KAPITEl 1
Das Licht schien mir ins Gesicht, als ich mit meiner großen Schwester draußen auf Grenzkontrolle war. Wir beide gehörten zur Gang „Midnight Shadow", welche sich in einer alten, verlassenen und zerstörten Stadt gebildet hatte. Außer uns gab es noch die Gangs „Dark Rose" und" Bloody Moon". Wir lebten abgeschottet von jeglicher anderer Zivilisation. Wir verließen kaum die Stadt und machten so gut wie kaum Bekanntschaften mit anderen Menschen. Warum wir hier lebten?
Es gibt viele Gründe, doch einer davon ist wohl, dass meine Schwester und ich keine Familie hatten und wir was brauchten, wo wir bleiben konnten. In so öde Kinderheime wollten wir nicht, weshalb wir erst mal auf der Straße lebten. Jemand aus unserer Gang hatte uns damals gefunden und uns angeboten mit zukommen. Wir fanden es interessant und hatten natürlich zugesagt. Clary, meine Schwester war damals 16 und ich 12 Jahre alt. Heute ist das Ganze schon acht lange Jahre her. Wir waren uns den ganzen Gefahren nicht bewusst, da wir einfach nur
was haben wollten, wo wir unterkommen könnten. Heut zu Tage müssen wir täglich mit ansehen, wie Menschen erschossen und abgestochen werden oder noch viel Grausameres mit ihnen passierte. Man kannte hier keine Gnade und das einzige, was hier galt, war es zu überleben. „Cloe!", ich drehte mich um und sah zu meiner Schwester, welche sich auf die Bruchstücke eines zusammen gefallenen Hauses gesetzt hatte. Sie wank und grinste mir entgegen. Ihre blauen Augen hatte sie dabei geschlossen und ihre blonden Haare fielen ihr zerzaust und wild
ins Gesicht. „Ich komme!", rief ich ihr zu und kletterte über das Geröllfeld auf sie zu. Ich setzte mich neben sie. „Heute ist alles ruhig. Das ist nicht wirklich normal für die Bloody Moons", sprach meine Schwester ihre Gedanken laut aus. Sie stütze ihre Ellenbogen auf ihre Beine, legte ihren Kopf in die Hände und sah gedankenverloren nach vorne. „Ja", gab ich mein knappen Kommentar dazu ab und seufzte. Ich sah mich um. Hier und da waren einige Häuser eingestürzt und bildeten große Schrotthaufen. Die meisten standen aber noch. Trotzdem sollte
man nur im größten Notfall in eines dieser Einsturz gefährdeten Häuser gehen, da man sonst nie wusste, ob man da lebend wieder raus kam oder ob man überhaupt wieder raus kam. Die stehenden Häuser hatten eingeschlagene Fenster, die Türen waren aus den Angeln gefallen und der Putz war schmutzig und zerkratzt. Einige Wasserrohre lagen auf den Straßen, welche ziemlich zerrissen waren. Hinten am Horizont konnte man auch einen verwüsteten Park ausmachen, an welchem ein eigentlich noch ziemlich stabil stehendes Einkaufszentrum stand. Zum Glück
liegt dies auf unserem Territorium, da wir uns dort manchmal noch etwas zu Essen oder Kleidung holen konnten. Jedoch gab es deswegen auch schon ziemlich heftige Streite zwischen den einzelnen Gangs, da diese das Einkaufszentrum für sich beanspruchen wollten. Glücklicherweise blieb es bis jetzt immer noch in unserem Besitz. Ich zuckte etwas zusammen, als ich eine Bewegung neben mir wahrnahm. Ich sah zur Seite und blickte auf Clary's Bauch. Ich schreckte ein Stück zurück, was meine Schwester dazu brachte, zu lachen. „Komm wir gehen", meinte
sie, als sie sich beruhigt hatte, jedoch mit einem kleinen frechen Grinsen auf den Lippen. Ich zog eine kleine Schmolllippe, was sie dazu veranlasste nochmals zu lachen. Nach gefühlten zwanzig Minuten, es waren eigentlich nur zwei Minuten, liefen wir dann endlich los. Wir kletterten den Schrotthaufen hinunter, auf die Straße. Dummerweise landete ich mit meinem linken Bein direkt in einem der Risse. „Mist!", knurrte ich, da ich leicht umgeknickt war. Ich zog mein Fuß wieder raus, achtete dabei nicht weiter auf meine Umgebung, und sah mich
nach meiner Schwester um. Ich sah sie jedoch nirgends, was mir dann etwas Sorgen bereitete. Ich griff an meinen Waffengürtel, welcher an meiner blauen, zerrissenen Jeans war und zog eine Pistole hervor. Ich dachte mir schon, was passiert sein könnte. Ein Schrei hinter mir ließ mich erstarren. Ich drehte mich langsam um und meine Vermutung bestätigte sich. Clary kletterte, naja sie sprang eher weite Schritte, um schneller voran zu kommen, über eine alte Ruine. Direkt hinter ihr konnte ich zwei Jungs ausmachen. Der rechte trug einen dunkelblauen Pullover,
