Rasenpflege
„Komm doch mal bitte“, zwitscherte meine bessere Hälfte.
Wenn sie so süß tirilierte, wusste ich, dass Schreckliches auf mich zukommen würde. „Schau mal, mit dem Rasen muss etwas geschehen!“
Ich blicke intensiv über die Rasenfläche unseres Gartens.
„Schön grün, finde ich.“
„Mach! Tu was!“
Nur einfältige Männer würden nun hinaus gehen und ihren Tatendrang entfalten. Ich war professioneller. Ich suchte einen Spezialisten aus dem Internet heraus.
Einen Rasenberater.
Die Firma heißt „Prairie Industries“. Man wollte gleich einen Spezialisten vorbei schicken, der sich erst von der konkreten Sachlage ein Bild machen würde, um ein Projekt initialisieren zu können.
Schon eine Stunde später war er da. Der Spezialist hieß Herr Halm. Halm überblickte unseren Garten, speziell die Grashalme, und verzog immer wieder den Mund. Er schien besorgt.
„Tja, in solch einem Fall, müssen wir erst eine gründliche Analyse durchführen. Sie sehen ja, dass der Zustand erbärmlich ist.“
Ich schaute über unsere satte, grüne Wiese und nickte.
„Erbärmlich.“
Nun holte Halm seine Utensilien.
Es waren hunderte von längeren Stahlstiften, die er netzartig in unserem Rasen hinein steckte. Dann wurde das Ganze verdrahtet und dann klackerte er auf seinem Laptop herum. Unser schöner Rasen war nun mit einem Fischernetz aus Kabelsträngen bedeckt.
„Was haben sie denn überhaupt für den Rasen getan?“
Ich wurde rot.
„Ich habe ganz normal vertikutiert, Moos ausgerecht, gekalkt, gedüngt, mit so einem Verteilerwagen.
„Tss, tsss! Nur Handarbeit?“
„Ja, von selbst macht sich das nicht.“
Halm schüttelte den Kopf und tippte weiter.
„Und?“
„Ich kann im Augenblick nur eine oberflächige, generische Aussage machen. Ich berücksichtige dabei bewährte Benchmarks, also die list of excellence.“
„Freilich, is' klar“, bestätige ich. „Wie sieht es denn nun aus?“
„Wir greifen auf ein excellierendes, proprietäres Tool zurück, das den Untergrund…“ Ich unterbrach
„Sie meinten exzellentes, oder?“ Ich wollte es dem Schwafler schon zeigen.
„Excellierend ist schon richtig. Niveaunivellierend ausgedrückt, ähnlich wie steigernd. Und proprietär heißt...“
"Weiß ich“, unterbrach ich schnell. Wurst, dass ich es nicht wusste, aber Herr Halm ging
mir auf den Senkel.
„Ich würde ihnen vorschlagen, dass wir eine Projektierung aufsetzen, um ein comprehensive, Overhead Packet zu schnüren.“
Ich sah ihn mit Glubschaugen an, dann entglitt mir die Fassung.
„Und was soll ich nun tun. Jetzt, verdammt!“
„So profan über den Daumen gepeilt: - mähen - .“
„Vielen, vielen Dank“, knurrte ich.
Ich entließ Herrn Halm mit seinem Laptop und seinen Mikadostäbchen. Ich versicherte, dass ich nun allein zu Recht käme. Auf eine weitere Zusammenarbeit würde ich vorerst verzichten, weil ich erst noch mit dem Anlageberater ein Agreement über das well balanced, advanced
Payment treffen müsse.
Diesmal verstand Herr Halm nur Bahnhof und zog ab. Kein Wunder, es handelte sich ja nicht um Grashalme.
Ich sollte also Rasen mähen.
Nichts leichter als das.
„Wie weit bist du denn, schallte es aus der Küche. Bist du mit dem Rasen mähen fertig?“
„So gut, wie erledigt“, log ich.
„Ich muss nur schnell zum Baumarkt. Unser Rasenmäher ist kaputt. Außerdem brauchen wir sowieso einen elektrischen, damit Frau Feinbein sich nicht immer über den Lärm aufregt."
