Mit dem Wind
Es ist ein lauer Sommerabend, seichter Wind weht durch mein kinnlanges Haar. Es fühlt sich wie ein liebevolles Streicheln an. Mit geschlossenen Augen halte ich mein Gesicht dem Windzug entgegen, damit dieser mich auch dort sanft berührt. Das Rauschen der Blätter und das Zirpen der Grillen sind die einzigen Geräusche, die in mein Bewusstsein dringen. Ein Gefühl von tiefem Frieden breitet sich in mir aus. Meine Gedanken gehen derweil auf
Wanderschaft.
Ein ähnlich warmer Abend wie dieser erscheint vor meinem inneren Auge. Die rot-weiß-karierte Picknickdecke auf der Wiese, mit den vielen Gänseblümchen, zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht. Wir hatten Mühe sie bei dem starken Wind auf dem Boden auszubreiten. Schlussendlich haben wir uns einfach daraufgelegt und so das störrische Ding gebändigt. Das haltlose Gelächter, in das wir ausgebrochen waren, trug der Wind über die gesamte Wiese. Du hast mich mit den Leckereien aus dem Picknickkorb gefüttert und mir dabei immer wieder leidenschaftliche Blicke
zugeworfen. Ich ahnte bereits, dass dies nicht nur ein harmloses Picknick sein würde. Die Erinnerung an die geflüsterten Worte in meinem Ohr, erzeugt auch jetzt noch Gänsehaut auf meinem Körper. Wie sehr du mich begehrt hast, fühlte ich als sich deine Lippen heiß und fordernd auf meine senkten. Dieser Kuss raubte mir den Atem und ließ mich zu Wachs in deinen Händen werden. Diese warmen Hände, die jeden Zentimeter meines Körpers erkundeten, jede Stoffhürde mühelos überwunden haben. Ich schwebte wie auf Wolken, konnte es gar nicht erwarten bis sich unsere Körper vereinen würden. Aber der Zeitpunkt war noch nicht
gekommen, du hast nur das Feuer angefacht. Bis die Flammen in voller Pracht lodern würden, sollte ich mich in Geduld üben. Ich und Geduld, zwei Dinge die nicht so recht zusammenpassen. Du wusstest das natürlich und es zauberte dir ein freches Grinsen ins Gesicht. In aller Seelenruhe packtest du alles wieder in den Korb. Am liebsten hätte ich mir einfach alles unter den Arm geklemmt und in den Kofferraum verfrachtet, aber ich ließ dir deinen Spaß, wusste das die Belohnung folgen würde.
Mein Lächeln wird größer, die aufwallenden Gefühle von diesem Abend
wärmen mein Innerstes. Langsam öffne ich meine Lider, blinzle, bevor sich mein Blick in deinen Augen verliert. Stumme Tränen rinnen über deine Wangen, dein Blick leer auf den Blumenschmuck vor dir gerichtet. Es zerbricht mir das Herz dich so zu sehen. Mit meinen Fingern streiche ich dir federleicht die Tränen von der Wange, meine Lippen hauchen dir einen zarten Kuss zu. Es ist nicht der Wind, du spürst es. Ein kleines Lächeln huscht über dein Gesicht. Du wirst mich immer lieben flüsterst du, bevor der seichte Wind mich mit hinauf zu den Wolken trägt.
31.03.2017
© M.Rethorn