Biografien & Erinnerungen
Aber noch kann ich nicht weinen

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"Aber noch kann ich nicht weinen"
Veröffentlicht am 13. Januar 2009, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig Liebe mbH ISBN 978-3-944907-00-0 Querfeldein ISBN 978-3-944907-02-4 Beide Bücher leider komplett ausverkauft. Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir: Quertextein und hinterm Komma links ISBN 978-3944907215 Kontaktaufnahme über meine Homepage: http://quertextein.jimdo.com/
Aber noch kann ich nicht weinen

Aber noch kann ich nicht weinen

Beschreibung

Mein Vater starb heute vor einem halben Jahr. Das Schreiben war damals mein Trauerventil. "Aber noch kann ich nicht weinen" entstand wenige Tage nach seinem Tod.

 

 

 

Stumm starrt die Frau auf das Schild.



Dr. S., liest sie. Sie liest es wieder und wieder. Was hat er gesagt?



Das Herz. Es hatte schon ausgesetzt. Wir konnten reanimieren, aber es ist sehr schwach. Beim nächsten Mal ... ?



Sie schweigt. Ich greife nach ihrer Hand.



Hast du gehört, was der Arzt gefragt hat?



Ja. Ja, natürlich, Doktor, natürlich ...



Der Arzt legt mitfühlend die Hand auf ihre Schulter.

Setzen Sie sich.

Der harte Resopalstuhl in der Notaufnahme der Klinik könnte ein seidenweicher Sessel sein, sie würde den Unterschied nicht bemerken.



Dr. S., Dr. S.

Hektische Rufe aus dem Behandlungsraum.

Das unregelmäßige Piepen, bis eben noch Zeichen erlöschenden Lebens, ist nicht mehr zu hören.

Dr. S verschwindet hinter dem Vorhang.

Durch einen Spalt sehe ich, wie er mit all seiner Kraft und Geschicklichkeit auf die Brust des weißhaarigen Mannes drückt. Rhythmisch, immer wieder.



Es ist grausam, was ich jetzt tue.

Aber auch das, was die Ärzte tun, tun müssen, ist grausam.

Für ihn.

Seine Lebenskraft ist aufgebraucht.

Ich tue es für ihn.



Ich zupfe die Frau am Ärmel, schaue zu dem Spalt im Vorhang. Ihre Augen folgen meinen.



Willst du das wirklich?



Starr blickt sie auf das Bild, das sich ihr bietet. Tränen laufen über ihr Gesicht. Stumm schüttelt sie den Kopf.



Nein, das hätte er nicht gewollt. Das weiß ich.



Die Schwester guckt mich fragend an, als ich ihr ein Zeichen gebe.



Bitte, flüstere ich. Lassen Sie ihn gehen.



Ich nehme meine Mutter in den Arm. Sie ist so klein geworden in der letzten Stunde.

Abschied vom Ehemann.

Abschied vom Vater.



Endgültig.

Aber noch kann ich nicht weinen ....







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Hörbuch

Über den Autor

Gunda



Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig

Liebe mbH
ISBN 978-3-944907-00-0
Querfeldein
ISBN 978-3-944907-02-4

Beide Bücher leider komplett ausverkauft.

Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir:
Quertextein und hinterm Komma links
ISBN 978-3944907215

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Gunda Re: hallo gunda -
Zitat: (Original von helloharry am 26.06.2009 - 20:36 Uhr) Ich zittere... meine Augen sind glasig...
Ich weiß nicht was ich denke, aber ich spüre was ich fühle.
Trauer... Trauer und Schmerz.
Du hast mich dabei sein lassen...
Auch wenn es schon (oder auch erst) ein Jahr her ist...
Mein herzlichstes Beileid
Harald


Danke Harald.
Es ist jetzt bis auf wenige Wochen genau ein Jahr her. Ich selbst bin über die Trauer hinweg, denke ich, zumal ich mich von meinem Vater über einen längeren Zeitraum hinweg verabschieden konnte, aber meine Mutter leidet noch immer sehr, eine Situation die natürlich auch mich als Tochter belastet.
Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: antwort -
Zitat: (Original von Boris am 26.01.2009 - 19:51 Uhr) Fast zu nah dran

Jürgen


Es WAR ja auch nah dran, Jürgen ...

Lieben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: eine -
Zitat: (Original von Rajymbek am 13.01.2009 - 13:00 Uhr) traurige Geschichte. Und jeder, der sie erlebt, erlebt sie für sich allein. So wie du. So wie ich.

GLG Roland


Das stimmt absolut, Roland. Siehe mein Kommentar an Gerlinde. Leiden tut jeder im Endeffekt alleine ...

LIeben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: du -
Zitat: (Original von Schwaenchen am 13.01.2009 - 11:40 Uhr) hast mich zutiefst berührt
liebe Gunda.....


Danke, liebe Lydia,
freut mich, wenn mir jemand bestätigt, dass meine Zeilen Emotionen hervorzurufen vermochten.

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Aber noch kann ich nicht weinen -
Zitat: (Original von barmari am 13.01.2009 - 10:43 Uhr) Liebe Gunda,

sehr bewegend hast du über den Tod deines Vaters geschrieben und sehr tapfer habt ihr eure Entscheidung getroffen. Es war sicher das Beste für ihn.
Wir alle müssen auf irgend eine Art den Tod eines geliebten Menschen erleben und tragen die Trauer und die Sehnsucht für immer in unsern Herzen.

Tief in deinem Herzen drinnen,
wohlgeborgen vor der Qual,
ist sein Platz für alle Zeiten,
bei dir im Erinnerungstal.

