Sabine und die Brombeeren
Es war ein schöner sonniger Sommertag im August, an dem Sabine sich auf den Balkon setzte und dort ihre frisch gepflückten Brombeeren in einem leckeren Quark aß.
Sie liebte Brombeeren über alles und sie hatte großes Glück, dass es in ihrer Nähe einen kleinen verlassenen Weg entlang von stillgelegten Bahngleisen gab, an dessen Böschung es Brombeeren in Hülle und Fülle gab. Sie hatte schon versucht, den Besitzer dieser Brombeeren zu ermitteln, doch niemand schien sich für diese Brombeeren zu interessieren. Daher entschloss sich Sabine, diese Brombeeren zu pflücken, wann immer
sie Lust dazu hatte und einige reif waren.
Heute hatte sie eine große Menge gepflückt und sie schmeckten einfach gut. Während sie auf dem Balkon saß und ihren Quark mit Brombeeren aß, las sie in einer ihrer Lieblingszeitschriften.
Nachdem sie einige Stunden auf ihrem Balkon gesessen war und es schon anfing zu dämmern, ging sie wieder in ihre Wohnung und setzte sich dort auf einen ihrer Sessel und schaute ein bisschen fern.
Zuerst war es eigentlich wie immer, doch irgendwann bekam Sabine schreckliches Bauchweh. Sie dachte, dass dieses Bauchweh wohl einfach von der Menge des Quarks mit Brombeeren kam und somit
eigentlich nichts weiter zu bedeuten hätte. Doch ihr Bauchweh wollte nicht besser werden. Sie ging an ihren Arzneischrank und nahm sich ein Medikament gegen Bauchschmerzen heraus und legte sich ins Bett.
Als sie im Bett lag, konnte sie trotz der Medizin einige Zeit nicht einschlafen. Doch Sabine wusste, was helfen konnte, wenn sie nicht in den Schlaf fand. Sie schaltete ihren Laptop ein, der neben ihrem Bett stand und stöpselte ihre kleine DVB-T Zimmerantenne an den Laptop und schon konnte sie ein bisschen fernsehen. Irgendwie musste Sabine dann trotz der Schmerzen ein wenig innerlich grinsen. Sie dachte: »Na wenn ich
bei dem Mist der da so im Fernsehen kommt, nicht einschlafen kann, dann ist mir wohl nicht mehr zu helfen« Doch es kam alles ganz anders. Sabine zappte durch die Programme. Es waren zwar nicht sehr viele Programme, und die die sie am liebsten sah, fehlten auch. Aber immerhin war es eine Möglichkeit, sich abzulenken.
Sabine blieb auf einem Bericht hängen, in dem es scheinbar um Brombeeren ging, Erst überlegte sie sich, dass es vielleicht nicht so gut wäre, diesen Bericht genau jetzt anzusehen, doch irgendetwas sagte ihr, dass das eben doch genau richtig war. Und so hörte sie gespannt dem Bericht über Brombeeren zu. Wann sie reif sind, wo sie
wachsen und vieles andere mehr. Danach wurde ein Arzt interviewt. Sabine fragte sich, was ein Arzt bei einem Bericht über Brombeeren verloren hatte, doch schon bald wusste sie es. Es ging um die Gefahr des Fuchsbandwurms, den man sich auch als Mensch einfangen konnte, wenn man tiefhängende Brombeeren aß. »Ach«, dachte Sabine, »so verlassen wie diese Brombeerensträucher sind, da kommt bestimmt nicht einmal ein Fuchs hin.«
Nachdem Sabine das so gedacht hatte, meinte sie ein leichtes Kichern aus ihrer Magen und Darmgegend gehört zu haben. Doch sie war sich sicher, dass sie sich das nur eingebildet haben konnte. Wahrscheinlich interpretierte sie Magengrummeln jetzt als
Kichern. Wenn ihr Bauchweh morgen nicht besser wäre, würde sie wohl zum Arzt gehen müssen.
Da hörte sie es wieder, dieses leise leichte Kichern, und nicht nur das, jetzt meinte sie sogar ihren Namen zu hören.
Sabine dachte, sie würde verrückt werden. Doch dann gab sich das, was die Stimme erzeugt hatte, zu erkennen und sagte: »Sabine, danke, dass ich bei Dir wohnen darf, ich bin ein Fuchsbandwurm und wohne jetzt bei Dir, und glaube mir, mich wirst Du niemals mehr los«
Sabine erschrak, wie konnte das nur sein, gerade hatte sie den Bericht über den
Fuchsbandwurm gesehen und nun sollte sie selbst einen haben und noch dazu einen, der spricht?
Sabine blieb nichts anderes übrig, als zu versuchen, mit diesem Bandwurm zu sprechen und herauszubekommen, wie sie ihn vielleicht doch wieder loswerden würde.
Der Bandwurm stellte sich als Peter vor, und er hatte schon ganz viele Eier in Sabines Därme gelegt, damit, selbst wenn er sie doch eines Tages verlassen müsste, wenigstens seine Kinder bei Sabine wohnen bleiben konnten. Sabine sah in dem Bericht auch, dass so ein Fuchsbandwurm, wenn man Pech hatte sich sogar im Gehirn einnisten konnte. Und auch wenn ihr Chef immer zu ihr
sagte, dass er manchmal glaubte, dass sie kein Hirn hat, das da sich nun ein Bandwurm breit machte, das brauchte sie nun wirklich nicht.
Egal, wohin Sabine ging und was sie tat, ab sofort war der kleine Peter immer dabei und oftmals redete sie mit ihm. Und da die anderen Menschen die Stimme von Peter nicht hören konnten, dachten sie Sabine wäre verrückt und würde mir sich selbst sprechen.
Eines Tages ging sie, zusammen mit ihrem Bandwurm Peter und dessen vielen kleinen Eiern, aus denen einmal seine Kinder schlüpfen sollten, wieder zu den Brombeeren. Sie hatte immer noch Lust auf Brombeeren, allerdings würde sie nie wieder die
tiefhängenden nehmen, sondern immer nur die, die so hoch hingen, dass kein Fuchs sie erreichen konnte.
Als sie wieder bei den Brombeeren war und wieder einige Brombeeren pflückte, sah sie dass eine ganz alte Frau mit einem Stock, einem Kopftuch und einer großen langen Hakennase auf sie zukam.
Sabine hatte Angst, denn diese Frau erinnerte sie doch sehr an die bösen Hexen aus den Märchen. Als die Frau bei Sabine war, kamen sie schnell ins Gespräch und die Frau erzählte, dass diese Brombeeren ihr gehörten, dass sie aber normalerweise sich den Menschen nicht zeigt, weil diese meistens so große Angst vor ihr
hätten.
Da hörte sie, wie Peter in ihrem Darm rumorte und schrie: »Ich will nicht raus, ich will nicht raus, bei dieser Frau bin ich zu Haus« – Normalerweise hörten die Menschen die Stimme von Peter nicht, doch diese seltsame Frau konnte die Stimme vernehmen und sagte: »Ah, Peter, da bist Du ja, da hast Du Dich also versteckt«
Die Frau gab Sabine ein bisschen Medizin und als sie wieder aufwachte, war sie wieder bei sich zuhause und saß auf dem Balkon vor ihrem Quark mit Brombeeren. Was war nur geschehen? Hatte sie das alles nur geträumt? Hatte sie wirklich sich mit einem Bandwurm unterhalten? Hatte sie wirklich
eine Hexe getroffen? War diese Frau überhaupt eine Hexe gewesen? Fragen, die sie noch sehr lange beschäftigten, auf die sie aber niemals eine Antwort fand.