Der Klempner
Ich bin Chef einer Firma. Meine eigene Firma. Gut, ich habe nur einen Angestellten, aber wenn ich auf die Gewinne sehe, welche am Schluss übrig bleiben, dann weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe.
Bei meinem lieben Angestellten Albert allerdings muss man sagen, dass er nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, wenn sie wissen, was ich meine. Außerdem sieht er nicht danach aus, als wäre er für die Rolle als Casanova geeignet.
Ich dagegen schon!
Aber allein das Aussehen sagt ja noch nichts.
Jedenfalls gab es einen Auftrag, einen kleinen.
Unter der Küchenspüle würde es tropfen. Mit unserem gut sortierten Sprinter schickte ich Albert los. Es war der Astaroth Weg 13 anzufahren.
Albert kam schon nach einer Stunde von dem Auftrag zurück.
„Erledigt“, fragte ich.
Albert wirkte irgendwie benommen, stand etwas neben sich. Blass wirkte er.
„Zu schwierig! Sie sagte, dass ich den Chef rufen soll.“
„WAS! Bist Du denn nicht mal in der Lage eine Dichtung einzusetzen, oder so? Da belästigst Du Deinen Chef? Und wer ist überhaupt sie?“
Er schnalzte mit der Zunge.
„Was für ein Weib! Die verspeist Männer zum
Frühstück, nicht nur Haferflocken. Die kann einen zur Hölle schicken und man freut sich auch noch darauf.“
Ich überlegte.
„Gut, dass Du so vernünftig warst, die Sache mir zu überlassen.“
Ich enterte unseren Sprinter und fuhr los. Als ich in den Astaroth Weg einbog, wurde es überraschender Weise nebelig. Nummer 13 lag etwas abseits. Ich klingelte. Es rührte sich nichts. Verlegen stand ich da. Ein zweites Klingeln. Die Türe öffnete sich.
„Keiner da?“
Öffnen von Geisterhand? Ich trat ein und schaute mich um. Der lange Gang hatte schwarze Wände. An einer Seite hing eine
Sense. Wie ein Bauernhaus sah es aber eigentlich nicht aus. Wozu dann eine Sense? Am Ende des Ganges wurde eine Türe geöffnet.
Sie erschien.
Was für eine Erscheinung!
Sie hatte ein Negligee an, das praktisch ein Nichts war. Insgesamt war sie ein atemberaubender Anblick. Ich war hin und weg.
„Ich bbb-bin der Klempner, der Chef. Installationsfirma Blechkapsel. Wo klemmt’s denn?“
„Ich finde, dass hier nichts klemmen muss, oder? Wer ist denn schon verklemmt?“
Ich schluckte schwer.
„In der Küche soll es sein?“
Sie ging vor und ich konnte ihre Rückseite bewundern. „Ja, da tropft es.“
Mir tropfte der Zahn. Die Küche hatte keine Fenster.
„Unter der Spüle." Ich kniete mich hin, reckte meinen Kopf in den Unterbauschrank und besah mir den Ablauf, den Krümmer, den Ducker. Die Arbeitslampe ließ ich gleich dort liegen. Das Licht störte sie sonst. Es tropfte tatsächlich. Als ich aus der Höhle wieder erschien, war die Fee der Männerherzen verschwunden, kam aber gleich wieder zurück. Sie hatte ein Kissen in der Hand und wedelte damit, wie Frau Holle mit einer Federboa. „Ich spendiere sogar mein Kuschelkissen. Für ihre Knie. Sie sollen wenigstens bequem vor mir knien.“
Ich nahm dankend an und fischte aus meiner Tasche den Kreuzschlitzschraubenzieher.
Ich musste die Rohrschellen lösen. Bevor ich wieder eintauchte, besah ich sie mir von unten nach oben. Ich hatte das Gefühl zu einem Denkveganer zu verkommen, so war ich verzaubert.
Um wenigsten irgendetwas zu sagen:
„Hätten sie vielleicht einen Eimer? Wegen dem Wasser, wenn ich das Rohr löse?" „Freilich“, grinste sie lasziv, „wenn man das Rohr löst, zum Einsatz bringt, da kann allerhand passieren.“
Sie kam mit einem silbernen Sektkühler zurück. Auf einer Seite wölbte sich ein Totenkopf heraus.
Ich stellte den Eimer unter den Krümmer und
schraubte. Ich löste die Rohrverbindung und es platschte in den Eimer. Die Flüssigkeit sah grün aus. Ich tauchte wieder auf.
