Die Festung Marstrand
Nach seinem Geniestreich in dem Dynkil-Fjord wurde Peter Wessels befördert. Er war nun Kommandant der Kattegat-Flottille.
Sein nächster Kriegseinsatz war verheerend. Dieses düstere Kapitel wird gerne verschwiegen.
Er zerstörte nur teilweise Schiffseinheiten in Göteborg. Sein Widersacher war derselbe, den er so der Lächerlichkeit preisgegeben hatte, nämlich Admiral Olof Strömstierna.
Er war ein nunmehr ebenbürtiger Gegner und hatte Tordenskiold mehrere unliebsame Begegnungen bereitet.
Unter anderem hatte er ihm sein Flaggschiff, die Krönende Rose, mit 128 Mann und 28
Kanonen bewaffnet, unter dem Hintern weggeschossen.
Die schwedische Flotte sollte die Verbindungswege zwischen Dänemark und Norwegen bedrohen. Das hätte Wessel verhindern sollen. Das Kriegsziel unter Tordenskjold wurde schlichtweg verfehlt. Anders ausgedrückt, hatte er Einen auf die Mütze bekommen. Dies wurde dem Chef Wessel zum Vorwurf gemacht.
Aber auch dieser Kriegsprozess lief ins Leere. Admiral Gyldenlove verwendete sich für ihn. Das war 1717.
Fest steht, dass Wessel damals total versagte und Olof Strömstierna dazu gelernt hatte. Die Ausgangslage ähnelte der von Dylekilen, aber
das Überraschungsmoment einer neuen, halsbrecherischen Aktion blieb aus.
Strömstierna war auf der Hut und es zeigte sich, dass verwegener Wagemut eben auch schief gehen kann. Außerdem hatte sich Wessel nicht mit dem Kommandeur der Landstreitkräfte abgesprochen und weiterhin hatte er Führungsprobleme mit der Mannschaft und seinen Offizieren. Höchst unrühmlich! Ich denke, dass er zu Recht entlassen wurde.
Der unselige Krieg ging weiter und schließlich konnte man auf den Haudegen doch nicht verzichten.
Man setzte ihn also, trotz allem, wieder ein. Ich schließe daraus, dass gewisse
Verzweiflung bei den Norwegern umging. Jetzt war Wessel plötzlich Vizeadmiral und bekam einen unangenehmen Auftrag. Es ging um die Festung Carlsten, die von den Schweden gehalten wurde.
Die unbekannte Anweisung des Kriegsministeriums hätte nur so lauten können, dass er die Versorgung der Festung auf See zu verhindern hätte. Zu mehr war allein seine Ausrüstung, die Anzahl der Soldaten, gar nicht fähig gewesen. Wie immer, hielt sich der rasende Falke Wessel nicht daran. Er wollte mehr.
Am 10.Juli 1719 landeten die Truppen von Tordenskjold in der Nähe von Marstrand an. Die große Festung war nicht weit entfernt.
Diese Festung war nicht ohne. Ein echtes Bollwerk und eine Erstürmung praktisch aussichtslos.
Aber auch auf der schwedischen Seite gab es Ungereimtheiten. Der Kommandeur der Festung, Oberst Danckwardt, mag vielleicht für die normale Bürokratie geeignet gewesen sein, als Festungskommandant war er schlichtweg eine Niete. Zweitens war die Festung erbärmlich besetzt.
Man war auf sächsische Kriegsgefangene angewiesen, vor allem bei der Artillerie.
Im Hafen lag das Göteborg Geschwader. Der Kommandeur hieß Erik Carlsson Sjöblad. Wessel griff an, aber das Artilleriefeuer aus der Festung war leider recht präzise. Der
Angriff stockte. Auch die Marineeinheiten wehrten sich.
Am 12. Juli schließlich konnte Wessel doch noch die Stadt, den Hafen erobern. Seine 500 Soldaten waren in der Übermacht. Im Hafen wurden ganze 13 Schiffe der Göteborg-Flotte versenkt. Nur 3 konnten erobert werden. Das zeigte, dass sich die Schweden relativ teuer verkauft hatten. Die schwedischen Marinesoldaten, so um 120 Mann, zogen sich in die Festung zurück.
Immerhin hatten die Dänen 300 Geschütze erobert. Trotzdem war an eine Einnahme der Festung gar nicht zu denken.
Wessel, wie es seine Art war, informierte sich gründlich. Die Moral auf Seite der Schweden
war nicht die Beste. Und wie zuverlässig konnten Kriegsgefangene sein?