Ist gegangen aus dem Leiden
unter Schmerzen Not und Pein.
Nur die Liebe ist geblieben,
sie wird dein Begleiter sein.

Vertraulich wird er für dich lächeln.
Schützend, liebend jeden Morgen.
Tief in deinem Herzensgrund
weißt du, er ist wohl geborgen.

Vielleicht hilft dir mein Gedicht etwas.
Ganz liebe Grüße Barbara


Danke, liebe Barbara,
ja, es waren tatsächlich Gedichte, die mir damals zugeschickt wurden, und die mir Trost spendeten.
Auch deinen enthält sehr trostreiche Worte. Irgendwo tief in mir habe ich mir wohl auch den kindlichen Glauben daran bewahrt, dass der Verstorbene von irgendwo her lächelt ...

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: liebe gunda -
Zitat: (Original von Himmelskind am 13.01.2009 - 10:23 Uhr) welch bewegende zeilen...sie werfen mich zurück in erinnerungen...
du hast eine sehr mutige entscheidung getroffen,
und zwar so eine, wie sie dein vater gewollt hätte, das können die wenigsten, meistens klammert man sich an einen funken hoffnung.
ich wünsche mir für mich, nie in solch eine situation zu kommen, darum hoffe ich, dass auch meine kinder die entscheidung - keine lebenserhaltenten maßnahmen zu treffen - respektieren...

lg

birgit


Liebe Birgit,
meine Mutter fragt heute noch manchmal: Meinst du, dass es richtig war? Ich bin ganz sicher, habe nicht den leisesten Zweifel, dass es richtig war, denn mein Vater hätte vllt noch ein paar Wochen leben können - aber wie? Für meine Mutter wäre es vllt einfacher, wenn diese Patientenverfügung, die natürlich schon seit Jahren im Schrank lag, aber nie ausgefüllt worden war ... ihr schwarz auf weiß zeigen könnte, was mein Vater gewollt hätte. Ich weiß es auch so.

Lieben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: ich kenne das Gefühl -
Zitat: (Original von Roman am 13.01.2009 - 10:21 Uhr) Hallo Gunda
bei mir ist es schon über ein Jahr her,
wo gleich beide gestorben sind...
die Tränen laufen auch noch heute, bei jeden Gedanken an mein Eltern...

glg an dich Gunda

von Roman


Lieber Roman,
beide gleichzeitig? Das muss ja ganz furchtbar gewesen sein ...
Ja, so in stillen Stunden oder beim Lesen der Sachen, die ich damals schrieb, laufen auch mir noch Tränen.

Lieben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Liebe Gunda, -
Zitat: (Original von rumpi am 13.01.2009 - 10:00 Uhr) ich hoffe, das du es jetzt verarbeiten konntest. Es ist nie leicht einen geliebten Menschen zu verlieren. Auch ich musste meinen Eltern schon sehr früh Lebewohl sagen. Meine Mama starb da war ich 12 Jahre alt und mein Papa ging vor 15 Jahren. Mann wird sie aber immer im Herzen behalten.

Nehme dich mal in den Arm und drücke dich ganz sanft.

LG, Karsten


Lieber Karsten,
danke. Umarmung ist angekommen (*zu*Tina*schiel*).
Ja, ich habe es verarbeiten können, weil mein Vater ja zum Schluss sehr geschwächt war. Was mich traurig macht, ist, beobachten zu müssen, wie meine Mutter leidet ...

Lieben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Wie sagt man? -
Zitat: (Original von Edlistrate am 13.01.2009 - 09:14 Uhr) "Herzliches Beileid!"
.... eine Floskel für all das, was man eigentlich nich sagen kann oder nicht sagen möchte.
Der Text ist sehr eindringlich.
LG .... Gerlinde


Danke, liebe Gerlinde,
Ja, was die Floskel angeht, hast du recht. Genau deshalb vermeide ich es auch, Trauerkarten mit "herzliches Beileid" zu verschicken. Denn "bei"-leiden (auch noch von Herzen)im Sinne von "mit"-leiden, das tun doch nur wenige. "Anteilnahme" halte ich für viel passender. Ich habe mich in der Tat mal mit dieser Floskel auseinandergesetzt. Natürlich weiß ich, was damit ausgedrückt werden soll, aber das Wort erschien mir schon vor über 20 Jahren so falsch, als beim Kaffee nach der Beerdigung eines 23-Jährigen hinten in der Ecke schon die ersten Biere gekippt wurden und Lachen erklang...

Lieben Gruß
Gunda



Lieben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: traurig -
Zitat: (Original von Traumwelten am 13.01.2009 - 08:59 Uhr) Liebe Gunda,

berührende traurige Zeilen, die auch wieder Bilder des Abschied von meinen geliebten Eltern zurück brachten. Der Verlust eines Elternteils ist, als ob ein Stück seiner Selbst mitginge. Die Welt um uns herum dreht sich weiter, nur die unsere bleibt für eine ganze Zeitlang stehen.

Als mein Vater in meinen Armen starb, brach für mich meine Welt zusammen. Ich schrieb später das Gedicht "Vergänglichkeit".

Liebe Grüße
Eva


Liebe Eva,
genau dieses "Die Zeit bleibt stehen" habe ich auch gedacht ... Aber plötzlich waren sechs Stunden seit seinem Tod vergangen, dann sechs Tage, sechs Wochen ... und nun sind es schon mehr als sechs MOnate. Man lernt zwangsläufig, damit umzugehen, wenn noch ein Elternteil übrig bleibt, der gestützt werden muss.

Lieben Gruß
Gunda

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