Wenn man eine schwere, aber monotone Arbeit tut, ist man beschäftigt, aber der Kopf ist frei. Und wenn man irgendwas findet, was einem in irgendwelcher Form betrifft, Erinnerungen weckt, dann kann es zu einem sehr angenehmen, berauschendem und begeistertem Zustand führen. So was es Mitte der Neunziger, als ich bei L. arbeitete. Es war das Weihnachtsgeschäft, Arbeit, Hektik, Aufregung, Erwartungen, alles ohne Ende. In den Schaufenstern waren alte Buffets mit nostalgischen Puppen und Teddybären aufgebaut. Bis dahin hat mich Antik nie interessiert, aber jetzt war ich froh gewesen, als ob ich alte Bekannte getroffen hätte. Vielleicht war
es die Isolation, das Befremden dort, dass ich etwas Vertrautes, Heimisches suchte.
Die Buffets sahen viel besser aus als der im Elternhaus. Der wurde jedes Jahr noch gestrichen, es war eine hässliche Salatgrünfarbe, die auch nicht hielte. Diese Buffets waren nur mit Lasur oder Lack behandelt, dadurch kam die Holzmaserung zur Geltung, es sah edel und gediegen aus. Der Buffet zuhause bestand aus einem Unterschrank, geteilt durch einen Bogen und einem Oberschrank mit klaren Sprossenfenstern. Da stand das ganze Geschirr: Gläser, verschiedenen Teller. Der Oberschrank war mit einer
Hinterwand aus Holz mit dem Unterschrank zusammengehalten. Vorne wurde er mit zwei Holzbeinen gehalten. In diesem offenen Teil standen meistens ein paar Marmeladengläsern und ein Brotlaib. Im Unterschrank befanden sich verschiedene Tüten und Packungen mit Getreide, Zucker, Bohnen und Erbsen.
Die Anrichte war sehr schön, mit verschiedenen Schnitzereien verziert, der Oberschrank hatte eine verzierte Oberkante und deshalb hatte man auch da eine Ablagemöglichkeit, dort lag verschiedener Kram. Das Geschirr im Büffet war einfach und für alle Angelegenheiten geeignet, die Teller waren alle verschieden, was ich auch
sehr toll fand, die waren mit Goldkanten verziert, hatte entweder Blümchen- oder Tiermuster. Daher konnte ich das mühsame Spülen in ein Spiel verwandeln. Wir hatten auch Teller aus einem dunkelgetöntem Glas, mit wellenartig geschwungenen Kanten. Es war das Festgeschirr.
Ein anderes Mal, beim Putzen einer alten Kneipe, sah ich dort die blumigen 70-Jahren-Gardinen. Zuerst kommt das Gefühl, irgendwo habe ich das schon gesehen, es ist mir sehr bekannt und heimelig. Es kommt aus einer ganz anderen Zeit, die mit der Heutigen ziemlich wenig am Hut hatte. Die Neunziger sind farblos und blass,
naturverbundene Einrichtung ist blasgelb und beige. Die Achtziger: die Pastellfarben, besonders Rosa, Lila, Flieder. Die Siebziger haben Kraft, Mut zur Farbe und Muster. Es war auch eine sehr dynamische, schillernde Zeit und die Farben, natürlich, ähnlich.
Diese Gardinen hatten einen unmöglichen (für Heute) starken Grünton mit großen roten Blumen. Es hat mich an meine Kindheit auf dem Lande erinnert. Es hatte soviel Wärme und Geborgenheit in sich, dass ich mich, praktisch, wie in einer Meditation befand. Ich war auf der Zeitreise in meine Kindheit.
Die Erinnerungen sind etwas sehr kostbares, etwas sehr persönliches. Es ist
das was bleibt, wenn Jahrzehnte vergehen, Dörfer untergehen und Heimaten gewechselt werden.
