Forumbattles 62
Thema: Die dunkle Seite in mir
Wortvorgaben
- Nacht - Kampf - stark - Seele
- Messer- Wein - beichten
- Zombie- Teufel- Horizont
- Vermögen/vermögen - Aufstieg
Text: Martina Wiemers
Buchcover: IS 611-82 fotosearch
gefunden bei google
als kostenloses Foto
Heute, an meinem 75. Geburtstag, werde ich die Sau rauslassen und meinen Söhnen und dessen prüden Frauen ihre Niedertracht und Bosheit heimzahlen. Sie meiden mich seit Jahren und schämen sich in der Öffentlichkeit für die ästhetisch schönen Aktfotografien von mir in der Galerie meiner Freundin Angelika Zwardy.
Das ich in Talkshows über Sex im Alter rede und meine Ratschläge in Magazinen gedruckt werden, ist für sie ein völliges „No Go“. Zum Teufel mit diesen Schleimern und Arschkriechern, die schon auf meinen Tod hoffen.
Ich sitze wartend am Tisch, schäle mit dem Messer einen Apfel und sehe Werner
beim Zeitung lesen zu. Er besucht mich oft in meiner großzügigen 8-Zimmerwohnung im Seniorenstift und bleibt manchmal auch über Nacht. Gut sieht er aus. 1,80 m groß, langes weißes Haar, kleine Fältchen um die Augen, ein starker, richtiger Kerl, mit dem ich in den 60-zigern Joints rauchte, der freien Liebe frönte und der beim Kampf gegen das Etablissement keinen Kompromiss duldete.
Erst gestern hat Werner im Reisebüro mitangehört wie sich Edith, Rudis Frau, nach den Kosten einer einjährigen Weltreise erkundigte. Wenn ihr Mann erbt, soll es sofort losgehen. Sie freue sich schon auf Australien und das Seele
baumeln lassen in Neuseeland. „Die Alte“, ist zwar zäh und bei bester Gesundheit, doch das ewige Leben hat sie auch nicht“, sagte sie höhnisch zu Gretchen, der Reiseverkaufsfrau. Edith konnte ja nicht wissen, dass Gretchen, Werners Enkelin ist.
Auch der Angelika werde ich eins auswischen. Die geht jeden Sonntag mit den anderen bigotten Weibern in die Kirche um zu beichten. Der Aufstieg zum Himmel ist ihr jetzt schon sicher. Ihre einzige Sünde besteht darin, dass sie meinen jüngsten Sohn, Erwin, geheiratet hat. Der sieht mittlerweile aus wie ein Zombie, ausgemergelt und grau im
Gesicht, weil nur Grünzeug und kein Fleisch auf den Teller kommt.
Der Notar klopft pünktlich um 14:00 Uhr an meine Tür. Er beglaubigt, ohne langes Zögern, mein vorbereitetes handgeschriebenes Testament.
TESTAMENT erstellt am 21. Juni 2017
von Heidelinde Markolt
im Vollbesitz meiner geistigen Fähigkeiten:
Ich, Heidelinde Markolt, vermache
1. der Gemäldegalerie Berlin, als unverkäufliche Dauerleihgabe, die, bei der Berliner Stiftung „Preußisches Kulturgut“ eingelagerten Bilder, von Monet, Liebermann, Kandinsky und van Gogh.
2. Meine Wohnung 5/67 im Kölner Seniorenstift „Sonnenschein“
4 Personen mit wenig Einkommen, ab 65 Jahre, zur Gründung einer Alten-WG, finanziert aus dem Erlös meiner dortigen Möbel und Kunstgegenstände, sowie aus
Stiftungsgeldern meines Vereins
"Abenteuer Altern"
(Weder meine Söhne, noch dessen Ehefrauen, dürfen jemals dort einziehen)
3. Meinem ältesten Sohn Rudi vermache ich nach meinem Tode die Hälfte meines noch vorhandenen Vermögens mit der Maßgabe:
- sich innerhalb der nächsten drei Jahre von seiner Frau Edith scheiden zu lassen.
(Ansonsten fällt die Summe als Spende, außer dem Pflichtteil, an die Bahnhofsmission Köln).
4. Meinem jüngsten Sohn Erwin vermache ich nach meinem Tode die Hälfte meines
noch vorhandenen Vermögens mit den Maßgaben:
- monatlich davon mindestens 500 Euro für Fleisch und Wurst auszugeben
- in den darauffolgenden 4 Jahren je 3 kg zuzunehmen.
- zweimal im Monat ein Bordell aufzusuchen
(Ansonsten geht die Summe ( außer dem Pflichtteil ) an das Kinderhilfswerk in Saarbrücken).
5. An die Fotografin und Galeristin Angelika Zwardy, sowie deren Erben, trete ich sämtliche Rechte an meinen Aktfotografien und Skulpturen aus den Jahren 1960 bis 1969 und 2000 bis 2017
ab. Die Exponate dürfen vervielfältigt, weltweit in öffentlichen Räumen und Magazinen gezeigt werden. Eventuelle Einsprüche von Familienmitgliedern sind zu negieren.
Heidelinde Markolt
Köln, am 21. Juni 2017
Beglaubigt, am 21. Juni 2017
Stempel und Unterschrift
durch den Notar Heribert Kaufbold
Abends, an Bord der "Queen Elisabeth", küsst mich Werner in der Präsidentensuite beim Ablegen des Luxus-Liners zärtlich. Er öffnet die kaltgestellte Flasche
Weißwein, streichelt meinen nackten Körper, erhebt sein Glas und prostet mir frivol ins Ohr:"Auf dich und unser schönes, neues, wildes Leben. Du warst noch nie ein braves Mädchen. Ich liebe dich und dein "über die Stränge schlagen".
Er hebt mich hoch, presst mich gegen die große vordere Kabinenscheibe, schlingt mein linkes Bein um sein Becken und beginnt langsam sich rhythmisch zu bewegen.
Bevor ich mich ganz verliere, sehe ich weit draußen am Horizont die Sonne untergehen