Vorbemerkung
Da ich selbst so unheimlich berühmter Mensch werde, leide ich selber unter den Auftritten vor Publikum. Wer öffentliche Auftritte nicht kennt, dem klopft unweigerlich das Herz.
Dies war ein humoriger Beitrag zur 19. Autorenchallenge.
(wieder eingestellt: 17.02.2022)
Viel Vergnügen!
Copyright: G.v.Tetzeli
Cover: G.v.Tetzeli
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Lampenfieber
Ich lag auf der Couch. Frau Professor Dr. Helene Schönborn hatte eine Kladde, eine feine, gurrende Stimme und atemberaubend schöne Beine. „Tief durchatmen!“ „Tue ich doch“, atmete ich durch.
„So ein Lampenfieber ist etwas ganz Normales.“
"Wirklich?“
Ich drehte den verschwitzten Kopf zu Ihr auf die Seite. Sie schob die Brille auf der entzückenden Nase zurück und stach mit dem goldenen Kugelschreiber durch das blauschwarze Zigeunerhaar.
„Sehen Sie, Sie sagten: Als Sie das Manuskript gelesen haben, da befiel Sie
schon ein Schüttelfrost, aber Sie haben doch erst morgen ihren Auftritt. Ist das richtig?“ „Richtig“, nickte ich und versuchte mit meinen Augen ihren Ausschnitt zu durchpflügen.
„Das ist die Reaktion des Mandelkerns, der Amygdala des Gehirns. Der schickt über Synapsen die Sache an den Hypothalamus, der das Stress Hormon ATHC ausschüttet. In den Nebennieren, der Glandula, wird Adrenalin ausgeworfen. Daher also die erweiterte Pupillen, der erhöhter Blutdruck, Puls-, Herz- und Atem Sequenz. Die sogenannte Fight-Fluchtreaktion.“ Sie blinzelte.
„Nee, ja, is‘ klar“, zitterte ich und hatte doch nichts verstanden. Warum müssen diese Leute mit Fremdworten so um sich werfen?
„Wir werden also eine mentale Stress Impfung vornehmen müssen.“
„Wann? Wie? Etwa gleich?“
„Wie wäre es morgen, so knapp vor dem Auftritt, sozusagen in System relevanter, sozialer Fühlung?“
Auch meine Hände schwitzten. Eigentlich wollte ich mich ja nur um den Auftritt drücken.
„Wir könnten ja zumindest mit Suggestionsübungen beginnen.“
„Hä?“
„Ja, das ist eine Art Selbsthypnose. Vertiefung, Veränderung, zurück in den Wachzustand und reinkarnation der Wiederholungen. Ich gebe Ihnen mal eine entsprechende Anleitung mit.“
Meine zittrigen Finger nahmen den dicken Stapel entgegen.
Sie sah auf die Uhr.
„Und morgen treffen wir uns wieder, um direkt vor dem Event concentrate den Showdown of pacification fest zu zurren. Das optimiert den Wirkungsgrad.“
"Ja,ja doch!"
Endlich erlöst!
Ich sprang auf und rannte zur Türe.
„Bis morgen“, versprach ich verlogen.
Ich wusste nicht, was ich machen sollte.
Erst mal in die Kneipe zu Rudi galoppiert, mit dem ich verabredet war. Gute Freunde haben die besten Ratschläge. Er war am Tresen, wie erwartet. Ich bestellte ein Beruhigungsbier und erläuterte meine Sitzung bei Schönborn.
„Alles Geschwafel. Ich habe einen klasse Tipp für Dich. Vorher auf allen Vieren herum laufen und hecheln, wie ein Hund. Habe ich genauso gemacht, als ich zum Chef wollte, um eine Gehaltserhöhung anzusprechen.“
„Und? Hat es geklappt?“
„War echt Supi! Der Chef war so was von umgänglich! Er hat mich sogar in der Firma behalten und nicht sofort heraus geschmissen.“
Ich schlürfte und war verzweifelt.
„Kannst Du das Manuskript wenigstens auswendig? Nicht, dass du andauernd mit äh‘s und ähm‘s auffällst.“
„Ich glaube schon!“
„Soll ich dich abfragen. Du weißt, Übung macht den Meister. Je mehr du die Sache
durchkaust, desto weniger Angst, klar?“
„Ich stottere immer vor....“, gestand ich.
„Vor dem Spiegel üben.“
„Ich kann das einfach nicht. Vor mindestens 2000 Leuten!“
„Wird schon. Nachdem ich Dir jetzt so geholfen habe. Spendierst Du noch eines?“
In der Nacht vor dem Auftritt konnte ich nicht schlafen. Andauernd sah ich auf die Uhr. Ich hatte sogar auf dem Laptop eine Uhr installiert, welche die Zeit bis zum Schafott herunter zählte.
Das war noch schlimmer!
Ich blätterte in dem klugen Wälzer, den mir die Schönborn mitgegeben hatte.
Tief atmen, sich die Zuhörer als Blumenkohl
vorstellen. Ich beschloss, dass das Publikum nackt wäre. Vielleicht würden sich einige Frauen stimulierend auf mich auswirken. Über der Lektüre schlief ich tatsächlich ein.
Am nächsten Tag verschwappte ich den Kaffee. Helene Schönborn hatte ich versäumt, weil ich vor lauter Aufregung den falschen Bus genommen hatte und irgendwo in der Pampa gelandet war.
Kurz und gut, es war soweit.
Ich stand wie ein erwärmtes Gummibärchen hinter dem Vorhang und draußen warteten die Bühne und 2000 Nackte.
Man schupste mich hinaus und ich stolperte auf die Bretter, welche die Welt bedeuten.
Dann verbeugte ich mich.
Ich hatte mir den Text auf den Ärmel geschrieben und tat so, als ob ich auf die Uhr schauen würde.
„Liebe Teilnehmer! Ähm, nachdem sie von den vielen Vorträgen unseres Symposiums erschöpft sein müssen, ähm, erkläre ich nun das Buffet für eröffnet.“
Alles klatschte.
Ich verbeugte mich und war stolz auf meine Leistung.
Mein erfolgreicher Auftritt!