Wieso ist es einem so wichtig welche Stoffe jeweils getragen wurden, oder welche Möbel man besaß?! Nicht alles Vergangenes ist einem so teuer. Ist es nur mit der Kindheit so, oder hängt es mit dem Gefühl der Heimat zusammen?
arina Rempel „ Erinnerungen“ 3
Wenn man eine schwere, aber monotone Arbeit tut, ist man beschäftigt, aber der Kopf ist frei. Und wenn man etwas findet, was einem in irgendwelcher Form betrifft, Erinnerungen weckt, dann kann es zu einem sehr angenehmen, berauschenden und begeisterten Zustand führen. So was es Mitte der Neunziger, als ich bei L. arbeitete. Es war das Weihnachtsgeschäft - Arbeit, Hektik, Aufregung, Erwartungen - alles ohne Ende. In den Schaufenstern waren alte Büfetts mit nostalgischen Puppen und Teddybären aufgebaut. Bis dahin hat mich Antik nie interessiert, aber jetzt war ich froh gewesen, als ob ich alte Bekannte getroffen hätte. Vielleicht war es die Isolation, das Befremden dort, weswegen ich etwas Vertrautes, Heimisches suchte.
Die Büfetts sahen viel besser aus als der im Elternhaus. Das Büfett bei uns zu Hause wurde jedes Jahr neu gestrichen, es war eine hässliche salatgrüne Farbe, die auch nicht hielte. Diese Büfetts waren nur mit Lasur oder Lack behandelt worden, dadurch kam die Holzmaserung zur Geltung, es sah edel und gediegen aus. Das Büfett zuhause bestand aus einem Unterschrank, geteilt durch einen Bogen und einem Oberschrank mit klaren Sprossenfenstern. Da stand das ganze Geschirr: Gläser, verschiedene Teller. Der Oberschrank war mit einer Hinterwand aus Holz mit dem Unterschrank verbunden. Vorne wurde er auf zwei Holzbeinen gehalten. In diesem offenen Teil standen meistens ein paar Marmeladengläsern und lag ein Brotlaib. Im Unterschrank befanden sich verschiedene Tüten und Packungen mit Getreide, Zucker, Bohnen und Erbsen.
Die Anrichte war sehr schön, mit verschiedenen Schnitzereien verziert. Der Oberschrank hatte eine verschnörkelte Oberkante, die auch eine Ablagemöglichkeit darbot: dort lag meistens verschiedener Kram.
Das Geschirr im Büfett war einfach und für alle Angelegenheiten geeignet. Die Teller waren alle verschieden: viele - mit Goldkanten verziert und hatten entweder Blümchen- oder Tiermuster, was ich sehr toll fand. Daher konnte ich das mühsame Spülen in ein Spiel verwandeln. Wir hatten auch Teller aus einem dunkel getönten Glas, mit wellenartig geschwungenen Kanten. Es war das Festtaggeschirr.
Ein anderes Mal, beim Putzen einer alten Kneipe, sah ich dort die blumigen 70ger-Jahren-Gardinen. Zuerst kommt das Gefühl, irgendwo habe ich das schon gesehen, es ist mir sehr bekannt und heimelig. Es kommt aus einer ganz anderen Zeit, die mit der Heutigen ziemlich wenig am Hut hatte. Die Neunziger sind farblos und blass, die naturverbundene Einrichtung ist blassgelb und beige. In den Achtzigern sind es die Pastellfarben, besonders Rosa, Lila, Flieder. Die Siebziger haben Kraft, Mut zur Farbe und Muster. Es war auch eine sehr dynamische, schillernde Zeit und die Farben, natürlich, ähnlich.
Diese Gardinen hatten einen unmöglichen (für Heute) starken Grünton mit großen roten Blumen. Es hat mich an meine Kindheit auf dem Lande erinnert. Dieses Muster hatte so viel Wärme und Geborgenheit in sich, dass ich mich, praktisch, wie in einer Meditation befand. Ich war auf der Zeitreise in meine Kindheit.
Die Erinnerungen sind etwas sehr Kostbares, etwas sehr Persönliches. Es ist das was bleibt, wenn Jahrzehnte vergehen, Dörfer untergehen und Heimaten gewechselt werden.
Und doch bleibt die Frage: Wieso ist es einem so wichtig welche Stoffe jeweils getragen wurden, oder welche Möbel man besaß? Und auch nicht alles Vergangene ist einem so teuer. Ist es nur mit der Kindheit so, oder hängt es mit dem Gefühl der Heimat zusammen?