Das Meer rauscht immer noch
Es gibt kein Meer und keinen Sand, der warme Wind war nur eine Phantasie, um meine beglückenden Gefühle weit von meiner Stadt fortzutragen. Vielleicht rauscht dieses Meer, wo wir im vorigen Jahr mit meiner Schwester waren, jetzt nicht so freundlich. Das Geräusch des Meeres verbindet sich für mich mit etwas Unveränderlichem. Es schreit, brodelt, steht still und hebt die Wellen, aber es verändert sich nicht. Es wird keine Romantik und keine Meeresbrandung geben. Jedes Mal, wenn ich fühle, dass ich imstande bin alles zu sagen, benutze ich diese Möglichkeit.
Ich sah aus meinem Fenster hinaus. Ein Müllhaufen neben meinem Haus ist überfüllt. Ein Mann sucht dort etwas, wie ein Hund, der darauf wartet, dass dieser Mann auch ihm etwas gibt. Ich sehe es Tag für Tag und die anderen auch, dieser Tumult ist für uns jämmerlich und zugleich aber auch unbedeutend. Die Schadenfreude der Welt existierte schon immer und sie wird immer da sein. Ich mache meine Augen zu.
``Lisa, wirst du schwimmen? Wie lange wirst du hier liegen?`` fragte meine Schwester. Sie stand vor mir mit Sehnsucht in ihrem Gesicht, aber dieser Gesichtsausdruck glitt ab von mir. Die
Sonne glänzte auf ihrem Körper und die Tropfen flossen langsam ab. ``Du hast blaue Lippen. Gehen wir in die Pension und essen wir unsere Wassermelone`` erwiderte ich. Meine Tante lag in einem Liegestuhl, um sich zu sonnen. Sie kauft uns alles und macht alles, was wir wollen, nur um eine gute Mutter zu sein. Sie denkt, dass das genug ist. Sie kommt damit zurecht. Sie kennt ihre Probleme und sie weiß alles über unsere Familie, aber das ist ein guter Ersatz aller Schwierigkeiten – ein guter Elternteil zu sein. Der Hauptzweck ist die Kehrseite deiner Hauptprobleme zu finden, um an etwas glauben zu können.
In unserer Pension wohnen die Menschen
aus meiner Stadt, aber vieles hier sehe ich anders. Verschiedene Plätze zwingen uns anders zu fühlen, auch wenn dort dieselben Menschen sind. Wir gehen. Der Sand ist voll von kleinen Muscheln. Der Müllhaufen, der neben der Pension liegt, ist riesig. Drei Hunde laufen dort herum und eine Frau versucht etwas zu finden. ``Scheiße, Lisa, Hunde! Gib mir deine Hand!`` sagte die Schwester. Die Sonne brennt, der Geruch des Meeres und des Mülls mischten sich in ein erstickendes Aroma. Das Meer rauscht unveränderlich.
Der Wind biegt die kahlen Zweige der Bäume. Mein Zimmer liegt im
Halbdunkel, aber draußen ist es hell. Der Fernseher ist eingeschaltet, jemand redet über Politik, Geld und wie an unserem Leben sparen können. Ich sehe solche Programme seit meiner Kindheit, die jedes Jahr gleich sind. Meine Oma klagt über die Preise, wie hoch sie sind und wie die Menschen hier überhaupt leben können! Ich habe nie gehört, dass sie je etwas anderes sagte. Die Preise können so verschieden sein, aber immer sie sind zu hoch. ``Die UdSSR hatte zwar andere Gesetze, aber die Menschen hatten damals ein besseres Leben.``
Wegen einer Avitaminose muss ich mich spritzen lassen. Meine verdammte Hand zittert jeden Tag, abgesehen davon, dass
ich das schon viermal gemacht habe, aber ich muss das irgendwie verändern. Heute habe ich keine Probleme damit. Es wird mir egal sein. Wir können unsere Verhältnise ändern, wenn wir uns an etwas gewöhnen. Aber immer gewöhnen wir uns an etwas. In meinem Computer singt Buschido `` Zeiten ändern dich, dich und deine Sicht``, also mich oder meine Sicht?
