Noch während Lu den Wagen einparkte, nahm ich wie betäubt mein Handy aus der Tasche. Ich wusste was ich zu tun hatte. Die Ziffern, die ich nun eintippte, waren seit Jahren in meinem Gehirn eingraviert.
Lu drehte den Schlüssel um und der Motor erstarb. Draußen huschte kichernd ein Pärchen vorbei.
Erst jetzt bemerkte sie, was ich tat und sah mich eiskalt an. Das tust du nie im Leben, drohte ihr stummer Blick. Ich erwiderte ihn – zum ersten Mal, seit wir uns kannten. Es war vorbei, sie konnte mir nichts mehr anhaben. Langsam hielt ich das Handy weg von meinem Ohr und drückte das Symbol mit dem
Lautsprecher. Sie sollte alles hören.
Die Luft im Auto vibrierte vom lauten Tuten des Freizeichens. Dann ertönte ein Klicken und eine Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung. Ich zuckte zusammen.
„Stan? Stanley“, die Worte kamen nur mühsam aus meiner Kehle.
„Dad?“
Der Klang von Stan´s Stimme erfüllte den Innenraum des Wagens, erfasste mich wie eine Welle und trug mich weg. Weg von Lu, die sich in diesem Moment ihrer Machtlosigkeit bewusst geworden war und mich nur noch aus leeren Augen anstarrte. Er trug mich in die Wärme und Geborgenheit einer Vergangenheit, über
deren Verlust ich nie hinweggekommen war.
Noch am gleichen Abend verließ ich Lu. Wortlos packte ich meine Sachen in die Koffer, die noch ganz vorne im Keller standen. Erst vor zwei Wochen waren wir von unserer Brasilien-Reise zurückgekehrt.
Lu saß in der Küche und rührte in ihrem Kaffeebecher, ohne einen Schluck zu nehmen. Sie schaute nicht auf, als ich die Schlüssel auf den Tisch legte. Ihr Haarband hatte sich gelöst und die roten Locken fielen ihr über die Schultern.
Ich verabschiedete mich ohne Kuss, ohne Worte. Ich ging. Das Kapitel war zu
Ende und wir beide wussten das.