Er schrieb an den Festungskommandanten Dankwardt, dass er auf eine riesige Armee warte und sein Ausharren aussichtslos sei. „Die ganze dänische Streitmacht steht hinter mir, mindestens 20.000 Mann!“ Außerdem verteilte er Flugblätter, welche den Kriegsgefangenen die Freiheit versprachen, die Rückkehr in die Heimat.
In seiner Verzweiflung sah der besagte Dankwardt nur noch die Möglichkeit die eigene Stadt Marstrand zu beschießen, um den lästigen Feind rechtzeitig los zu werden. Auch Tordenskiold fing an auf die Festung zu feuern und traf den Wohnbereich des Festungskommandeurs, dem das Herz in die
Hose fiel.
Nun verfasste Wessel einen offenen Brief an Danckwardt.
Er solle sich doch überzeugen, wie schlagkräftig Wessels Armee sei. Unser verängstigter Oberst schickte Seekapitän Utfall, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Wessel und er kannten sich. Tordenskiold hatte ihn schon einmal, nämlich 1717, gefangen genommen. Der schwedische Kapitän hatte aber fliehen können.
Nun schwenkt die Sache ein wenig zur Legendenbildung ab. Die Beiden hätten gesoffen und im weinseligen Zustand hätte Utfall aus dem Fenster einer engen Straße in Marstrand heraus geschaut. Wessel wollte ihm
zeigen über wie viele Soldaten er verfügte. So defilierten endlos Soldaten in der engen Gasse vorbei. Waren die Vordersten aus dem Blickfeld, reihten sie sich wieder hinten an. Der Clou gelang. Der betrunken Schwede staunte und fiel auf den Trick herein. Utfall meldete also mindestens 1000 Soldaten, die sich zur Eroberung bereit machen würden.
Ich persönlich glaube eher, dass Wessel dem Kapitän Utfall ein Angebot gemacht hatte, den Festungskommandanten zur Aufgabe zu überreden, in dem er von der großen Streitmacht berichten sollte (Vielleicht auch durch Geld?). Und das wurde dann intensiv begossen.
Am 14. Juli gelang Wessel ein Glückstreffer. Der Pulverturm wurde getroffen und
explodierte. Am 15. Juli war es soweit.
Wieder wurde Utfall damit betraut die Übergabeverhandlungen zu führen.
Die Schweden ergaben sich.
Großzügig lud Vizeadmiral Wessel die höheren Offiziere zu einem Abendessen auf sein Flaggschiff ein, die Frederickshall. Er ließ sogar Salut schießen, als Dankwardt, Sjöblad, der seine Flotte verloren hatte, auf Deck erschienen. Man sagte Wessel Überheblichkeit nach und er selbst sah sich eben großzügig gegenüber einem besiegten Gegner.
Dieser Handstreich vermehrte den Ruhm Wessels enorm.
Der Festungskommandant Danckwardt wurde später wegen Feigheit von seinem
schwedisches Gericht verurteilt und geköpft.
Ob Utfall heil und unbeschadet bei der merkwürdigen Sache durch kam, da schweigt sich die Geschichtsschreibung aus.
Ich würde vermuten, dass er durchaus sein Auskommen gefunden hatte.
Ende
Nun schließt sich der Kreis zum ersten Band:
Der Überlebende Stael wurde nie belangt.
'Wessel befand sich in der Kutsche und blutete stark. Wie waren das noch für Zeiten gewesen, dachte er.'
Der Vierspänner kam in Rethen an, wieder auf Hannoverischem Staatsgebiet.
Im dörflichen Rethener Gasthaus verstarb Peter Wessel Tordenskjold wohl an inneren Blutungen.
Dass beim Duell eine Hauptschlagader aufgerissen worden war, wie behauptet, das glaube ich nicht.
Er hätte nicht mehr solange leben können.
In der Kapelle zu Rethen bahrte man ihn auf. Anderen Quellen zufolge in Grasdorf. Jedenfalls wurde sein Leichnam nach Koppenhagen überführt und in der Holmens Kirke beigesetzt.
(Statue in Oslo / Trondheim)
Dies geschah ohne Pomp in aller Stille, denn damals erhielten Duellanten kein kirchliches Begräbnis.
Wie bei Helden üblich, munkelten Andere, dass dies der intriganten Admiralität zu verdanken gewesen sei, die ein Staatsbegräbnis verhindert hätte.
Wessel war der größte Seeheld Norwegens. Immer wieder trug er mit unterlegenen Kräften den Sieg davon.
Seine ungestüme, risikofreudige Art der Kriegführung passte damals nicht Jedem.
In den Schulbüchern jedenfalls, wird der Held nicht vergessen.
Auch auf norwegischen Streichholzschachteln
kann man sein Bild bewundern.
Schließlich setzte man ihm auf der verhängnisvollen Salzwiese einen schwarzen Gedenkstein.