Ich möchte einige Kapiteln für die Hauslektüre vorbereiten, das Buch ``Drei Kameraden`` ist aufgeschlagen. Ah Remarque, deine Hauptfiguren trinken immer und verstehen nicht, was passiert! Das ist aber so realistisch, weißt du, wir verstehen jetzt auch nichts. Aus dem
Kapitel 15 „Ich hatte mir zwei Wochen Urlaub genommen und war mit Pat unterwegs. Wir wollten ans Meer.“……
Dieses Meer ist so groß und ich kann nicht erklären, was ich fühle. Die Welle riss mich nieder. Ich spüre das Salz auf meinem Gesicht, es prickelt wegen der Sonne. Ich versuche weit zu schwimmen, um andere Menschen nicht zu sehen. Warum denke ich, dass das Meer mich halten wird? Ihm ist es egal, es rauscht unveränderlich. Ich schwimme sehr schlecht, deshalb kann ich ertrinken. Warum fürchte ich mich denn vor Wasser nicht? Ich schwimme immer so weit, bis ich spüre, dass das Wasser mich
fortzutragen anfängt. Das ist idiotisch. ``Lisa, wohin schwimmst du?`` schreit meine Schwester. Sie ist immer bei mir, ich kann nicht versinken, wenn es passiert, wird sie mich töten. ``Schwimm dorthin nicht! Schwimm zurück!“ schreit sie. ``Ich möchte, aber ich kann nicht`` erwidere ich. Solche Scherze gefallen ihr nicht. Ich sehe, wie sie vor Wut errötet. Die Menschen liegen auf dem Sand und betrachten die ermüdeten Verkäufer, die hin und her gehen, um etwas zu verkaufen. Unsere Anreise ist die letzte und sie geht zum Ende. Plötzlich spürte ich etwas neben meinen Beinen. Die Teufelsangelleine legt sich um meine Beine. Die Männer wollen kein Boot
nehmen, um zu fischen, so machen sie das neben uns. Gier? Sie nennen das „die Einsparung“! Nach Millionen Jahren werden wir solche Verantwortungslosigkeit „die Einsparung“ nennen.
Wir kamen in die Pension. Die Sonne brennt und unsere Haut ist rot. Ich will nicht zu Hause bleiben, so gehe ich zu den Schaukeln, um ein Buch zu lesen. Andere Luft, anderer Geruch, anderes Gefühl. Hier ist es für mich ein bisschen leichter wegen des Gefühls, dass etwas sich verändert hat. Es ist aber nur eine Illusion, weil das Meer immer noch
rauscht.
Meine Musiklehrerin schlug mir vor, in die Musikschule zum Konzert zu gehen. Früher spielte ich Klavier, aber damals ich verstand nicht, wie schön diese Musik in Wirklichkeit ist. Warum will ich dann wieder spielen, wenn ich keine Zeit dafür habe?
Der Saal ist voll. Die Kinder und ihre Eltern laufen hin und her. Sie bereiten ihre Kinder vor, betrachten die Frisuren ihrer Töchter und verbessern die Anzüge ihrer Söhne. Wir wollen immer gut aussehen, wir donnern uns auf und parfümieren uns. Wegen dieses Geruchs scheint es mir, dass ich wohl bald die
Lungenentzündung von diesem Aroma bekomme. Das Konzert beginnt. Alle Menschen sehen und hören und ich stelle mir vor, dass ich in 1770 bin. Das ist so seltsam, Mozart komponierte vor 3 Jahrhunderten, aber wir hören und spielen seine Musik. Die ewige Musik, der ewige Respekt. Wir tragen keine langen Kleidungen und tanzen die Masurka nicht. Wir haben keine Perücken und unsere Mütter fordern uns nicht auf uns zu verheiraten. Diese Musik träufelt aber eine seltsame Empfindung der unerschütterlichen Verbindung mit der Vergangenheit. Ich denke, vor 225 Jahren rauschte dieses Meer genauso.
Unsere Anreise ist zu Ende. Gestern ging ich am Strand spazieren. Wir können nicht mehr schwimmen, weil es jetzt sehr kalt ist. Das Meer zeigt uns seinen Sturm, es ist so unermesslich und gibt entweder die Empfindung der unangenehmen Selbstnutzbarkeit oder den Schatten der netten Einsamkeit. Es gibt keine Menschen hier, überhaupt keine. Sie sind ermüdet und wollen sich erholen. Sie verbergen sich in ihren Zimmern. Ein Verkäufer von Krevetten verfütterte seine Ware den Möwen. Diese versalzenen und stinkenden Krevetten will niemand kaufen. Schweigend reichte er mir einige
Krevetten, als ob er stumm wäre, damit ich die Vögel füttern konnte. Die Möwen sind unersättlich. Ich bin sicher, dass sie mich aufgefressen hätten, wenn sie es könnten. Wie sahen schweigend zu, wie sie die Nahrung gefräßig erfassten. Ich mag diese fliegenden Wildschweine nicht, aber ich habe mich daran gewöhnt. Ihr Geschrei ärgert mich nicht mehr, es scheint mir sogar, dass es angenehm ist. Ich will nach Hause und das Meer rauscht immer noch.
Heute fahren wir zurück. Wir sind ermüdet von unserem Urlaub. Die ganze Zeit wollten wir uns so erholen, dass wir dadurch müde geworden sind. Es scheint, als ob du in die Realität zurückkehrst.
Der Bus wartet auf uns, wir steigen in den Bus ein und der Motor brüllt. Langsam fangen wir an zu bewegen. Immer noch hörten wir das Meer.
Es ist 11 Uhr abends. Ich liege in meinem Bett und lese Tschechow. Ich mag ihn, seine kurzen Novellen und Stücke belästigen mich nicht. Seine Hauptfiguren sprechen nur immer und machen nichts. Das ist komisch und wahr zugleich. Wir handeln heutzutage anders, aber wir haben immer einen identischen Zweck. Das ist egal, entweder wir tanzen auf einem Ball oder in einem Klub. Nichts verändert sich, wir spielen nur mit unseren Prioritäten. Das Meer
rauscht immer noch.