Zur verfassungsrechtlichen Grundlage der sogenannten „Ehe für alle“
I.
Seit Freitag, den 07.07.2017 ist, nach Beschlüssen in Bundestag und Bundesrat Gesetz geworden, was viele politische Kräfte seit langer Zeit fordern, die sogenannte „Ehe für alle“ (BT-Drs. 18/6665) d.i. die Möglichkeit der Eheschließung auch zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern. Bis heute war diesen gesetzlich erlaubt eine eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz
(LPartG) einzugehen. Dieses regelte die Rechte und Pflichten in einer solchen, wobei diese sich eng an die Regelungen für Ehegatten im BGB orientierten, freilich mit Ausnahmen, welche nicht immer verfassungskonform waren, wie bspw. das Verbot der Sukzessivadoption vollkommen leibesfremder Kinder. Im Folgenden möchte ich meine persönliche Begründung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vorlegen im Bewusstsein, dass das BVerfG bisher eine anders lautende, konservativere Linie beschreitet.
II.
Als Erstes muss definiert werden, was ich im Folgenden unter einer „Ehe“ verstehe, damit geklärt werden kann, ob eine Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern dies auch sein kann.
Erste Richtschnur für eine Interpretation ist der Wortlaut der Verfassung, jedoch sagt Art. 6 Abs. 1 GG lediglich: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Was eine selbst ist wird in der Verfassung nicht definiert.
Zumindest eines ist klar: die Begriffe Ehe und Familie sind unterschiedlich.
Eine Familie ist nach hergebrachter Lehre der persönlich enge Zusammenschluss zwischen einem Kind und mindestens einer erwachsenen Person, wobei dieses Verhältnis durch eine besondere persönliche Nähe gekennzeichnet ist (siehe nur: Burkhart, in: Leibholz/Rinck, GG, 73. Lieferung Stand 03/2017). Demnach kann der alleinerziehende Elternteil und sein Kind, Patchwork Elternteile, Pflegeeltern mit dem Pflegekind und auch eingetragene Lebenspartner und ihr adoptiertes Kind eine Familie bilden.
Die Ehe dagegen meint das Band allein zwischen den Ehegatten, Kinder spielen
bei der Begriffsbestimmung keine Rolle. Nach bisher herrschender Meinung, die auch das BVerfG in neuesten Entscheidungen vertritt (u.a. BVerfG, Beschluss vom 19.06.2012, 2 BVR 1397/09, BVerfGE 131, 239, 259; Beschluss vom 22.10.2014, 2 BVR 661/12, BVerfGE 137, 273, 342) ist eine Ehe das auf Dauer angelegte Band zwischen zwei nicht geschlechtsidentischen Partnern, wobei das BGB in §1303 BGB das Alter für die Ehefähigkeit auf 18 Jahre konkretisiert, jedoch die Ausnahme zulässt, dass ein Partner im Zeitpunkt der Eheschließung 16 Jahre alt sein darf, wenn er die erforderliche geistige Reife hat die
Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken.
Doch warum wird die Ehe zwischen nicht gleichgeschlechtlichen Partnern geschlossen? Begründet werden kann dies freilich nicht damit, dass es schon vor undenklichen Zeiten so war. Denn dies würde die Ehe zwischen Mann und Frau zu einem Axiom erheben d.h. einer Bedingung, welche selbst keine Begründung mehr hat.
Eine Begründung ist, dass eine Ehe eingegangen wird, damit aus dieser festen Verbindung Kinder hervorgehen können d.h. die Ehe ist der
Grundbaustein des physischen Erhalts der Gesellschaft. Dies würde aber bedeuten dass eine Ehe eine notwendige Bedingung dafür ist, dass man Kinder erzeugen kann. Dies ist aus biologischer Sicht falsch, denn Kinder können unproblematisch auch im außerehelichen Verkehr gezeugt werden.
Immanuel Kant hat in der Metaphysik der Sitten begründet, wieso der Gebrauch der Geschlechtsteile nur innerhalb einer Ehe der Würde des Menschen entspricht, denn seiner Sicht nach ist die fleischliche Hingabe jenseits des ehelichen Vertrages, also jenseits der Eheschließung, ein Akt, bei dem sich der
eine dem anderen so hingibt, dass er sich dem anderen zum bloßen Objekt macht, was in der Ehe nicht mehr sein soll, da man sich hier gegenseitig erwerbe und hierdurch die eigene Persönlichkeit zurückgewinne (Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre §§ 24 f.). Es ist müßig an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass Kant mit dieser Unterscheidung die sittlichen Vorstellungen seiner Zeit in Vernunftbegriffe gebracht hat, es aber keineswegs so ist, dass ein solches sich verobjektivierendes Verhalten nicht auch beim ehelichen Beischlaf möglich ist bzw. immer beim Verkehr außerhalb der Ehe gegeben sein muss.
