Nur ein Augenblick
Aus einem Holunderbusch weht ihm die duftende Wärme des Sommers in die Nase. Wie aus dem Nichts strömen Gedanken aus längst vergangner Zeit in seinen Kopf. Er sieht sich unter weiß blühende Dolden, mit den Beinen wippend am Bach sitzen. Ein glucksendes Schattenspiel. Der Geruch von Erde erinnert ihn an Wiesen, die im Wind rollen. Ein Lächeln umspielt sein Gesicht, furchtlos sitzt er als Junge im Baum und schaut dem Bussard zu, wie er seine Kreise zieht. Der betagte Mensch auf der Hausbank winkt ihm zu. Großvater? Er hört das Rauschen des
Winds in den Baumkronen, schaut den ziehenden Wolken am Horizont zu. Von fern klingt die Musik einer Mandoline. Vor seinen Augen fliegen die Zöpfe der Mädchen semmelblond, die Luft von den Bergen streift die Wange mit Zedernduft.
Und dann kam dieser Druck in der Brust. Das Atmen fiel ihm immer schwerer und er spürte diesen stechenden Schmerz im Inneren. Er ließ die lange unterdrückte Traurigkeit zu, seine Mundwinkel zuckten als er das Salz der Tränen auf den Lippen spürte. Er fühlte sich leer wie nie zuvor. Er schluckte und wusste was es war. Heimweh. Heimweh nach dem Duft der Kindheit, einem Du, einer
Stadt, einer Liebe, einer Zeit …