Loki und das Eichhörnchen
Loki fragte sich, wo er hier gelandet war? Er wusste ja, dass es Bäume gab, aber so seltsame Bäume, wie die, die er hier in seiner Umgebung gerade sah, da kante er bisher eigentlich nur Yggdrasil. Und doch waren auch diese Bäume hier ganz anders als Yggdrasil, denn die Bäume hier hatten Augen und Ohren und Nasen, und die Äste waren die Haare. Yggdrasil beherbergte zwar allerlei seltsame Gestalten, vom Adler über Eichhörnchen bis hin zu Schlangen, aber Yggdrasil hatte weder einen Mund noch eine Nase, noch Ohren.
Loki erschrak fast zu Tode als der Ast eines Baumes ihn von hinten berührte und zu ihm sprach:
„Na Loki? Was machst Du denn hier? Hast Du Dich verlaufen?“
Plötzlich lachten alle der Bäume um ihn herum. Da nutzte es ihm auch nichts mehr, dass er der Bruder von Thor war. Bei solch schaurigem Gelächter wäre jeder Gott und jeder Halbgott und Menschen sowieso sofort erstarrt.
Loki riss sich zusammen und fragte:
„Wo bin ich hier?“
Einer der Bäume antwortete:
„Du bist im Land der sprechenden Bäume.“
Da musste sogar Loki ein wenig grinsen, schließlich konnte er sich so etwas ja denken. Das erklärte allerdings immer noch nicht, wo er hier war. Da sah er von einem der Bäume ein Eichhörnchen klettern, das zu ihm sprach und sagte:
„Hallo Loki, ich kenne Dich, normalerweise klettere ich immer auf Yggdrasil rauf und runter.“
Da war Loki sehr froh, ein Wesen zu sehen, das er kannte und so fragte er das Eichhörnchen:
„Schön, dass ich Dich sehe, aber kannst Du mir auch helfen, wieder nach Hause in meine Welt zu kommen?“
Das Eichhörnchen putzte seine Pfoten und seine Nase und deutete dann Loki, dass er ihm folgen solle, was Loki auch tat. Schließlich wollte er nach Hause, ja obwohl er ein nordischer Gott war, und der Bruder von Thor, so plagte ihn jetzt doch das Heimweh. Das Eichhörnchen führte Loki immer tiefer in den Wald. Loki fragte sich, wie das wohl gehen sollte, dass er von hier aus den Weg nach Hause findet. Erst als sie einige Stunden so gelaufen waren, setzte sich das Eichhörnchen auf einen Ast und deutete Loki an, dass er sich auf den Baumstamm setzen sollte, der da in der Nähe war. Loki setzte sich und fragte das Eichhörnchen erneut:
„Sag mir, doch bitte endlich wie ich nach Hause komme.“
Da druckste das Eichhörnchen ein wenig herum und sagte dann:
„Loki, so einfach ist das nicht. Ich brauche etwas, damit ich Dir den Weg nach Hause zeigen kann." Loki antwortete:
„So? Was brauchst Du denn?“
Das Eichhörnchen erwiderte:
„Nun, ich bin alt und schwach, und mir fällt es schwer, Nüsschen zu pflücken, und die Verstecke in die ich diese lege, vergesse ich auch immer wieder.“
Loki meinte dazu:
„Soll das heißen, Du willst allen Ernstes von mir, dem Bruder von Thor, dass ich für ein Eichhörnchen Nüsse sammele?"
Das Eichhörnchen wollte erst nicht so wirklich mit der Antwort raus, da es schon ahnte, dass Loki von so etwas alles andere als begeistert sein würde. Aber wie sollte es denn sonst an seine Wintervorräte kommen? Selber sammeln?
