Indianer und andere Fehleinschätzungen
Nila Northsun
schläft neben mir.
Sie schnarcht
und stinkt
nach Gedichten.
Solche Gedichte,
die ich nicht schreiben werde.
Weil meine Oma
keine Indianerin ist,
weil meine Jacke nicht
verdreckt ist
und weil ich keine warmen Bohnen mag.
Ich könnte
kotzen.
Mir fehlt einfach alles.
Und mitten in meine Befindlichkeit
drängt sich dieses Gefühl
von Wirklichkeit.
Mein Opa war Kriegsveteran.
Konnte nicht mehr laufen,
nicht mehr reden,
nicht mehr lachen.
Er spielte Gitarre.
Traurige Melodien,
während Oma weinte.
Und wir Kinder
rannten lachend
in der Sonne
herum.
Als meine Oma starb,
wurde mein Opa senil.
Er erkannte uns nicht mehr
und starb.
Weil er das so wollte,
sagte meine Mutter.
Und ich wusste,
dass sie lügt.
Aber sie war stark.
Hat uns großgezogen.
Ohne Vater,
ohne Opa,
ohne Oma.
Und Nila
schläft.
Scheiß auf die Indianer,
scheiß auf warme Bohnen
und staubige Stiefel.
Ich werde sie wecken
und sie dann vergessen.