Das Erwachen
Düsternis legte sich über das erwachende Kind, wie ein Mantel aus frisch gefallener Asche. Ihre Lider flackerten, tanzten, dem Licht einer Kerze im Wind gleich und tatsächlich, Wind zog auf und brachte die knarrenden Bäume zum Krächzen.
Ihr messingfarbenes Haar leuchtete noch kurz auf in dem Rest der untergehenden Sonne und dann verschluckte sie die Nacht.
Dort erwachte das Kind nun endlich, nur
gekleidet in ein simples Nachthemd, übersät mit roten Flecken, doch ob es Blut oder nur der Saft der purpurnen Beeren war, die sie zuvor gegessen hatte, konnte niemand mit Gewissheit sagen.
Sie blickte sich mit unschuldigen Äuglein um und langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen, wie in Trance versetzt, denn sie wollte die Lichtung verlassen, einfach nur weg.Die Dunkelheit hatte nahezu alles verschluckt und sie sah nur die langen, dünnen Arme der Äste, die mit knochigen Fingern nach ihr griffen. Ihr Atem ging schneller und sie schlang die Arme um sich, ängstlich, verwirrt. Konnte das wahr sein? Sie schluchzte laut auf und erschütterte die Ruhe.
Wieder schüttelte ein nächster Windstoß das kleine Mädchen um und sie lag dort, wieder auf dem feuchten Waldboden. Nun fröstelnd, nein, zitternd und bebend kroch sie auf allen Vieren mit glasigen Augen in eine Baumhöhle. Tränen liefen ihr wie Tau über die Wangen und durchnässten einige Teile ihres strähnigen Haars. Sie harrte dort aus, bis der Wald wieder verstummt war. Ganz plötzlich war er das, eben tobte noch der Sturm und schnitt ihr mit harten Wind in die nackten Beine, da war es still. Den Kopf nach draußen neigend, schien auch ihr Herz zu verstummen. Alles war ruhig, keine Vögel sangen oder Insekten surrten, denn die Ruhe war
ohrenbetäubend. Langsam hievte sie sich wieder hinaus.
Das Lachen und Kichern begann, als sich das Mädchen mit dem Messinghaar einem kleinen Trampelpfad, von Tier oder Mensch, zu wandte.
Das Lachen, denn es war das einzige Geräusch, dass die Stille anzurühren wagte, wanderte hin und her, sprang wie von der Tarantel gestochen von Seite zu Seite. Das Kind erschrak, riss sich zusammen und lief weiter. Hatte sie denn eine Wahl? Wo sie auch hinkommen würde, bestimmt, ja ganz sicher würde es besser sein als im dunklen Gehölz.
Mal war es vor, dann hinter ihr. Es drängte sie wie eine unsichtbare Macht
in eine Richtung, die das Mädchen mit dem Messinghaar nicht zu begreifen wusste. Sie wagte es nicht, sich umzuwenden, auch wenn das Kichern sich ihr so nah aufdrängte, das sie fast den Atem des Geists im Nacken spüren konnte.
Als sie schließlich von dem soviel Sicherheit gebenden Pfad hinunter geführt wurde, verlor sie fast die Besinnung vor Angst und hielt sich krampfhaft die Ohren zu. Sie schrie auf, um gegen die anhaltende, unerträgliche Ruhe anzukommen.
Während sie rannte, ratschten ihr Dornen und Äste die mittlerweile blutigen Knie weiter auf.
Sie stolperte.
Das Lachen verstummte, als das Kind auf dem harten Steinboden aufschlug. Ihr Sichtfeld war verschwommen, alles was sie noch wahrnehmen konnte, war das zaghafte Licht, das von oben auf sie herab schien. Mit großen, tränenverhangenen Augen blickte sie sich um und erschrak. Nur ein kleiner Gang erstreckte sich zu ihren Füßchen, so niedrig, das sie ihn zunächst kaum wahrgenommen hatte. Wo führte er hin? Zaghaft senkte sie ihren Körper herab auf die Erde; kein Ausgang ließ sie auf ein schnelles Erwachen aus dem bösen Traum hoffen.