Nein, dazu war es viel zu gewieft und viel zu faul. Es war doch um einiges einfacher andere für sich arbeiten zu lassen, als selbst zu arbeiten. Hoffentlich merkte Loki nicht, dass er nur ausgenutzt werden sollte. Loki war alles andere als begeistert. Doch, was blieb ihm anderes übrig? Er wollte nach Hause, und dieses Eichhörnchen schien einen Weg zu kennen, wie er wieder nach Hause kommen konnte. Obwohl er eigentlich
so gar keine Lust dazu hatte, machte er sich daran Nüsse zu sammeln. Das Eichhörnchen beobachtete ihn, und das eine oder andere Mal fragte sich Loki auch, warum das Eichhörnchen ihn so angrinste. Das Eichhörnchen hatte Loki einen Sack besorgt und nun war Loki eifrig dabei durch den Wald der spre-chenden Bäume zu streifen und dabei Nüsse zu sammeln. Nachdem Loki den Sack prallvoll gefüllt hatte, zeigte er dem Eichhörnchen den prall gefüllten Sack und fragte es, ob er denn jetzt nach Hause könne. Das Eichhörnchen druckste wieder herum und sagte:
„Na, ganz so schnell geht das nicht, damit Du nach Hause kommst, brauchen wir noch das grüne Haar eines Trolls. Loki dachte sich:
„Hae? Ein Troll? Wir sind doch hier im Bereich der nordi-schen Sagenwelt, was hat hier denn bitte ein Troll verlo-ren?"
Loki dachte, egal, wenn das Eichhörnchen das so will, dann muss ich das akzeptieren, sonst komme ich ja nie nach Hause. Also machte sich Loki auf, noch tiefer in diesen mysteriösen Wald der sprechenden Bäume, in der Hoffnung, dass das Eichhörnchen ihm den Weg zeigen wird. Loki lief lange, sehr lange, durch den Wald und fragte sich mit jedem Schritt mehr, ob er hier denn auf dem richtigen Weg sein konnte. Wieso sollte ihm ein grünes Haar, dass er einem Troll entriss und dem Eichhörnchen gab, ihm helfen wieder nach Hause zu kommen? Nachdem
sie einige Zeit durch den Wald gelaufen waren, kamen sie an einer seltsamen Höhle vorbei vor, der lauter grüner Schleim zu sehen war.
Sowohl Loki als auch dem Eich-hörnchen war klar. Eine Höhle vor der so ekelhafter grü-ner Schleim lag, das konnte nur die Höhle eines Trolls sein. Auch wenn Trolle in den nordischen Sagen selten bis gar nicht vorkamen, und Loki somit nicht wirklich Ah-nung davon hatte, was das für Wesen waren, so wusste er doch, dass diese Wesen sehr speziell und oftmals auch sehr bösartig waren. Bei einem solchen Wesen an ein Haar kommen würde sicher nicht einfach werden. Da wurde das Grunzen, das man aus der
Höhle vernehmen konnte immer deutlicher und immer lauter und bald schon stand ein kleines, gänzlich grünes, mit Warzen übersätes Wesen direkt vor ihm und Loki verstand kein Wort. Das was aus dem Mund dieses Wesens kam, das war ein einziges Grunzen.
Wie sollte er sich mit diesem Wesen unterhalten? Und dann auch noch irgendwie an eines seiner Haare kommen? Das erschien im ersten Moment nahezu unmöglich. Doch dann geschah etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Hinter dem Wesen tauchte auf einmal sein Bruder Thor auf und nicht nur das, dieser schien sich mit diesem seltsamen grünen etwas auch noch perfekt
verständigen zu können. Da fragte Loki seinen Bruder:
„Du, Thor, wie kommt es, dass Du der Sprache dieses merkwürdigen Wesens mächtig bist? Wieso bist Du überhaupt hier?“
Da erzählte Thor, dass er nicht wusste, wie er hierher gekommen war. Er hatte sich plötzlich in einem seltsamen Wald mit sprechenden Bäumen wieder gefunden. Und als er so richtig zu sich gekommen war, musste er einem Eichhörnchen helfen Nüsse zu sammeln. Das Eichhörnchen hatte ihm erzählt, dass es ihm dafür den Weg nach Hause verraten würde. Doch als er einen ganzen Sack Nüsse gesammelt hatte, sagte ihm das Eichhörnchen, dass es auch noch
das grüne Haar eines Trolls brauchen würde, und so landete er irgendwann bei diesem Troll. Zuerst wollte der Troll ihn ja fressen, aber als er seinen großen Hammer sah, mit dem er ja immerhin auch die Gewitter auf der Erde auslösen konnte, da bekam der Troll es mit der Angst zu tun und wurde friedlich. Bald schon sassen sie zusammen, assen, tranken und lachten, und als Thor den Grund sagte, warum er hier war, gab der Troll auch ohne Probleme eines seiner grünen Haare.
Jetzt fragte sich Loki, was das sollte.
