…und dann saß ich auf dem Boden der Kathedrale in Santiago und weinte…
…um mich herum hunderte, tausende Menschen, Pilger und Touristen oder beides gleichzeitig.
Suchende. Ankommende. Startende. Einnehmende. Findende.
Ich bin kein praktizierender Katholik und wüsste auch nicht, wie das aussehen sollte, wenn es denn so wäre, ich bin kein Befürworter monotheistischer Glaubenskonstrukte und Atheismus ist für mich ebenfalls ein Glaubenskonzept,
vielleicht sogar jenes, das dem Göttlichen in uns am nächsten kommt und ich verehre auch nicht das Leiden und das Abbilden des Leids dieser katholischen oder anderer Religionen,
doch, bei meiner Ankunft, kamen sie aus mir heraus, die ungeweinten Tränen der letzten 44 Jahre und es war kein Schmerz, sondern ein Ausdruck der Linderung eines Schmerzes…
…passend zu all den sich mir darbietenden Bildern in der Kathedrale: Jesus am Kreuz mit Blutmalen, geschmückt mit dem echten Haar einer Gläubigen, Totenköpfe zu seinen Füßen, Flammen, die Menschen fressen, der
reitende Kreuzritter erschlägt erhaben die Ungläubigen, die wirklich Anwesenden knien in Demut oder Angst, von Ergriffenheit gezeichnete Gesichtszüge, rezitieren Gebettexte, manche offenbarend kniend an Beichtkammern mit pastoralem offenen Ohr, auf spanisch, deutsch, englisch, italienisch, russisch, die Botschaft der Prediger: Liebe die Armut, liebe den Glauben, beichte und gebe von dem was Du hast und wir horten das Materielle für dich…
…den letzten Satz interpretiere ich…
…das ist so negativ von mir gedacht, das mich eine sofortige Umkehrung des
Fleisches ins Nichtfleischliche, nicht erschüttern würde, tief sitzende Glaubenssätze, ich löse mich auf, bin nur noch Tränen und wundere mich, wundere mich später über diese Energie, die diesem Ort inne scheint, eine Energie, die von den Millionen Menschen, die hier Hilfe und Trost suchten, Trost, Sinn und Heilung fanden, ausgeht und durch den Wunsch, ein gutes Leben leben zu können genährt wird…
…das ist der eigentliche Schatz dieses Ortes, nicht die Abbilder, nicht die Predigten, nicht der Reichtum der Kirche, nicht die Anwesenheit der vom Stellvertreter Christi auf Erden
gesandten und gesalbten, nicht die riesige Orgel, nicht die riesige Weihrauchlaterne, nicht die angeblichen Gebeine des Heiligen Jakobus, nicht das Spektakel…
…allein die Menschen in ihrer Suche nach etwas Frieden, inneren Frieden, sind der Schatz dieses Ortes.