Liebe Ulla
Nun ist es auch bei mir soweit: das letzte CT hatte keine weiteren Negativ-Befunde aufgezeigt. Gestern hatte ich ein abschließendes Arztgespräch. Es soll noch eine Untersuchung gemacht werden, um gaaanz sicher zu gehen, dann kann ich mit meinem Hausarzt den Termin für die Stoma-Rückverlegung absprechen. Naja, und der komische Port muss ja auch wieder raus.
Unsere letzte Begegnung im Kh geht mir immer noch nach. Welch ein Zufall, dass wir uns da wieder gesehen haben konnten! Ich fand es schön. Auch schön zu sehen, dass es Dir doch so gut geht!
Habe dies Deinen Zeilen an mich ja nicht so sehr entnehmen können, weil ja alles ganz schön herbe bei Dir verlief, und hoffte darum sehr, etwas Näheres baldigst zu erfahren.
Von daher war es wohl doch kein Zufall, als wir uns dann endlich wieder begegneten. ?!
Meine Stimmungen pegeln sich langsam auch wieder ein - zeitweise war ich mir vorgekommen, wie von der Welt entrückt und nur halb da. Vergaß alles, oder hörte nur halb hin. Die Chemo hatte mir weniger aus gemacht, denke ich. Haare - ja. Aber im Großen und Ganzen kam ich
gut mit ihren "riesigen Nebenwirkungen" zurecht. mcp war meine Wunderdroge - als ich einen ganzen Sack davon voll hatte, brauchte ich sie gar nicht mehr!
War ja auch "nur eine ganz milde", wie der Arzt eingangs gemeint hatte. Wohl, weil ich ja ohnehin, mit meinen 42 Kilos, nur eine viertel Person war.
Die Bestrahlungen waren schlimmer, rafften mich mehr und mehr hin, lag dauernd nur herum und mochte am liebsten nur schlafen. Wo sie bei den ersten Male fast gar keine Veränderungen bei mir aufgezeigt hatten. Und ich mich über die Schwester wunderte, wenn sie mich fragte, ob ich noch könne und oder sehr müde sei....
Aber dann kam der "Sonnenbrand", und der war fies. Und ich musste am nächsten Tag wieder hin ...
Meine Tochter blies mir jeden Tag unbeschwerten, frischen Wind durch mein Gedankengebälk, so dass ich allein deshalb zu keinen Trübsal kam, selbst, wenn der mal vorbei schauen wollte.
Es gab, neben Frisubin in sämtlichen Geschmackssorten, von ihr mindestens zweimal warmes Essen am Tag, und wundersamer Weise fand sie immer das richtige Verhältnis von reichlich und genug, denn oft genug mochte ich rein gar nichts essen, aber ihr zuliebe aß ich - und kam dadurch tatsächlich wieder zu
Appetit und Kräften, ohne dass ich eigentlich irgendetwas hinein zwingen musste.
Ein wunderbares Mädchen, und ein gro0er Segen für mich!
Das Vertrauen, auch in die Kunst der weiss Bekittelten, hat mich bis zum Schluss begleitet.
Sie taten alle ihr Bestes, auch wenn man oft liest, wie sich Patienten von dies oder jenes unpassend behandelt fühlen - es sind nur Menschen. Und sie geben sich alle Mühen. Und wie man ja auch in den Wald hinein brüllt, so schallt es heraus - Ohne deren Umsicht wäre wohl Vieles daneben gelaufen!
Auch die Schwestern und Pfleger waren
unheimlich lieb, sehr einfühlsam und immer wohlgelaunt. Mehr konnte man doch nicht erwarten.
Im Kh habe ich öfter die kleine Kapelle unten besucht.
Auch ich habe gebetet. Wie Du. Aber das tue ich eigentlich seit Jahren schon. Das habe ich Dir noch gar nicht gesagt. Es kam nicht zur Sprache, eigentlich wollte ich damit nicht "angeben".
ER ist ein Vater, ein Freund, ein Weiser für mich, Wenn ich nicht weiter weiß, dann merke ich durch Ihn, wo ich aufgehört hatte, weiter zu sehen. Oder ER bringt mich auf ganz neue Gedanken, auf die ich von alleine nicht gekommen wäre.-
Andererseits gibt es ja manche Glaubenssätze, die einen in gewisse Bahnen lenken, und am Ende fragt man sich, was die alle noch mit einem selbst, mit der eigenen Individualität, zu tun haben.
Man will ja kein beschnittener und gestylter Park sein, auf den sich gut lustwandeln lässt... Eigentlich. Und gedenkt man all der Vorfahren, die man hatte, dann fehlt dem "Park" ja auch entschieden viel an Temperament und Lebensfülle...
Also befinde ich, dass "Glauben", also die Beziehung zu und mit IHM, eine ganz individuelle, gegenseitige Rücksichtnahme ist.
Manche, Viele meinen ja, das Leben, die Welt, sei ein Spiegel, und alles, was einem widerfährt, sei eine Reflexion. Hier denke ich, hat uns der Heiland eines Besseren gelehrt, denn wohl gibt es auch das unvermittelte Unrecht, das einen überkommen kann.
Womit ich nicht gesagt haben will, dass ich an dem Tumor gänzlich unbeteiligt war - Sympathien für Falsches, zur falschen Zeit, am falschen Ort, schwingen eine Lanze, die den Unschuldigen trifft. -
Dennoch ist es wohl ebenso falsch, den Kopf einzuziehen und nur noch herum zu dackeln.
Niemand kann sagen, dass unsere Gebete
erhört worden waren. Unser Glaube kann es sagen. Ich habe für Dich gebetet - Du hast für mich gebetet. Dafür danke ich Dir von ganzem Herzen!
Als ich unten in der Kapelle war, saß ich etwas unschlüssig auf dem Stuhl. Die Diagnose hatte mich verunsichert, aber nicht verängstigt. Nein, es war, wie es war, und was kommen sollte ....
Doch dann dachte ich auch an meine Kinder, Enkelkinder, Eltern auch- ...Wehmütig wurde ich, weil ich sie so doch nicht verlassen wollte. Und ich wusste da auf einmal nicht mehr, ob mich meine eigene Persönlichkeit noch retten konnte.
Ich hatte IHN darum gebeten.
Doch ich glaube, dass auch die Gebete Anderer sehr dazu beitragen, in welche Weise alles weiter geht.
Liebe Ulla - vielleicht sehen wir uns noch einmal im Städtchen. Dann gehen wir einen Kaffee trinken!
Ansonsten: Du hast Dein Leben, Deine Familie, Bekannten, Freunde ...
Im Kh sind wir alle gleich. Jeder hat ein Hemd, ein Bett und ein Malheur.
Doch im Alltag tickt die Uhr für jeden anders.
Meine muss jetzt erst einmal zusehen, wie sie meinen Hut vergrößert bekommt, damit wieder alles drunter passt ;)
So lass Dich ganz herzlich umarmen, und mit frühlingshaften, sonnigen Grüßen möchte ich in Dir bleiben - Du, mit Deinem zauberhaftem Sonnenhut im vergangenen Jahr, in mir! Ein lebensfroher Wohlgemut, den ich sehr an Dir schätze!
Bleibe weiter so optimistisch und lebe den Glauben Christie für alle Welt! Es tut gut, und es macht einen sicher.
In inniger, freundschaftlichen Liebe