"....Ja, wir sind ein Gemisch, zur Sensation prädestiniert. Eine magische Verbindung und ein Teufelselixier.
Ich war allein so leer und halb,
doch jetzt gehör ich dir.
Lass es für immer sein,
komm, nimm mich jetzt und nimm miich hiiiier....!" Günther schwang den Staubwedel, nach dem schwungvollen Takt der ohrenbetäubenden Musik, aus seiner Anlage im Wohnzimmer, und brummte den Refrain enthusiastisch mit.
Eine alte Truppe, die er da aus seiner CD-Sammlung hervor gekramt hatte. Songs, bei denen man sich herrlich austoben konnte, wie er fand. Und zu deren fetzige Inhalte auch tausend
Gedanken sprießen konnten. Skeptische Gedanken. Magische. Kritische. Mutige...
Da war Putzen angesagt. Aufräumen - in sich selber und überhaupt!
Günther hörte die Türklingel erst, als da jemand drauf zu stehen schien. Ihr schriller Ton also nicht abriss und seine rhythmische Musik doch arg disharmonierte.
Herkules war längst vorgelaufen, hatte ebenfalls bellend einen Besuch angekündigt. Günther bemerkte das erst jetzt, als er zum Öffnen geeilt kam.
"HE.. WOL.r, e.tSCHUl.i.e. ... .itTE - i.. WOllte .e.a.. .ei.e MASCHINE a...e..e.,... "
Frau Klause, vom Haus nebenan, stand im hellblauen Wolljäckchen, über hautenge Bluse und Jeans, vor ihm. Sie hatte die Augen weit aufgerissen, und ihr Mund schien da doch etwas gesagt haben zu wollen.
Günther zuckte mit den Schultern und hob bedauernd die Arme. Er hatte kein Wort verstanden, worum es ging.
"Komm zu mir als Rabe
Komm zu mir als Wind
Komm zu mir als Wolf, dass vereint wir wieder sind..." betörende Laute aus dem Wohnzimmer, und Günther starrte Frau Klause an.
Sie lächelte. Als hätte sie eine LARVE vor dem Gesicht, fand er bei sich.
Höflich zeigte er dann an, dass er die laute Musik als störend empfand, die deshalb eben herunter drehen wollte.
Als er wieder kam, hatte Frau Klause sich schon Zutritt in seinen Flur verschafft, war nur durch Herkules daran gehindert worden, weiter vorzudringen. Wieder höflich, nahm er seinen Hund von ihr zurück, was für sie wohl die amtliche Aufforderung war, vom Flur, sanft vorbei an seinen etwas fülligen Leib, in die gute Stube zu schweben.
"HIMMEL! Sie wohnen aber schön!"entzückte sie sich, streifte dabei ihr hellblaues Wolljäckchen ab, warf es über die Sessellehne und beäugte das Zimmer mit unverhohlter Neugier, Dann
wandte sich lächelnd zu Günther um.
"Ach, ich bin Katja, wir können ruhig Du zueinander sagen, oder?" flitzte sie durch seine Ästhetik.
Günther spürte, dass diese Vertraulichkeit sie weiter BOHREN lassen wird. Prompt fragte sie auch nach seinen Vornamen.
`Als nächstes will sie in meine Pantoffeln SCHLÜPFEN´, schoss es ihm durch den Kopf.
Höflich bot er ihr den Sessel an, ohne auf ihre Worte einzugehen und setzte sich ihr gegenüber auf die Couch.
"Was haben sie denn? Warum sind sie gekommen?" stellte er die ultimativste aller seiner Fragen an sie.
Frau Klause Katja stutzte, starrte einen Moment auf den kleinen KASTEN, auf seinem Regal, und wie SELBSTLOS gestand sie dem etwas fülligen, bärtigen, alleinstehenden, wohlsituierten und schon gestandenen Nachbarn, dass sie ihn schon längere Zeit vom Fenster aus beobachtete, auch dabei HERZKLOPFEN bekäme.
