Kurzgeschichte
Wenn ich einen Wunsch frei hätte ...

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"Überlistet"
Veröffentlicht am 01. September 2017, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Pixabay
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Über den Autor:

In meinem Garten steht kein Birnbaum - trotzdem unschwer zu erkennen wo mein Zuhause ist. Der Dichter, der dieses Land mit Leidenschaft beschrieb, muss damals schon gewusst haben, dass ich mich dort niederlassen würde. Das Schreiben habe ich - wie fast alle - mit dem ABC erlernt. Eigene Gedanken zu Papier zu bringen ... viel, viel später. Mich hat weder die Muse geküsst, noch fühle ich mich berufen meine Mitmenschen mit meinen literarischen ...
Überlistet

Wenn ich einen Wunsch frei hätte ...

Wenn ich einen Wunsch frei hätte ...

Rita saß auf der Bank, die an der Vorderfront ihrer Gartenlaube stand. Daneben auf dem kleinen Tisch, dessen Standort häufig wechselte - an heißen Tagen bekam er einen Schatten-, an kühleren Tagen einen Sonnenplatz - stand ein Pott mit dampfendem Kaffee. Sie genoss die Stille in dem kleinen Schrebergarten. Es war früher Nachmittag. Um diese Zeit war sie sonst nur am Wochenende hier. Heute bummelte sie ihre Überstunden ab und da Wolfgang Nachmittagsschicht hatte, konnte sie in Ruhe die Dinge erledigen, bei denen er ihr sonst im Wege war.

Genussvoll trank sie den ersten Schluck und verzog plötzlich das Gesicht.. Ein strenger unangenehmer Geruch drang in ihre Nase. Beißend und ekelerregend. Hühnermist! Der Wind stand ungünstig.

Sie nahm ihre Tasse und setzte sich an die entgegengesetzte Hauswand der Laube auf einen dort stehenden alten Plastikstuhl. Die Tasse fand ihren Platz auf einem umgestülpten Eimer. Den Kopf an die Hauswand gelehnt, döste sie vor sich hin.

Wie nicht anders zu erwarten, krochen unaufgefordert die Sorgen aus dem Versteck. Der alte Nissan Micra, den sie sich mit Wolfgang je nach Dringlichkeit teilte, würde bald seinen Geist aufgeben. Das war abzusehen. Den nächsten TÜV

würde er nicht überstehen. Für einen Neuwagen fehlte das Geld, selbst für einen Gebrauchtwagen reichte das Angesparte nicht mehr. Davon hatten sie einen großen Teil in Verenas Hochzeit gesteckt. Und Wolfgangs achtmonatige Krankschreibung hatte ebenfalls ein Loch gerissen. Er ging ja erst seit sechs Wochen wieder arbeiten.

Sie rutschte ein bisschen auf dem unbequemen Stuhl umher und malte Luftschlösser in den Himmel.

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dachte sie, würde ich mir Gesundheit wünschen, für Wolfgang natürlich auch ... für alle meine Lieben ...

und Frieden. Ja, Frieden ist wichtig! Frieden für die ganze Welt. Na ja, das ist ein wenig

vermessen. Frieden für unser Land. Sollte ich den Frieden nicht zuerst wählen und dann die Gesundheit? Nein. Was nützt mir der Frieden, wenn ich krank bin?

Ein schickes großes Auto wäre der nächste Wunsch, sinnierte sie weiter.

Mit Sitzheizung, getönten Scheiben und einem großen Kofferraum ... und sie würde mit Wolfgang gern einmal in die Karibik fliegen.

Ihre Chefin im Lebensmitteldiscounter war voriges Jahr in der Dominikanischen Republik. Das würde ihr auch gefallen.

Eine neue Küche würde sie sich auch wünschen. Ihre war schon siebenundzwanzig Jahre alt. So eine mit allem Schnickschnack. Rita seufzte und

trank einen Schluck von dem inzwischen kalt gewordenen Kaffee.

... eine Mittelmeerkreuzfahrt wäre auch schön

... und die Hühner von der alten Schmidt sollen von der Vogelgrippe befallen werden oder der Fuchs soll sie holen, meinetwegen auch ein Wolf.

Sie setzte sich aufrecht hin und sagte laut:

"Rita, das sind viele Wünsche. Das zeugt nicht von Bescheidenheit."

Niemand hörte sie. Die Nachbarparzelle war schon seit Jahren verwaist.

"Ich werde das sofort ändern", murmelte sie.

  "Ich habe nur e i n e n e i n z i g e n Wunsch ... dass sich das alles erfüllt."


© KaraList 09/2017

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Über den Autor

KaraList
In meinem Garten steht kein Birnbaum - trotzdem unschwer zu erkennen wo mein Zuhause ist. Der Dichter, der dieses Land mit Leidenschaft beschrieb, muss damals schon gewusst haben, dass ich mich dort niederlassen würde.
Das Schreiben habe ich - wie fast alle - mit dem ABC erlernt. Eigene Gedanken zu Papier zu bringen ... viel, viel später. Mich hat weder die Muse geküsst, noch fühle ich mich berufen meine Mitmenschen mit meinen literarischen Ergüssen zu überschütten.
Nach gefühlten 20 000 gelesenen Büchern, habe ich mir gesagt, eine Geschichte oder ein Gedicht schreiben, das kannst du vielleicht auch. Und wenn der geneigte Leser nach der letzten Zeile das Buch mit dem Gedanken zuschlägt ´schade, dass es zu Ende ist` - dann war die Mühe nicht umsonst. Denn, Schreiben ist Arbeit.