Respekt bei diesem Wetter einen Pullover zu tragen, und eine schwarze Jeans. Er hatte braune Haare, welche seine hellgrünen Augen hervor stechen ließen. Er war recht dünn, ich fragte mich, wie der noch auf den Beinen stehen konnte. In der einen Hand hielt er ein Messer und in der anderen eine Pistole. Der andere hatte schwarze, lange Haare, welche er zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Seine Augen strahlten dunkelblau, fast schon schwarz. Er war ziemlich blass und auch er war ziemlich dünn, jedoch etwas stämmiger als der andere. Er trug ein blaues Top,
welches perfekt zu seinen Augen passte und eine schwarze Lederjeans. Er hielt in jeder Hand jeweils eine Pistole. „Hey, bleib hier, du verdammter Midnight Shadow!", rief der braunhaarige Junge. „Als ob ich mir Befehle von euch geben lasse!", knurrte meine Schwester zurück. „Clary!", rief ich meiner Schwester zu, damit sie mich fand. Sie sah in meiner Richtung, wollte gerade über einen Stein klettern, als der Schwarzhaarige seine beiden Pistolen auf sie richtete und schoss. „Nein!", meine Augen weiteten sich und ich fing an ein paar Schritte in
die Richtung meiner Schwester zu machen. Doch diese war darauf vorbereitet und duckte sich rechtseitig, sodass die Schüsse über sie hinweg flogen. Ich atmete einmal erleichtert aus und richtete nun meine Pistole auf den braunhaarigen Jungen. Ich drückte ab, verfehlte jedoch. „Mist!", knurrte ich und schoss nochmals. Doch auch diesmal verfehlte ich. Nun war es der Braunhaarige, der seine Pistole auf mich richtete und abschoss. Doch ich war schnell genug, um mich hinter einem großen Stein zu verstecken. „Hey Süße. Hast du Angst oder warum
versteckst du dich so feige?", hörte ich die tiefe Stimme des Jungen. Ich ignorierte ihn jedoch und sah zu meiner Schwester. Sie hatte mittlerweile ihre Pistolen gezogen und schoss auf den Schwarzhaarigen. Er konnte aber immer schnell genug ausweichen, was das Ganze für Clary nicht einfacher machte. Ich war so sehr damit beschäftigt, meiner Schwester zu zusehen, dass ich mein Umfeld überhaupt nicht mehr wahrnahm und was dort passierte. Das war ein großer Fehler. Ich spürte auf einmal einen heftigen Tritt an meinem Hinterkopf und
etwas flüssiges, was über meinen Hinterkopf lief. Ich schrie einmal schmerzerfüllt auf, drehte mich um, richtete die Pistole auf den Braunhaarigen, welcher mich blöd angrinste und drückte ab. Dies alles geschah so schnell, dass mein Gegenüber keine Zeit mehr hatte auszuweichen, weshalb meine Kugel ihn mitten im Kopf traf und er tot umfiel. Ich hielt mir den Hinterkopf und versuchte die Schmerzen zu ignorieren. Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich zuckte zusammen. Ich drehte mich blitzschnell um und richtete meine Pistole auf die
Person. „Ganz ruhig", meine Schwester hob beschwichtigend die Arme. Ich nahm, die Pistole weg und steckte sie wieder an meinen Gürtel. „Wo ist der andere?", presste ich hervor. „Abgehauen", seufzte meine Schwester und sah hinter mich. „Du scheinst aber Glück gehabt zu haben", grinste sie dann und nickte in Richtung der Leiche hinter mir. "Ja so in etwa", antwortete ich immer noch unter Schmerzen. „Durchsuchen wir ihn und gehen dann zurück, um Bericht zu erstatten und deine Wunde verarzten zu lassen", Clary stand auf und ging hinter mich zur
Leiche. Ich strich mir mein braunes Haar erstmal aus dem Gesicht und drehte mich dann zu meiner Schwester. Mit meinen blauen Augen musterte ich die Leiche erst nocheinmal und kniete mich dann zu meiner Schwester. Er hatte hier und da ein bisschen Schmutz und am Kopf war die Schusswunde, aus welcher immer noch Blut floss. Meine Schwester schnappte sich erstmal die Waffen. Sie gab mir das Messer und nahm sich selbst die Pistole. Ich fing an seine Hosentaschen zu untersuchen und meine Schwester durchsuchte seinen Kapuzenpulli. „Nichts", gab
ich knapp von mir. Meine Schwester nickte und gab ein „Bei mir auch nichts", von sich. Wir beide seufzten gleichzeitig. Ich stand auf, meine Schwester tat es mir gleich. „Na dann!", rief sie voller Elan, „lass uns zum Hauptquartier gehen!" Ich nickte nur nochmal still, ließ meinen Blick nochmal über die Leiche schweifen. Irgendwas ist seltsam. Ein leises, Geräusch, was sich wie ein Ticken anhörte ertönte und ich riss meine Augen auf, als ich erkannte, was das war. „Clary, weg hier!", schrie ich und stolperte einige Schritte nach vorne. Meine Schwester sah
mich verwirrt an. „Eine Bom...", doch es war schon zu spät. Das Teil folg samt dem Jungen in die Luft. Meine Schwester schrie erschrocken, wurde genauso wie ich von der heftigen Druckwelle einige Meter weggeschleudert. Mein Kopf prallte auf einen Stein und ich verlor mein Bewusstsein, mit der Angst um meine Schwester.