Eine letzte Begründung könnte in der Natur zu finden sein. Denn unumstritten hat die Natur es so eingerichtet, dass nur zwischen nicht gleichgeschlechtlichen Partnern der Verkehr dazu führen kann, dass hieraus Kinder entstehen können. Nach dieser rein biologischen Betrachtung ist der Verkehr zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern eine Sackgasse, die nicht zum physischen Erhalt der Gesellschaft beiträgt. Doch nur weil die Natur etwas einseitig ermöglicht bedeutet dies nicht, dass eine Gesellschaft dem strikt folgen muss, denn der freie Zusammenschluss von Subjekten, denen der absolute freie Wille gegeben ist ermöglicht es ihnen auch
Vereinbarungen zu treffen d.h. Gesetze sich selbst zu geben (diese Selbstgesetzgebung ist die Autonomie des Menschen), welche den Naturgegebenheiten widersprechen aber zugleich real mögliche Handlungsalternativen sind. Naturwidrig in diesem Sinne sind allein Gesetze, welche der Natur und den realen Handlungsalternativen zuwider sind wie das Verbot der Zauberei, denn weder ermöglicht die Natur einem Menschen zu zaubern, noch könnte ein Mensch dies ein entsprechendes Verbot ist deshalb naturwidrig.
Der Einwand, dass Kinder von
gleichgeschlechtlichen Partnern öfter Drangsalen durch ihre Umwelt ausgesetzt seien und deshalb psychisch stärker risikogeneigt seien als Kinder aus herkömmlichen Elternhäusern ist eine Behauptung, welcher bisher mit keiner seriösen Studie unterfüttert werden konnte (Das Gegenteil wird bewiesen durch die Studie von Stacey/Biblarz, ASR, Vol. 66 Nr. 2, Seite 159 183).
Damit kann auch die letztgenannte Begründung nicht überzeugen als Grund einer Ehe. Würde man den Gedanken konsequent auf die Spitze treiben würde dies bedeuten, dass Partner unterschiedlichen Geschlechts, welche,
aus welchem Grunde auch immer, keine Kinder bekommen können, nicht heiraten dürften, was aber voraussetzt, dass Fruchtbarkeitstests vor einer Eheschließung abzugeben wären. Dies würde jedoch sensible Daten zur eigenen Geschlechtlichkeit dritten Personen zugänglich machen, was ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) darstellt.
Wenn man nun gleichgeschlechtlichen Partnern die Ehe gestattet, dann muss die Grundlage für eine Ehe eine andere sein als dass hieraus Kinder entstehen. Doch
wie könnte diese aussehen?
III.
Diese andere Begründung muss selbst verfassungskonform sein und damit zuallererst der unantastbaren Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) genügen, welche die höchste Norm ist, aus der sich m.E. das gesamte einfache Recht sowie das Verfassungsrecht ableitet.
Doch warum entscheiden sich Menschen zur Eheschließung? Aus einer innigen Verbundenheit zum anderen Partner die aus deren Sicht die Beständigkeit bis
zum Tode eines der Partner haben soll. Anders ausgedrückt ist die Grundlage einer jeden auf diese Dauerhaftigkeit angelegten Partnerschaft die Liebe beider zueinander. Diese Liebe hat selbst nichts Unterwerfendes, denn ihr einziges Ziel ist die gegenseitige Achtung und Wertschätzung des Partners. Eine Liebe, welche den anderen verzehrt oder der freien Verfügungsgewalt unterwirft ist tyrannisch und verobjektiviert den Betroffenen, sodass dessen Würde verletzt wird, was aber nicht Grundlage einer Ehe sein darf, wenn diese den Anforderungen des GG standhalten will.
Wenn eine so verstandene Liebe die
Grundlage für eine Eheschließung ist, dann ist kein Grund ersichtlich warum dies gleichgeschlechtlichen Partnern verschlossen bleiben soll. Gerade dies kann von der staatlichen Ordnung nur gewünscht sein, denn eine solche Liebe kann Garant für den gleichberechtigten und respektvollen Umgang der Partner untereinander, welcher sich dann auch im Verhältnis zu einseitig leibesfremden oder vollständig leibesfremden Kindern, welche adoptiert werden, äußert. Welch bessere Bedingungen könnte ein Kind für eine gelungene Entwicklung zur Selbstbestimmtheit haben, als wenn diese durch ein liebendes Elternpaar begleitet wird?
Natürlich kann man auch dieser Grundlage entgegenhalten, dass dies nicht garantiert, dass diese Liebe ewig hält, über 160.000 Scheidungen seit dem Jahr 2013 (https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/12631-0001) beweisen dies. Auch kommen in der durch die Ehe gestifteten Familie psychische und/oder physische Vergewaltigungen der Kinder vor (hierzu sei das Buch Kavemann/Kreysing (Hrsg.) Handbuch Kinder und häusliche Gewalt anempfohlen), welche deren Entwicklung nachhaltig stören. Für diese Fälle erlaubt schon die Verfassung in Art. 6 Abs. 3 GG den schützenden Eingriff des Staates als
letztes Mittel auf Grundlage gesetzlicher Ermächtigungen. Dies gilt selbstverständlich auch bei Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Gatten. Die Einwände dürften nicht stichhaltig genug sein, um diese Begründung zu Fall zu bringen.
IV.
Nachdem ich aufgezeigt habe, dass es eine verfassungskonforme Begründung gibt, dass der Begriff der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Partner Geltung beanspruchen kann, kann nur gehofft werden, dass bei einem Abstrakten
Normenkontrollverfahren, welches CDU/CSU bereits angekündigt haben, das neue Gesetz der richterlichen Prüfung des BVerfG standhält und dieses von seiner bisherigen Linie abweicht. Das GG steht einem solchen anderen Verständnis auf jeden Fall nicht im Wege.
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