevor sie nickte. „Also nur Kaffee.“, stellte sie fest, und stellte ihm gleich die ganze Kanne auf den Tisch. Jeonghun war etwas irritiert, dass es so einfach war zu sagen was er wollte und was nicht, und das nicht wie gewohnt auf ihn eingeredet, sondern das es einfach akzeptiert wurde. Nicht das er dagegen etwas hatte, er fand es nur ungewohnt. „Ich rauche.“ Wenn er schon dabei war, konnte er das

auch gleich auf den Tisch bringen. Es war offensichtlich das seine Großmutter sich Mühe mit ihm gab, soviel Mühe wie es sich nicht einmal seine Eltern mehr gaben, also wollte er nicht heimlich hinter ihrem Rücken rauchen. „Dein Vater hat mir schon von deinen Eskapaden und deinem gefälschten Ausweis erzählt.“ Warum nur überraschte ihn das nicht im geringsten? Natürlich wusste seine Großmutter davon. Es wäre auch blöd ihn zu ihr zu verfrachten, ohne ihr irgendwas über seine manchmal illegalen Beschaffungsmethoden von Alkohol und

Zigaretten zu verraten, oder das er recht häufig in Schlägereien oder anderweitige Schwierigkeiten kam. „Man sollte mir anrechnen, dass ich noch nie von einer Polizeistation abgeholt werden musste.“, kam es trocken über seine Lippen. Er wollte eigentlich nicht so mit seiner Großmutter reden, wie er normalerweise mit Anderen und teilweise auch mit seinen Eltern umging, wenn er denn überhaupt etwas sagte, aber es war ein Reflex. Zu seiner Überraschung fing seine Großmutter an zu lachen. „Das wäre ja noch schöner, wenn mein

Enkel dann noch so dumm wäre und sich erwischen ließe.“ Jeonghun nahm es jetzt einfach mal als Kompliment hin, und schwieg ansonsten dazu. „Du kannst von mir aus im Garten rauchen. Aber betrinken wirst du dich deswegen trotzdem nicht.“ Er nickte als Einverständnis, denn so viel Verständnis hätte er um ehrlich zu sein nicht erwartet, und es war nicht so als müsste er sich unbedingt betrinken. Die meiste Zeit betrank er sich, weil die Partys zwar gut aufgezogen aber trotz allem echt langweilig

waren. Nachdem er 'gefrühstückt' und sein Portemonnaie sowie sein Handy in die Hosentaschen gesteckt hatte, hatten er und seine Großmutter sich auf den Weg zum Strand gemacht. Und der Weg war wirklich nicht weit weg gewesen, weshalb er ihn sich gut einprägen konnte. Der Strand war gar nicht so voll wie er vermutet hatte. Natürlich lagen einige Leute im Sand und sonnten sich, und wieder Andere waren im Wasser unterwegs, aber es war weit nicht so voll

wie er befürchtet hatte. Na gut, sie waren in Ulsan und nicht in Miami, aber er hatte unabsichtlich damit gerechnet fast keinen Zentimeter Sand sehen zu können, vor lauter Badegästen. Wegen der fehlenden Menschenhorden entspannte sich Jeonghun relativ schnell, und lief neben seiner Großmutter her. Nach einer Weile bemerkte er das sie nun offenbar den Platz der Badegäste komplett verlassen hatten, da hier niemand mehr im Sand lag oder im Wasser planschte, obwohl seiner Ansicht nach dieser Teil des Strandes viel besser war, als der an dem die Leute lagen. Gerade als er den Mund aufmachen und

fragen wollte, bemerkte er doch Leute. Allerdings schienen die nicht zum Baden hier zu sein, da sie komplett bekleidet waren und stattdessen mit Bierflaschen auf einigen Felsen oder im Sand herum saßen, während irgendjemand laut Hiphop laufen ließ. Jeonghun fühlte sich sofort unwohl, ging aber trotzdem weiter neben seiner Großmutter her, und hoffte das er einfach nur paranoid und ein ernsthaftes psychisches Problem hatte. „Wir sollten umdrehen Schätzchen.“ Sein Blick huschte zu seiner Großmutter, und seine Brauen zogen sich leicht zusammen. Natürlich, sie war eine alte