Unser Motorrasenmäher war natürlich nicht kaputt, ich hatte nur immer zwei Stunden
gebraucht, um ihn in Gang zu setzen. Es gelang nicht immer, wie ich zugeben muss.
Im Baumarkt wurde ich intensiv beraten. „Nehmen sie den, der ist zufällig der teuerste.“ Ich nahm.
Zu Hause war der Zusammenbau ein Klacks. Frisch stand er da und ich holte meine bessere Hälfte um das neue Kleinod zu präsentieren.
„Bist Du auch stolz“, grinste ich.
„Der Rasen! Mach hinne!“
So was von undankbar!
Eine Außensteckdose war vorhanden, die Sonne schien. Ich war gerüstet mit Schlapphut, alter Hose, Turnschuhen in seidenblau.
Ein Knopfdruck und Elektropüppi sprang an. Wie hatte ich mich mit dem Anlasser-Seil damals abgeplagt. Bei dem hier war nur der komplizierte Stromanschluss zu bewältigen gewesen (Batterie plus – minus).
Es ging los. Die erste göttliche Furche mitten durch den Rasen war klasse. Ich blickte immer wieder stolzgeschwellt zurück. Bei der Hälfte der Linie ging es nicht weiter. Ende des Anschlusskabels.
„Was nun?“
Im Baumarkt hatte man mir eine zusätzliche Verlängerung angeboten, das hatte ich aber dankend abgelehnt.
„Eine normale Verlängerungsschnur können sie nicht benutzen“, schwafelte der dortige Fachmann.
Ich vermied daher den zusätzlichen Geldbetrag und bereute es nun.
Also, einfach umdrehen und eine weitere Linie ziehen und sauber aneinander gereiht, damit es ein schönes Muster ergibt. Vor allem aber auf das Stromkabel achten! Nur Blödiane zerschnippeln sich das Zufuhrkabel. Ich nicht.
Den Rasen außerhalb der Reichweite würde ich irgendwie später noch angehen.
Kennen sie den besonderen Geruch, wenn Rasen frisch geschnitten ist? Noch dazu, wenn die Sonne scheint? Ich finde ihn angenehm, Mücken auch. Und so musste ich immer öfters schwitzend durch die Gegend
wedeln. Die Bahn bekam kleine Kurven, Ausbuchtungen.
Der Höhepunkt war eine Wespe. Sie fand an mir Gefallen. Ich bin allergisch und daher leicht in Panik zu versetzen. Das Biest verfolgte mich. Es wollte mich unbedingt stechen.
Ich floh kreuz und quer und zog den neuen Rasenmäher hinter mir her. Den sollte die Wespe nicht kriegen. Ich hetzte und zerschnitt das Stromkabel. Ein Stromfunke, der mich erschreckte und die Wespe anscheinend anspornte.
Zum Schluss rettete ich mich ins Haus. Entkommen!
Die hintere Hälfte des Rasens sah ganz ordentlich aus. So, wie zuvor. Der Rest war
mit gemähten Bahnen psychodelisch durchzogen, die hellgrün leuchteten.
Meine bessere Hälfte kam, sah und schlug die Hände über den Kopf.
„Moderne Kunst? Modern Art?“ Ich lächelte gequält.
Das Ende vom Lied war, dass die beiden Nachbarjungen mit dem Motorrasenmäher alles ultrasuper erledigten.
Für jeden gab es 10 € als Belohnung und für mich gab es in der Küche zu tun. Abwasch erledigen und natürlich ein neues Kabel besorgen. Den Rest des Tages versuchte ich den schmutzig grünen Turnschuhen ihr seidenblau wieder zurück zu zaubern.
Der Tag war anstrengend gewesen und am
späten Nachmittag hatte ich die Firma Prairie Industries am Handy.
"Es genügt, wenn sie erst einmal Rasen mähen, über den Rest unterhalten wir uns später. In Ordnung?“
„Mäh!“