Ein erfreuliches Telefongespräch
In diesen Tagen lese ich die Biografie Adalbert Stifters. Ich sehe mich bestätigt, denn auch er zweifelte an seinen Texten. Er verließ seine warme Stube und begab sich in die Natur, ging in den Wald und schrieb während seiner Wanderungen bedeutsame Texte nieder. Er schrieb im Gehen!
Im Gehen schreiben? Warum nicht!
Ich mache es den Großen nach und marschiere los. Allein der Begriff „Winterwald“ hat schon etwas
Besonderes. Ich denke an „Bergkristall“ und Stifter. Gleich hinter dem Dichterhaus führt der Weg in den Wald. Ich folge den Spuren im Schnee. Alle Sinne sind geöffnet, ich will mich inspirieren lassen vom großen Meister.
Da piepst mein Handy.
„Sie haben eine neue Nachricht“, steht am Display.
Jetzt nicht, denke ich und versenke das iPhon in der tiefsten Hosentasche.
Urbane Dorfgeräusche entfernen
sich schnell. Ich stelle mir vor, dass Stifter hier ebenso in Gedanken versunken spazierte, wie ich jetzt. Und dabei seine Gedanken formulierte. Seine Geschichten wirken auf mich langatmig, fast schwermütig. Zu viel Natur, zu wenig menschlich, denke ich. Jetzt, hier im Wald, verstehe ich die Tiefe der Texte allmählich, weil es mir ähnlich ergeht.
Das Handy piepst penetrant im Hosensack. „So, jetzt ist aber Schluß.“ Mein erster Gedanke ist:
Aus-Knopf-drücken. „Und wenn es wichtig ist?“, frage ich mich insgeheim. Ich schaue nach. SMS-Nachricht: „Bitte um Rückruf Europa-Literaturkreis Dringend!“ Ich rufe zurück. Nichts. Mailbox. „So wichtig kann das nicht sein“, sage ich. Handy in den Hosensack.
Weiter gehts in den Gedankenwald. Ich beginne zu sortieren und mache Waldgedanken daraus. Ich werde zum Naturgedankenfesthalter, zum Winterwaldhineinhorcher. Aber es
kommen auch Sommerwaldgedanken.
Der Duft der Fichten umhüllt mich, ich fühle, dass ich angekommen bin. Ein Gefühl des Nachhausekommens erfüllt mich, ich kann es körperlich spüren. Mein Herz schlägt schneller, nicht beklemmend, es ist wie bei meinem ersten Rendezvous mit meiner Freundin. Damals an einem heißen Sommertag, als ich mit einem aus Haselnusszweigen geschnitzten Pfeifchen schüchtern versuchte, ein Liebeslied zu flöten und ihr ein
stilles Lächeln auf die Lippen zauberte.
Statt Handy-Piepsen spüre ich ein Handy-Vibrieren im Hosensack. Noch bevor meine Gedanken über die angenehme Massage am Oberschenkel vertiefe, ziehe ich das iPhon aus der Tasche und drücke: Grün Anruf annehmen.
„Servus Ferdinand, hier ist der Sepp vom Europa-Literaturkreis.“
„Hallo Sepp, wo brennts?“, frage ich.
„Haha, ja es brennt ... nämlich die
Zeit unter den Fingernägeln! Wir brauchen deine Mithilfe. Ich gratuliere, dein Text „Der Bildermacher“ wurde von der Jury ausgewählt und soll in der nächsten Ausgabe des „Reibeisen“, dem Kulturmagazin für die Steiermark, abgedruckt werden. Wie findest du das? Ist das nicht super?“
„Wow, das nenn ich eine gute Nachricht, Sepp. Ich habe schon gar nicht mehr an diesen Text gedacht.“
Das ist glatt gelogen, aber ich denke, der Sepp muss ja nicht wissen, dass er mir soeben zu
meiner allerersten Veröffentlichung gratuliert hat.
„Du Ferdinand, dass ich´s nicht vergesse, es braucht noch ein paar Korrekturen. Ich schick dir per Mail einen Abzug. Und noch eine Bitte hätte ich - kannst du zur Präsentation der 34. Ausgabe des Kulturmagazins "Reibeisen" in Wien kommen und deinen Text vortragen?“
Und ob ich kann, denke ich. Zum Sepp aber sage ich: „Das lässt sich einrichten. Ich komme gerne. Also bis dann.“
Ich denke, dass es auch im Sinne Adalbert Stifters wäre, wenn ich jetzt meinen Spaziergang abbreche. Es gibt viel zu tun. Erstmal ist freuen angesagt.
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Autor
Ferdinand Planegger