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Loraine Wünsche - Bescheidenheit - Träumen - wollen
und wirklich bereit sein für deren Erfüllung...
Danke - gut erzählt.
LG Loraine
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Wenn sich die Wünsche und Träume denn erfüllen lassen. Leider ist das nicht immer so.
Ich bedanke mich herzlich für Deine Lesezeit, liebe Loraine.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Eine wunderbare Geschichte, liebe Kara. Hätte gern mehr gelesen und von der Stimmung eingefangen. Du beschreibst die Situation und die Gefühle sehr bildhaft.
Die Sache mit den Wünschen ist ja so eine Sache. Manchmal können sie ganz schnell schrumpfen, weil sie unwichtig werden.
Aber mir gefällt, dass Rita Wünsche hat, die würzen schließlich ihr Leben.
Liebe Grüße
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Herzlich willkommen zurück, liebe Sabine. Schön, dass Du wieder hier bist.

Mir hat das Schreiben dieser Geschichte richtig Spaß gemacht. Da der Schwerpunkt in ihr auf Ritas Wünschen lag, passte es nicht, das Umfeld der Protagonistin intensiver zu beleuchten, obwohl ich das gern getan hätte. :-)
Ja, Wünsche können ganz schnell unbedeutend werden, wenn Einschneidendes das Leben durcheinanderbringt.
Vielen herzlichen Dank für das Geschenkpaket. Freu!
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Magnolie 
Liebe Kara,
eine Geschichte aus dem Leben. Wünschen können wir uns alles, aber ob es sich erfüllen wird, steht in den Sternen.
Herzlichst
Manu
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Liebe Manu,
da hast Du natürlich recht. Doch Rita hat ja nur ´einen einzigen Wunsch`. :-)
Ich freue mich über den Favo. Vielen herzlichen Dank!
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Newcomer Hallo Kara,
ach, was ist doch die Rita für eine Romantikerin! Doch eines wird sie - und die ganze Welt - niemals erleben: Den Frieden. Dazu verdienen viel zu viel Menschen in der Rüstungsindustrie ihr Geld, und die neuen Waffen müssen ja erprobt werden...Dem müssen wir schon ins Auge schauen, ob es uns nun passt oder nicht.
Liebe Grüße von Marko
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Lieber Marco,
als Romantikerin würde ich Rita nicht bezeichnen. Es sind doch nachvollziehbare Wünsche, wenn man das ganze Leben gearbeitet hat. Die sollte man sich auch erfüllen können.
Dass mit Kriegen das meiste Geld verdient wird, ist leider zu wahr. Da stimme ich Dir absolut zu.
Schön, dass Du hier warst. Ich freue mich und bedanke mich herzlich für Deine Lesezeit.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Wenn ich einen Wunsch frei hätte..."
Der letzte wird wohl eher ein frommer Wunsch bleiben,
wenn es weiter nach der Kanzlerette gehen sollte
und mich dünkt bereits, dass es auch diesmal
wieder so kommen wird... :-(((
Denn all diese schönen Dinge sind definitiv mit Geld verbunden,
welches die oberste Feldherrin jedoch nach ihrem Gusto
gern auch mal für andere Zwecke ausgeben wird,
so wie sie es eigentlich schon immer getan hat... ...grinstböse*
Pech also für Rita, was hat sie so auch so einen mies bezahlten Job...
Pech also für Wolfgang, was isser denn auch so ewig lange krank,
kann von Glück reden, dass er nach so langer Zeit nicht gefeuert wurde...
Wo er doch genau weiß, dass er in dieser Zeit keinen einzigen Pfennig
an Geld verdient hat und der KK auf der Tasche lag...
Gut aber für die Automobilindustrie, die jetzt den Spieß umdrehen wird
und aus dem selbstverzapften Mist sogar noch Kapital schlagen darf...
Während die einen weiter kräftig an ihrem wirtschaftlichen Erfolgen anknüpfen
und klotzen was das Zeug hält, wird Rita wohl bis zum Sankt-Nim­mer­leins-Tag
weiter an ihren Luftschlössern herumfriemeln dürfen...
Also jedem das, wie es ihm letztendlich auch zukommt...
LG
Louis :-)



Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Da hast Du den Finger ja richtig doll in die Wunde gedrückt. Es ist schon ungerecht, dass Rita trotz fleißiger Arbeit dazu verdammt ist, an Luftschlössern herumzufriemeln. Zumindest ein Wunsch könnte ihr erfüllt werden. Die Hühner der alten Schmidt sind vor der Vogelgrippe nicht sicher.
Ich danke Dir herzlich für Deinen ausführlichen Kommentar und den Favo, lieber Louis.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
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