Offensichtlich war vor ihm ja schon sein Bruder Thor in der gleichen Situation gewesen. Wie konnte das denn sein? Loki und sein Bruder Thor sahen sich an und
schnell merkten sie, dass dahinter eigentlich nur das Eichhörnchen stecken konnte. Sie wussten ja beide, dass das Eichhörnchen oftmals sich irgendetwas einfallen ließ um irgendjemand anderen für sich arbeiten zu lassen. Noch kamen sie allerdings nicht dahinter, welchen Gedanken das Eichhörnchen wohl ge-habt hatte, als es erst Thor und dann Loki den Weg nach Hause zeigen wollte.
Der Troll grunzte. Es fiel ihm sichtlich schwer, ein halbwegs akzeptables Benehmen an den Tag zu legen. Plötzlich musste der Troll niesen. Zuerst fing es ganz lang-sam an. Der Troll sagte:
„Ha...ha....ha“
und riss dabei das Maul auf, so dass seine allesamt verfaulten Zähne zum Vorschein kamen. Und auf „tschi“ kam aus dem Maul ein ekelhafter grüner Schleim. Loki und auch Thor konnten gerade noch rechtzeitig auf die Seite springen, damit sie der Schleim des Trolls nicht trifft. Denn für Menschen und für Götter war der Schleim eines Trolls nun einmal giftig. Und nicht nur das. Wenn der grüne Schleim eines Trolls einen Gott traf, dann löste sich dieser umgehend in Luft auf. Als der Troll ausgeniest hatte, lief ihm der ekelhafte grüne Schleim das verwarzte Gesicht herunter. Verzweifelt suchte nach irgendetwas, mit dem er sich die Nase putzen kann, als sein Blick auf das Eichhörnchen fiel. Das Eichhörnchen ahnte, dass gleich etwas
mit ihm geschehen wür-de, was ihm sicher nicht gefiel.. Und so kam es auch. Der Troll schaffte es, relativ bald das Eichhörnchen einzufangen, und wischte sich mit dem braunen weichen Fell die Nase ab. Danach war das Eichhörnchen voll mit grünem Trollschleim, doch anders als Menschen und Götter löste sich das Eichhörnchen nicht auf.
Thor und Loki sahen das Eichhörnchen und sie sahen auch, dass das Eichhörnchen alles andere als begeistert war, dass es jetzt von grünem schleim bedeckt war. Ob das Eichhörnchen ihnen in diesem Zustand noch nach Hause helfen wollte?
Vorsichtig versuchten sie, ein Gespräch mit dem Eichhörnchen zu beginnen. Natürlich
waren sie dabei immer sehr darauf bedacht, auf keinen Fall den grünen Schleim zu berühren. Ihnen war beiden bewusst, sollten sie, auch nur aus Versehen in Kontakt mit diesem Schleim kommen würden sie sich auflösen. Das Eichhörnchen fühlte sich ebenfalls nicht wohl mit dem Schleim überall im Fell und verschwand in einem unbeobachteten Moment. Thor und Loki fragten sich, wo das Eichhörnchen so schnell hin verschwunden war. Und vor allem. Wie sollten sie ohne das Eichhörnchen den Weg nach Hause finden? Sie sagten dem Troll, dass sie sich auf die Suche nach dem Eichhörnchen machen mussten, da nur dieses in der Lage war ihnen den Weg nach Hause zu zeigen. Der Troll weinte und schrie,
Schliesslich war er einsam und er wollte nicht einsam sein. Thor und Loki und das Eichhörnchen waren seit langer Zeit die ersten lebendigen Wesen gewesen, die ihn besucht hatten. Der Troll wurde sehr traurig, obwohl ihm natürlich klar war, dass es schwer war ihn zu mögen, bei diesem Aussehen. Dazu das manchmal rüpelhafte Benehmen und als ob das noch nicht genug wäre auch noch der für so viele lebendige Wesen gefährliche Schleim. Er setzte sich auf einen seiner Stühle in der Höhle und heulte. Er heulte immer mehr und immer intensiver. Nachdem er einige Zeit geheult hatte riss er sich zusammen und dachte sich:
„Ein heulender Troll? Das geht ja mal sowas von überhaupt nicht, wer soll denn dann noch Angst vor mir haben?“
Loki und Thor hatten das Eichhörnchen inzwischen ge-funden. Es war wieder an der Stelle, an der es damals sowohl Thor als auch Loki gefunden hatte. Loki und Thor konnten sich schon denken, dass das Eichhörnchen nichts anders im Sinn hatte als so schnell wie irgend möglich wei-tere Wesen dazu zu bringen ihm Nüsse zu sammeln. Und es dauerte nicht lange, da kam an dieser Stelle Freyja zum Vorschein.
