Die Baklavakonspiration
Seit ewigen Zeiten, also seit es Betriebszugehörigkeit gibt, ist es Brauch die Kollegen einer Arbeiterschaft an seinem Geburtstag teilhaben zu lassen.
Die Art und Weise bleibt dabei meist dem Geburtstag habenden selbst überlassen. Manch einer lädt die Belegschaft zu einem Umtrunk ein während ein anderer die große Sause organisiert. Wiederum eine dritte Möglichkeit besteht darin einen Kuchen zur Verfügung zu stellen. Letzteres erfreut sich, wohl aus Kostengründen, großer Beliebtheit. Ein ungeschriebenes Gesetz, welches mit diesem Brauchtum
einhergeht, besagt man solle sich gerne bedienen aber mit vornehmer Zurückhaltung und seien sie niemals der erste. Wer sich zuerst auf den Kuchen stürzt gilt im Kollegium gemeinhin als nimmersatter Gierschlund. Ausgenommen bleibt hiervon das Geburtstagskind. Die Tatsache, dass es seinen Geburtstag in Form eines Kuchens zur Schau stellt und nicht mit einer teuren Fete hat ihm ohnehin schon den Ruf eines Geizhalses eingebracht und schließlich muss ja irgendjemand diesen verdammten Kuchen anschneiden. Wenn man dann als zweiter oder dritter und alle nachfolgenden vom Kuchen kostet heißt es knabbern nicht mampfen. Kosten sie, aber stopfen sie
nicht alles in sich hinein sonst bleibt der Ruf des gierigen Kuchenfressers letztlich trotz Wartens auf den ersten an ihnen hängen. Seit ewigen Zeiten, also seit es Betriebszugehörigkeit gibt, habe ich nie davon gehört, dass jemand diese ungeschriebenen Regeln je gebrochen hätte. Bis neulich ein komplettes Blech Baklava auf mysteriöse Weise verschwand. Baklava hat die Eigenschaft, wenn man es kauft, schon geschnitten zu sein. Eine Art Würfelzucker im Kostüm eines Kuchens. Diese türkische Leckerei lockt nicht nur Wespen sondern ganze Heerscharen von Kellnern an. Jeder wollte sein Stück ab haben. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt
verlief der Tag nicht anders als alle Donnerstage dieser Woche. Wir in der Küche gingen unserer geregelten Arbeit nach indem wir kochten und Essen ausgaben und stumpfsinnige Fragen der Servicemitarbeiter beantworteten. Es ist schon nervenaufreibend wenn man zum hundertsten Male erklären muss, dass Pommes frites Laktosefrei sind weil in einer verdammten Scheißkartoffel keine Milch enthalten ist. Doch dann passierte ungeheuerliches was den geregelten Ablauf vollständig zum erliegen brachte und zwar für Wochen. Es fing ganz harmlos mit einem einzigen Kellner an der zu uns in die küche kam. Ohne das er den Mund schon geöffnet hatte erklärte
ich auch ihm das Pommes laktosefrei seien und hoffte er verschwände Wortlos. Er verschwand nicht sondern öffnete den Mund und fragte: „Wo ist das Baklava“? Ich wischte mir den Zucker von der linken Wange und erklärte ihm dass ich keine Ahnung hätte wo das Baklava ist. Er ging wieder und ich dachte damit wäre das Problem gelöst. Plötzlich tauchten alle fünf Minuten Kellner auf (wir haben reichlich) und fragten wo das Baklava sei. Aus irgendeinem Grund vermuteten sie wohl die Leckerei wäre in der Küche. Mittlerweile stand die ganze Servicebelegschaft in der Küche und forderte eine Erklärung. Ich wischte mir den Zucker vom Mund und erklärte
abermals, dass ich das Baklava nicht gesehen habe. „Ich esse dieses Zeug nicht da es mir nicht süss genug ist“, entgegnete ich und wischte meine klebrigen Hände an der Schürze ab. Jetzt kamen die ersten Gäste und fragten ob sie denn heute noch bedient würden, oder ob sie lieber ein anderes Lokal aufsuchen sollten. Man erklärte ihnen das dringende Problem des verschwundenen Baklava und sofort erklärten sich die meisten bereit bei der Suche zu helfen. Der ganze Laden wurde nun auf den Kopf gestellt. Man suchte unter den Tischen Stühlen und Bänken. In den Taschen aller anwesenden ja sogar auf der Toilette, aber dort saß nur die
Klofrau und sextingte mit ihrem Liebhaber. Tagelang wurde wirklich jeder Winkel untersucht aber die Nascherei wollte nicht wieder zum Vorschein kommen. Man hatte sogar die Polizei verständigt, aber die verwiesen darauf, dass es nicht in ihren Zuständigkeitsbereich gehörte. Eine türkische Spezialität ist Angelegenheit der türkischen Behörden und in Zeiten der Spannung beider Staaten wolle man sich nicht in innertürkische Angelegenheiten mischen. Auch die Tatsache, dass wir uns auf deutschem Boden befanden stimmte den Beamten nicht um. Ich schlug vor die türkische Botschaft zu informieren, was auf
allgemeine Zustimmung traf. Also wusch ich mir die leicht klebrigen Hände und griff zum Telefonhörer. Als ich meine Problematik mehrfach erklärt hatte wurde ich endlich zum Botschafter durchgestellt. Dieser erklärte sich sofort und ohne jede Umschweife bereit eine Untersuchungskommission einzurichten. Es war gut dass ich mich an ihn wandte, da man Aufgrund mehrerer Vorkommnisse dieser Art gerade eine Baklavabehörde eingerichtet habe.
„Mehrere Vorkommnisse?“, wollte ich wissen.
Ich erfuhr, dass dem türkischen Präsidenten Erdogan schon mehrere Bleche Baklava aus dem Palast gestohlen
wurden und er deshalb mehr Regierungsgewalt wollte um seine geliebte Nascherei zu schützen. Wenn er nicht täglich seine Ration Baklava bekäme sei der Türkische Präsident unausstehlich. Er ist zwar auch so unausstehlich, aber ohne Baklava, riet mir der Botschafter, lauf Junge lauf.
Binnen weniger Stunden standen die Zwei türkischen Beamten in unserem Laden und stellten fragen. Als alles Fragen zu keinem Ergebnis führte, machten sie ernst. Im Auftrag der türkischen Regierung wurden wir gefoltert bis die Schwarte kracht. Eine Art Schüttelfolter die das verschwundene Backwerk hervorbringen sollte. Den
meisten wurde allerdings nur schlecht und sie störten die Klofrau beim Sexting. Auch ich wurde geschüttelt das mir der Zucker aus dem Haar rieselte. Als auch Folter keine Ergebnisse lieferte zogen die Türken unverrichteter Dinge wieder ab. Die meisten Gäste hatten schon vor Wochen die Suche aufgegeben und mittlerweile begaben wir uns auch wieder in den geregelten Alltag. Das Baklava blieb verschwunden. Ich meldete mich zwei Wochen Krank mit Bauchschmerzen und Durchfall. Einfach nur Baklawaaaahnsinn.