und kleine Dame, da war es nur verständlich das sie umdrehen wollte. „Die gehören hier nicht her, und haben hier auch nichts zu suchen.“ Er verstand nicht wirklich was sie damit meinte, aber wandte sich ebenfalls in die andere Richtung, als seine Großmutter dasselbe tat. „Hey, ihr da!“, tönte es von der Gruppe her, und Jeonghun spannte automatisch alle Muskeln an. „Geh weiter.“, mahnte seine Großmutter. „SEID IHR TAUB ODER WAS?“, brüllte jemand, und kurz darauf hatte dieser Jemand sie auch schon überholt und stand vor

ihnen. Der Typ war ungefähr so groß wie Jeonghun selbst, und recht kräftig gebaut. Jeonghun vermutete aber, dass das weniger an Muskeln als an Speck lag. Das sagte ihm zumindest das Gesicht seines Gegenübers, das nicht unbedingt markant war, stattdessen aber leicht dicklich wirkte. „Geld, Schmuck und Handys.“, verlangte der Typ, und Jeonghun schnaubte. Nur weil hier in Ulsan einiges anders war als in Seoul, hieß das nicht dass alles anders war. Er würde in Ulsan nicht damit anfangen sich von Anderen etwas sagen oder wegnehmen zu lassen.

Zumindest nicht ohne jemandem die Nase zu brechen. „Tu was er sagt.“ Er sah aus dem Augenwinkel kurz zu seiner Großmutter, die offenbar und verständlich, Angst hatte. „Hör auf die Alte, mein Kleiner.“ „Ich bin nicht dein Kleiner.“ „Da denkt jemand er ist richtig cool. Hast wohl Wahnvorstellungen.“, spottete der Andere und Jeonghun konnte nicht anders, sein Mundwinkel zuckte leicht und er hob die Schultern. „Du bist mir mit den Wahnvorstellungen offenbar einen Schritt

voraus.“ „Jeonghun-“ Weiter kam seine Großmutter nicht, als die Faust des Anderen auf ihn zu flog und er aus Reflex nach rechts auswich. Er wich erfolgreich auch dem darauf folgenden Tritt aus, und landete seinerseits einen Treffer direkt auf das Kiefergelenk seines Gegenübers. Ein Schmerz zuckte durch seinen Ringfinger, den er aber ignorieren konnte. Er holte direkt mit der linken aus und traf die andere Gesichtshälfte, ehe er einen Tritt in die Kniekehle kassierte und sein Bein weg knickte. Er hörte seine Großmutter etwas rufen,

und rollte sich im Sand zur Seite, ehe ein Tritt den Sand traf, an der Stelle an der er kurz zuvor noch gekniet hatte. „DU HAST DIE NERVEN MIT ZU SCHLAGEN?“, wurde er angebrüllt, und biss die Zähne zusammen. Sein Ringfinger und seine Kniekehle schmerzten, wobei die Kniekehle am schlimmsten war. „Und du hast die Nerven, jemanden in unserem Revier anzugreifen?“ Durch die fremde Stimme irritiert, sah Jeonghun zur Seite, und ließ es zu das seine Großmutter ihn an der Schulter und dem Unterarm nahm um ihm auf die

Beine zu helfen. Er mochte es nicht angefasst zu werden, aber das war gerade Nebensache, und er war von den Neuankömmlingen zu irritiert, als das er es wirklich zur Kenntnis genommen hatte. „Wo ist euer Boss? Fingernägel lackieren?“, spottete Jeonghuns voriger Angreifer und rieb sich den Kiefer. Jeonghun hoffte, dass ihm sein Kiefer noch eine ganze Weile weh tat. „Bumst vermutlich gerade deine Schwester. Er hat es einfach nicht so mit Nagellack.“, kam es amüsiert von einem Typen mit hellbraun gefärbten Haaren zurück. Der Stimme nach offenbar der

