© 2017 Zea Gordon
Herstellung und Verlag
BoD Books on Demand, Norderstedt
ISBN: 978-3-7407-3024-6
Was hinter uns liegt und was vor uns liegt, sind kleine Angelegenheiten verglichen mit dem, was in uns liegt.
Ralph Waldo Emerson
Immer wenn Sophie sich einsam fühlte, ging sie zur Bahnhofstraße, setzte sich auf eine der freien, eisernen Bänke und beobachtete die sich vor ihr ausbreitende Szene. Verlassene Waggons, auffliegende Tauben, alte Herren mit schwarzen Koffern, die forschen Schrittes zwischen den Aushängeschildern hin und her marschierten, kleingedruckte Zahlen auf verblichenem gelbem Papier studierten, und Kinder, die unablässig an den Röcken ihrer Mütter zupften, waren allgegenwärtig. Sie dachte in diesen Augenblicken einfach gar nichts und ließ vergangene Bilder wie die Züge voller Passagiere in die Ferne passieren.
Ein paar staubige Sonnenstrahlen flossen durch die gläserne Wand, hinter der Sophie saß. Irgendjemand hatte ein Herz mit Lippenstift daraufgemalt. Sie hatte noch genau eine Stunde Zeit bis zum Treffen bei ihren Eltern.
Irgendwie erinnerte sie diese Abfolge von Ereignissen an einen bestimmten Tag, ebenfalls im Sommer, der nun schon seit einem Jahr Vergangenheit war. Der Tag, an dem Herr Tilman ihr ein Angebot gemacht hatte, welches sie in die Zebrastraße 2 führte. Manchmal fragte sie sich, wie alles gekommen wäre, wenn sie sich an diesem besagten Tag einfach in einen der Züge gesetzt hätte, statt zu ihren Eltern zu fahren. Sie schloss die Augen. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich, wie sie mit gewaschenem Haar, das nach Rosenöl duftete, einem Sommerkleid, das sie über kurzen Leggins trug, und Stöpsel in den Ohren ihre Einzimmerwohnung verließ und sich auf ihr Rad schwang. Ihre Eltern wohnten im Nachbarort, was manchmal von Vorteil war, wie nun, da sie etwas in Eile war. Der Wind zerrte an ihrem Leib und seine Kühle legte sich um ihr Gesicht wie lebendig sie sich fühlen
konnte!
Züge voller Passagiere in die Ferne passieren.
Ein paar staubige Sonnenstrahlen flossen durch die gläserne Wand, hinter der Sophie saß. Irgendjemand hatte ein Herz mit Lippenstift daraufgemalt. Sie hatte noch genau eine Stunde Zeit bis zum Treffen bei ihren Eltern.
Irgendwie erinnerte sie diese Abfolge von Ereignissen an einen bestimmten Tag, ebenfalls im Sommer, der nun schon seit einem Jahr Vergangenheit war. Der Tag, an dem Herr Tilman ihr ein Angebot gemacht hatte, welches sie in die Zebrastraße 2 führte. Manchmal fragte sie sich, wie alles gekommen wäre, wenn sie sich an diesem besagten Tag einfach in einen der Züge gesetzt hätte, statt zu ihren Eltern zu fahren. Sie schloss die Augen. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich, wie sie mit gewaschenem Haar, das nach Rosenöl duftete, einem Sommerkleid, das sie über kurzen Leggins trug, und Stöpsel in den Ohren ihre Einzimmerwohnung verließ und sich auf ihr Rad schwang. Ihre Eltern wohnten im Nachbarort, was manchmal von Vorteil war, wie nun, da sie etwas in Eile war. Der Wind zerrte an ihrem Leib und seine Kühle legte sich um ihr Gesicht wie lebendig sie sich fühlen
konnte!
wie nun, da sie etwas in Eile war. Der Wind zerrte an ihrem Leib und seine Kühle legte sich um ihr Gesicht wie lebendig sie sich fühlen
konnte!
Nach einem Hügel und ein paar Abzweigungen sah sie es schon, das Anwesen ihrer Eltern. „Unser Retrohaus“, nannte ihr Vater es stets liebevoll. Es war im barocken Stil gebaut, mit luftigen Balustraden, die um den Garten verliefen und diesen kunstvoll einfriedeten. Wie die Nachbarhäuser war es in einem verwaschenen Creme-Weiß-Ton gestrichen und fügte sich widerstandslos in die Reihe ein. Oft war es ein Ort der Begegnung für Kunstliebhaber und Freunde der Eltern.
Sophie verstaute ihr Rad in der Garage. Es wollte so gar nicht zu den anderen Rädern passen und wirkte neben ihnen wie ein Esel unter Rennpferden, dachte sie und grinste.
Nachdem sie die Garage abgeschlossen hatte, ging sie zum Vorhof und klingelte.
Tief Luft holend, strich sie sich ein paar ihrer kurzgeschnittenen Haarsträhnen hinters Ohr. Nervosität war für gewöhnlich kein ausgeprägter Charakterzug von ihr, doch nun fühlte sie sich auf unbestimmte Weise unvorbereitet.
kein ausgeprägter Charakterzug von ihr, doch nun fühlte sie sich auf unbestimmte Weise unvorbereitet.
„Ja bitte?“, erklang die geschäftige Stimme ihrer Mutter, aus der Sophie aber einen warmen Ton heraushörte.
„Ich bins. Sophie.“
„Hallo, Schatz, komm rein, der Tisch ist schon gedeckt.“
Ein Summton erklang und Sophie drückte die Tür auf, die zum Eingangsbereich des Hauses führte.
Strahlend wie tausend Sonnen und mit offenen Armen, als wollte sie die komplette Nachbarschaft miteinschließen, begrüßte Frau Gustavson ihre Tochter.
„Sind Herr und Frau Tilman schon da?“, fragte Sophie.
„Nein, sie werden sich verspäten, es gibt Stau. Fangen wir doch schon einmal mit dem Kaffee an.“ Das befreundete Ehepaar der Eltern war ebenfalls eingeladen.
Frau Gustavson strich Sophie übers Haar und schenkte ihr wieder ihr strahlendes Lächeln. Für einen Moment fragte sich Sophie, wie ein einziger Mensch so viel Energie in ein Lächeln bündeln kann, doch dann ließ sie den Gedanken fallen und beschloss, dass man sich für Unerklärliches eine Lösung sparen könne.
Energie in ein Lächeln bündeln kann, doch dann ließ sie den Gedanken fallen und beschloss, dass man sich für Unerklärliches eine Lösung sparen könne.
Sophie betrat die Durchgangshalle, welche hinter der aufsteigenden Wendeltreppe lag, die sich neben dem Ankleidezimmer befand und das Wohnzimmer, die Küche und die übrigen Zimmer miteinander verband. Überall hingen oder standen Accessoires in Form von kleinen Buddhas, Elfen oder Schmetterlingen. Ihr Vater hatte sich an diesen Stil bereits gewöhnt, vielleicht inspirierte er ihn sogar. Er war nämlich Schriftsteller und lebte von der Inspiration.