Günther streichelte, wie beruhigend, Herkules´ Kopf.
FADENSCHEINIG, so dümpelte es in seinen Ohren, begründete sie ihre Aufmerksamkeiten damit, dass ein Mann, allein im Haushalt, mit tausend Schwierigkeiten zu rechnen hätte, die doch nur von einer Frau zu bewältigen
seien....
Das reichte!
Günther war aufgestanden, wedelte demonstrativ mit seinem Staubfänger, den er immer noch in den Händen hielt. Unwillig komplimentierte er dann die verdutzte Frau Klause höflich hinaus. Für ihn war der Kuchen gegessen, hatte einen Geschmack von Buttermilch und TANNENZAPFEN hinterlassen - nicht unangenehm, aber doch sehr speziell.
Zum Abschied gab er ihr doch noch die Hand und brummte:
"Eine so attraktive Frau, wie sie, hat sicher Hundert an jeden Finger - achten sie mal darauf!"
Lange ging ihm das Erschrecken, im
Gesicht von Frau Klause, noch nach.
Auch später noch, als er seine Band, aus der Anlage im Wohnzimmer. wieder laut SINGEN hörte:
"...werden rostige Ideen aufpoliert, zum neuen Glanz,
und von Angst genährtes Gift in eure Köpfe eingepflanzt..." Bitterkeit stieg in Günther hoch. Bestätigend ließ er den Staubwedel über die Kommode gleiten. Doch dann das;
"...denn die Welt darf sich nie ändern,
besser bleibt sie schrecklich gleich..."
Günther spürte den Stich zeitgleich mit dem "gleich", und das machte ihn wahnsinnig. Zornig. Lauter schmetterte er darum mit:
"Weiß der Teufel, warum einer, der die Wahrheit kennt, nur lügt.
Weiß der Teufel, warum einer, der den Schmerz kennt, ihn zufügt.
Weiß der Teufel, warum keiner weiß, wir sind vom Tod erwacht.
Wir sind längst im Paradies, haben die Hölle draus gemacht" - JA!
Es war ihm, als hätte er alle Posaunen im Himmel dirigiert! Als sei er abgehoben und doch überall da.
Langsam kam er in die Wirklichkeit zurück, langsam sah er, dass er den Wedel auf und ab schwang. Das Wohnzimmer nahm wieder Gestalt an.
Er befand sich im Alltag.
Und der bekundet Bedürfnisse.
Ein Stichwort, nun in die Küche zu gehen. Günther beugte sich zu Herkules runter, streichelte dessen Kopf und dachte an Katja. Und an ihr hellblaues Wolljäckchen.
Ein Seufzen entfuhr ihm. Herkules wedelte mit dem Schwanz, sah, mit seinen treuen, braunen Augen, zu ihm hinauf.
Das Abendbrot fiel, für Herrchen und Hund, üppig aus. Herrchen hatte wieder viel Salami auf sein Brot getan, und Herkules profitierte von der Selbsterkenntnis seines Herrschens, der an die Waage im Bad dachte.
Als Herkules noch ABENDS Gassi
geführt wurde, konnte Günther es sich doch nicht verkneifen, einen Blick hinüber, auf das Nachbarhaus, zu werfen. Eine Gardine schien gewackelt zu haben. Aus einem anderen Fenster leuchtete ein schwaches Licht.
Die Zwei liefen heute mal die große Runde. Herkules war begeistert - es gab ja so viel zu erschnüffeln. "Zeitunglesen", wie die Zweibeiner es nannten, was für Günther ein versöhnlicher Begriff, für dieses dauernde "stop and go" seiner Fellnase, dann wurde.
Zurück zu Hause, bekam der kleine Freund von Günther, noch eine Extra-Kauknochen-Zahnbürste.
Doch Herrchen verschwand, für eine ganze, lange Weile, wieder im Bad...