Typ der sich eingemischt hatte. „Du kleiner mieser...“, knurrte der Andere und Jeonghun sah zu seiner Großmutter als diese an seinem Arm zog um ihn von diesem Geschehen weg zu bekommen. „Gehen wir lieber, das wird hässlich und blutig.“, zischte seine Großmutter, und er nickte. Das war eines der wenigen Male, in denen er nicht in so etwas verwickelt werden wollte, aber er fragte sich, ob sie nun an der neu eingetroffenen Gruppe vorbei kamen, oder gleich wieder dasselbe Problem hatten. Der hell-braunhaarige Typ machte

grinsend einen Schritt auf die Seite und eine Handbewegung das er sie vorbei ließ. Jeonghun war trotzdem misstrauisch und ging mit seiner Großmutter am Arm vorsichtig an ihm und den anderen seiner Gruppe vorbei, wobei ihm auffiel, dass jeder von ihnen das Emblem heulenden weißen Wolfskopfes auf der linken Seite ihrer Jacken trug. Nachdem sie einige Meter gegangen waren, hörten sie hinter sich Gebrüll und Schreie, und ein Blick über seine Schulter bestätigte, dass die Schlägerei angefangen hatte. „Es gibt Gangs in Ulsan?“, platzte es aus

ihm heraus und er bekam eine hochgezogene Augenbraue seiner Großmutter, die endlich seinen Arm los gelassen hatte. „Schätzchen, Ulsan ist vielleicht nicht Seoul, aber auch das hier ist eine Großstadt.“ Ja okay, Aufgrund des Strandes und des eher ruhigeren Viertel in dem seine Großmutter wohnte, hatte er das vielleicht kurzzeitig vergessen. „Mach dir keine Sorgen, ich habe gehört das die Wolves ziemlich umgänglich sein sollen.“ „Keine Gang ist umgänglich, Oma.“, murrte

Jeonghun. Er selbst kannte zumindest keine von der er je gehört hätte, dass sie umgänglich sein sollte. „Zumindest habe ich noch nie gehört das die alten Damen die Handtaschen stehlen, oder kleine Kinder an Bäumen aufhängen. Im Gegensatz zu dem was in Seoul so mit Gangs los ist, finde ich das ziemlich umgänglich.“ Vielleicht war das nicht auf so niedrigem Niveau wie man es von anderen Gangs so hörte, aber Gang war Gang, und er wollte damit nichts zu tun haben. Natürlich, er hatte kein Problem damit in Schwierigkeiten zu geraten, aber sich mit

einer Gang anzulegen war ziemlich dämlich. „Gehen wir nach Hause und trinken einen schönen Eistee auf der Terrasse.“ Jeonghun akzeptierte mit einem Nicken. Er musste dringend sein Bein hochlegen, da der Schmerz nicht nachließ sondern eher schlimmer wurde. Also klang Eistee auf der Terrasse himmlisch. „Mach das nie wieder, verstanden?“, murrte seine Oma plötzlich und kniff ihn in den Oberarm. „Kann ich nicht versprechen.“, murrte er zurück. „Du hörst dich genauso an wie dein

Großvater früher.“ Dann war zumindest geklärt, mit wem in der Familie er überhaupt irgendetwas gemeinsam hatte.

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Andy91 Ich finds echt gut geschrieben. Und die Story interessiert mich, catcht mich irgendwo.
Kleine Anmerkung, vielleicht nicht so viele Worte mehrfach verwenden sondern nach Synonymen suchen, zB für Zentrum City oä, für Problem Konflikt oä ich hab beim schreiben gerne einen tap auf mit ner tollen Site, die sehr gut ist dafür.
Ich würde mich über ne Fortsetzung auf jeden Fall freuen!
LG Taddy
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