In Norwegen und Dänemark ist man mit Recht stolz auf ihn.
1817 ließ König Frederik VI. Tordenskiold ein Grabmal in einer Seitenkapelle der
Holmenkirche errichten.
Meine persönliche Meinung ist, dass er z.B. Sir Francis Drake in Nichts nachstand.
Mutmaßungen
Bei aller Liebe zum Detail, da kommen doch Fragen auf.
Wie kam es zu dem Duell?
Ein Schwede, Erzrivale des dänisch-norwegischen Seehelden, fühlte sich beleidigt? Nur weil Wessel ein zugegebener Maßen provokantes Anekdötchen von sich gegeben hatte? Das kann in dieser Zeit durchaus möglich gewesen sein, aber bestimmt nicht die Regel. Und die hohen Herren kannten nur eine Lösung: Das Duell. Ein guter Anlass zu Meuchelmord.
Da gab es das merkwürdige Missverständnis des Austragungsortes.
Plötzlich verschwand der Adjutant des
Tordenskjold mit den Pistolen.
Dieser Vorteil der Waffenwahl für Wessel wurde zunichte gemacht. Schließlich das Treffen in einem anderen Hoheitsgebiet? Warum?
In beiden Königtümern war das Duell verboten. Festzustellen ist, dass die Fluchtmöglichkeit für Stael wesentlich günstiger war, wenn er aus dem Bistum Hildesheim verschwinden konnte. Außerdem war für Wessel immer noch ein hohes Kopfgeld ausgesetzt. Der Duellant Stael blieb gänzlich ungeschoren. Ich würde daher vermuten, dass dieses Duell schlichtweg eine Falle war.
Gänzlich unüblich zu damaliger Zeit war die verschiedene Bewaffnung.
Es gab einen Adjutanten jeder Seite, der die Waffen für einen Kampf praktisch auf dem Silbertablett servierte. Zwei identische, die sich die Kontrahenten dann aussuchen konnten. Warum nahm man in diesem Fall einfach diejenigen, die man am Leibe trug? Zwei unterschiedliche?
Wieso wurde Wessel erst so spät unterrichtet, dass sich der Austragungsort verschoben hatte und vor allem, warum hatte sich sein Adjutant mit den bereitgestellten Pistolen so klammheimlich verdünnisiert?
Warum hatte der Adjutant der Gegenseite nicht ebenfalls Pistolen angeboten, wie es üblich gewesen wäre?
Die eigentliche Bewaffnung, die Wessel zugestanden hätte.
Mit dem Pistolenduell wäre Stael mit ziemlicher Sicherheit Gefahr gelaufen auf der Strecke zu bleiben, denn Wessel hätte den ersten Schuss gehabt. Wenig anzunehmen, dass er nicht getroffen hätte. Dagegen sah die Sache bei Hieb- und Stichwaffen anders aus. Selbst wenn es nicht programmgemäß verlaufen wäre, dann wäre Stael vielleicht verletzt worden. So aber verfügte er über eine Klinge, die wirklich nur im Kampf verwendet wurde. Sie sollte eben tödlich sein.
Bei einem relativ dünnen Stilett ist die Verteidigungsmöglichkeit mangelhaft.
Rapier gegen Langschwert ist Schlichterdings unfair.
Der höchst ominöse Abenteurer Sicre hatte Sael begleitet, der sich genauso schnell vom
Acker gemacht hatte, wie ein gewisser Münchhausen.
Den Verletzten, auch wenn er tödlich getroffen war, ließ der Sieger nicht einfach so verrecken. Man blieb normaler Weise, bis er zumindest versorgt, oder abtransportiert worden war. Das gebot der Anstand zu damaliger Zeit.
Ich bin der Überzeugung, dass der verhasste, so erfolgreiche Seeheld um die Ecke gebracht werden sollte.
Schon allein der Anlass und deren Ausuferung waren geplant. Nach einem Streit über die Diskussion wegen eines Kartenbetrugs kriegten sich die Gentlemen so in die Haare, dass die Fäuste flogen?
Dabei hätte schon ein symbolisches
Handschuh Werfen ausgereicht. Nein, es zeigte unbändigen Hass. Stael hatte die Auseinandersetzung forciert, zumal er ursprünglich gar nicht selbst beleidigt wurde.
Man muss dabei bedenken, dass der nordische Krieg im Jahre 1720 noch nicht beigelegt war und wie praktisch war es einen unberechenbaren, verwegenen und gefährlichen Admiral los zu werden.
Die Historiker haben bis heute nicht heraus gefunden, ob Stael das hohe Kopfgeld für Wessel kassiert hatte.
Diese, meine Meinung, ist unter Historikern umstritten. Denkbar ist sie jedenfalls.