Es ist herrlich, einmal im Jahr, über vier Wochen hinweg, nichts zu tun, im Sand zu liegen, eingewickelt in die Wärme der Sonne, das Meer rauschen zu hören, den Wind wie ein zärtliches Streicheln auf der Haut zu spüren, sich hinzugeben dem beglückenden Gefühl, dem Alltag entronnen zu sein und sich ganz auf sich selbst besinnen zu können.
So dachte Nori, als sie den blauen Horizont blinzelnd absuchte.
Seit einer Woche wohnten sie allein. Ihr Bruder Thatrapi wurde ins Krankenhaus angewiesen. In einem oder zwei Tagen sollte man ihn in die Nervenheilanstalt
stecken. Sie erinnerte sich immer wieder an sein verzogenes Gesicht. Ah, was für dumme Augen hatte er! Große und vertrauensvolle Augen. Nori spürt wie Kim sein Arm auf ihr Schulter legte. Sie macht keine Anstalten, den Kopf zu heben. Sie will ihn nicht sehen.
Seit zwei Jahren sind sie verheiratet und waren auch immer eines Sinnes gewesen. Aber jetzt hatten sie einander kein Wort zu sagen.
Sie muss sich das alles noch einmal ganz genau überlegen, nur Kim behindert ihr daran.
Enno regte sich wieder auf. Düster schlenderte er herum.
„Hör das auf, Nori!“ Schrie er plötzlich.
„Das ist bloß ein Spinner, nach dem kein Hahn kräht. In solchen Sachen muss man entschieden sein. Vergiss das alles. Die Dinge müssen eben ihren Lauf nehmen. „
Nori erwiderte nichts. Sie starrte bloß ihren Mann an. Sie nahm das Buch aus der Tasche und begann zu lesen. Zwei Seiten, drei Seiten… Dann sagte sie plötzlich: „Ich schaffe es nicht. Es ist mir Ernst mit dem, was ich sage. Ich schaffe es nicht. Morgen hole ich ihn zurück. „
Der Mann murmelte wieder etwas Undeutliches. Ob es Zustimmung oder Ablehnung war, wusste sie nicht. Vorhin hatte sie einen schweren Fehler begangen. Jetzt ist es Zeit, ihr Leben
wieder in Ordnung zu bringen.
Am Nachmittag nahm sie Ihren Koffer und fuhr los.
Inzwischen saß ihr Bruder auf dem Sofa im Erholungsraum und starrte aus dem Fenster. Er war konzentriert und trotzdem schwamm alles um ihn herum. Er hat sich schon vor langer Zeit mit diesem Gefühl vertraut gemacht. Er war krank. Nicht so wie die anderen, sondern auf seine eigene Art und Weise. Krank für sich allein.
Es mag sieben oder acht Uhr morgens gewesen sein, dann er fühlte sich kalt. Die Morgensonne schien durch die gelblichen Gardinen und die kaum warmen Strahlen fielen auf das Sofa. Er
rückte sich näher an den Rand und machte die Augen zu. Sein weißes verrunzeltes Gesicht leuchtete auf, als er fühlte, wie die Wärme seine Backen streifte. Zusammengekauert saß er da, bis die letzten Strahlen verschwanden. Man vergiss ihn zu füttern und er fühlte, wie sein Magen knurrte. Verloren schaute er sich um.
Am späten Abend kam Nori. Eine Weile betrachteten sie sich schweigend. Dann sagte sie: „Komm, Bruder. Deine Schwester hat sich endlich wiedergefunden“.
***
In letzter Minute seines Lebens
kümmerte sie sich um ihren Bruder. Eine schlafarme Nacht ermüdete Nori. Doch bis zum letzten Herzschlag ihres Bruders lächelte sie. Und später weinte sie und lächelte wieder. Und am nächsten Tag auch. Und dann hörte sie das Meer und sah wie die letzte Sonnenstrahlen die grünen Wellen berührten.