Mein Kopf brannte höllisch, als ob ihn jemand angezündet hätte, meine Gliedmaßen schmerzten und mein Hals brannte und war trocken. Ich öffnete meine Augen und hustete heftig, ich hatte das
Gefühl gleich zu ersticken. Eine Hand legte sich auf meine Stirn und ein ziemlich besorgt dreinschauendes Gesicht erschien über mir. Es war Tay, einer meiner besten Freunde und auch einer der besten Ärzte. Ich sah ihn an, öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, jedoch entkam nichts, nicht mal ein Hauchen aus meinem Mund. Mein bester Freund fuhr sich mit seiner rechten Hand einmal durch seine braunen Locken. „Ruh dich aus", meinte er und drehte sich dann weg. Ich sah mich um. Ich befand mich in einem großen Raum mit weißen Wänden. Überall
standen Regale und Schränke an den Wänden und einige Krankenbetten standen mitten im Raum. An der Wand gegenüber führten ein paar Türen in einige „Operationssäle". Ich befand mich also auf der Krankenstation unseres Hauptquartiers. Doch wie bin ich hier hergekommen? Ich richtete mich leicht auf, wobei die Decke, welche auf mir lag etwas runter rutschte. Ich suchte den großen Raum ab, konnte jedoch nirgends meine Schwester ausfindig machen. „Clary...", dachte ich mir und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Sofort machte sich Panik in
mir breit. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Ich begann schnell und ungleichmäßig zu atmen. War sie tot? Nein das konnte nicht sein! Ich presste meine Lippen aufeinander und schloss meine Augen. Obwohl ich die Augen geschlossen hatte konnten sich einige kalte Tränen einen Weg nach draußen bahnen. Sie liefen über meine Wange, runter zum Kinn und tropften dann auf meine Hand, welche sich in den Stoff der weißen Decke krallten. Zu allem Übel erschien mir in Gedanken das lachende Gesicht meiner Schwester. Ich konnte es ja ertragen, wenn
andere Gangmitglieder starben, aber nicht meine Schwester! In dem Moment wurde mir mal wieder klar, wie schlimm das Leben hier doch ist. Wir sind heute Morgen ganz normal zur Grenzpatrouille losgegangen, der Tag hatte schön angefangen. Aber wenn meine Schwester wirklich tot war? Ein Schluchzen verließ meine Kehle. Ich wollte das alles nicht wahr haben! Das ist doch alles nur ein Traum! Ja genau, ein dummer Traum, aus welchem ich gleich erwache. Ich zwickte mich einmal, um mich selber zu wecken, doch es geschah nichts. Ich wusste einfach
nicht weiter. Den Schmerz völlig ignorierend versuchte ich aus dem Bett aufzustehen. Ich fühlte mich so schwach, weshalb ich mich sofort wieder auf die Bettkante setzten musste. Ich sah an mir herab. Ich trug nichts weiter, als meinen BH und meiner Hose. Ich hatte einen Verband um meinen Bauch und als ich an meinen Kopf griff konnte ich dort auch einen ausmachen. Ich hob den Kopf, als ein Schatten vor mir erschien. Es war Tay, welcher mich mahnend mit seinen schwarzen Augen ansah. „Du musst liegen bleiben, Cloe!", meckerte der Lockenkopf. Ich schwieg und legte
mich wieder brav ins Bett. Ich würde sowieso zusammenbrechen, wenn ich aufstehen würde. Ich öffnete meinen Mund, schloss ihn aber auch gleich wieder. Tay sah mich fragend an, schüttelte dann aber den Kopf und drehte sich um. Ich kuschelte mich unter die wärmende Decke und starrte auf die weiß glänzende Decke. Müdigkeit machte sich in mir breit und ich verschwand auch schon ins Land der Träume, mit dem Gedanken, dass es toll wäre, wenn das Leben ein einziger Traum wäre. Dann wäre alles möglich und ich könnte meine Schwester wieder
erwecken.