Thor und Loki fragten sich, ob Freya sich wohl darauf einlassen würde dem Eichhörnchen
zu helfen. Sie versteckten sich hinter einem Baum und beobachteten was passiert. Und tatsächlich. Es dauerte nicht lange und das Eichhörnchen fragte auch Freya, ob sie ihm helfen könnte Nüsschen zu sammeln. Inzwischen hatte sich das Eich-hörnchen auch sauber geputzt, so dass kein grüner Schleim mehr an ihm haftete. Erst wollte Freyja dem Eichhörnchen nicht helfen, doch als das Eichhörnchen sagte, dass es ihr helfen würde nach Hause zu kommen wenn es ihm dafür helfen würde Nüsschen zu sammeln, dann ließ sich auf Freyja darauf ein. Ebenso wie Loki und wie Thor merkte sie nichts davon, dass das Eichhörnchen das nur eigennützig tat, weil es schlicht zu faul war selbst Nüsschen zu sammeln. Es ist nun
einmal einfacher andere für sich arbeiten zu lassen, als selbst etwas zu tun. Zumindest sah das dass Eichhörnchen so.
Da entdeckte Freyja Thor und Loki und fragte: „Was macht ihr denn hier?“ Beide antworteten wie aus einem Mund:
„Na, vermutlich das gleiche wie du. Hoffen dass uns das Eichhörnchen den Weg nach Hause zeigt, wenn wir ihm geholfen haben genügend Nüsschen zu finden."
Dem Eichhörnchen wurde immer deutlicher klar, dass es durchschaut wurde, und das würde sicher weder Thor, noch Loki noch Freyja gefallen. Diese drei würden es wahrscheinlich erbittert jagen, und wer weiss, möglicher-weise würde es am Ende im
Kochtopf landen und als Eichhörnchenragout oder ähnliches enden. Das wollte es natürlich nicht. Schnell versuchte es, sich hinter einem der sprechenden Bäume zu verstecken. Thor und Loki und auch Freyja entdeckten das Eichhörnchen. Sie wollten es zur Rede stellen. Doch das Eichhörnchen verstand es sich zu verstecken. Erst nachdem Loki feststellte, dass er noch einige Nüsse in der Tasche hatte und diese in Richtung des Eichhörnchens warf, erst in diesem Moment entschied sich das Eichhörnchen, wieder n Richtung der drei zu laufen. Nüssen konnte es nun einmal nicht widerstehen.
Natürlich war auch dem Eichhörnchen klar, dass die drei die Nüsschen nur deswegen
geworfen hatten, weil sie unbedingt wollten, dass es sich wieder zeigte. Aber Nüssen widerstehen, war einfach nicht möglich.
Als es direkt vor den Dreien stand, hielt es seine beiden Pfötchen vors Gesicht, denn jetzt schämte es sich doch. Wieso nur hatte es die anderen drei ausgenutzt.
Freyja und Thor und Loki erkannten, dass das Eich-hörnchen sich schämte und sie sagten:
„Du weißt schon, dass das, was Du getan hast, nicht richtig war?“
Das Eichhörnchen nickte mit dem Kopf. Und wie aus einem Mund fragten die drei:
„Und wie kommen wir wieder nach Hause?“
Das Eichhörnchen erklärte, dass es das in Wirklichkeit leider selbst nicht wusste. Freyja, Thor und Loki setzten sich auf einen Baumstumpf in der Nähe und waren sehr traurig, als einer der sprechenden Bäume sagte:
„Ihr wollt nach Hause?“
Alle drei sagten:
„Ja, wenn möglich sofort“
der Baum sagte:
„Kein Problem. Ihr müsst nur hier durch das kleine Astloch kriechen, dass da rechts unter meiner Schulter ist, dann kommt ihr wieder nach Hause.
Alle drei taten es und waren danach tatsächlich wieder zuhause. Sie erzählten
zuhause von ihrem Abenteuer, aber keiner glaubte ihnen.