„Eine neue Verbindung, das wäre das Beste.“ „Darauf hatte ich auch gehofft“, strahlten mich ihre Augen an. „Haben sie da einen Ehering?“ Verdammt, ich hätte ihn vorher abnehmen sollen!
„Och, der hat nichts zu sagen. Hat sich praktisch erledigt. Sie zerrt unsere Ehe nur in die Gosse und wo sie die vielen Männer hin zerrt, das will ich gar nicht erst wissen.“
„Das kann mir nicht passieren“, sagte sie süffisant, „bei mir kommen sie immer freiwillig. Und sie bereuten es nie. Die begaben sich sozusagen auf eine wunderbare Weltreise, wenn sie verstehen.“
Ich verstand und glaubte ihr.
Ich kramte zittrig die Ersatzteile aus meiner großen Tasche und machte mich ans Werk. Ich konnte mich kaum konzentrieren und erschien aus dem Unterbau wieder auf der Bildfläche, bevor ich die Schellen anziehen wollte. Sie stand immer noch da, wie ein einziger Männertraum. „Wenn sie schon mal da sind“, sagte sie, „da könnten sie vielleicht noch die Peperoni eindübeln.“ Sie zeigte auf eine Holzpeperoni, die als Aufhänger für Topflappen dienen sollte. Eine kleine Gefälligkeit war doch selbstverständlich. Ohne Abrechnung! Ich bin schließlich der Chef. Ich bohrte, um die Aufhängung einzudübeln.
„Sie können aber gut bohren. Und beim Eindübeln machen sie sicher auch eine gute
Figur.“
Ich schwitzte plötzlich und atmete. "Äh, ja, sicher!"
Schließlich hing die Peperoni.
„Sie ist scharf“, stotterte ich, um in meiner Verlegenheit einen Witz zu machen.
„Ein nettes Kompliment“, klapperten ihre Wimpern. „Ich, äh.“
Ich warf mich wieder auf ihr Kuschelkissen, verschwand in der Höhlung und zog die Schellen an. Dichtungen hatte ich auch neue eingesetzt.
"Es dürfte nun alles in Ordnung sein.
Wir probieren es jetzt mal miteinander aus“, schlug ich vor.
„Darauf warte ich schon die ganze Zeit.“
Ich schluckte wieder.
„Und Sie? Sind Sie verheiratet?“
Sie lachte.
Was hatte sie doch für reizendes Lachen!
„Ich bin doch nicht eisig, wie ein Schneeball!“ „Weiß und kugelrund?" Was haben wir gelacht? Ich kannte mich selbst nicht mehr.
"Bei Gott nicht“, stellte ich fest.
„Nein. Ich bin formbar, wissen sie. Und ich kann dahin schmelzen, vor allem wenn so ein heißer Gentleman vor mir steht.“
Ich zitterte.
„Geben Sie mir den Kübel wieder?“
Ich eilte. Merkwürdig! Der Kübel war innen vollkommen trocken. Sie presste den Kübel an ihre wunderbaren Brüste.
„Kommen sie mal mit.“
Sie legte den Kopf schief und ihr reizender
Mund war betörend. „Oder wollen sie nicht?“
Und ob ich wollte!
Ich war wieder in meinem kleinen Büro. Ich konnte mich kaum noch an etwas erinnern, aber dass ich auf einer köstlichen, unglaublichen Weltreise einen emotionalen Vulkanausbruch erlebt hatte, da war ich mir sicher.
Bevor ich mich über die lästige Ablage mit blöden Schriftstücken warf, fiel mir doch noch etwas ein.
Ich rief Schulz an.
„Malermeister Schulz und Söhne.“ „Hallo Gerd, ich bin’s, Karl, von der Blechkapsel. Ich hätte da einen tollen Auftrag für Dich. 'Ne größere Sache! Lukrativ! Und die
Auftraggeberin ist ein Traum, kann ich Dir versichern. Habe dort die Abflussgarnitur in der Küche repariert. Sie sagte, dass das ganze Haus einmal gestrichen gehöre. Ob ich jemanden wüsste. Tja, und da dachte ich an Dich.“
„Nett von Dir.“
„Schau’s Dir einfach einmal an. Asteroth Weg 13. Die Telefonnummer habe ich gerade nicht zur Hand. Muss't eben selber vorbei schauen. Lohnt sich“, grinste ich durch das Handy. „Verstehe, lachte Gerd, „hab‘ Dich schon verstanden. Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden“
Kaum hatte ich das Gespräch beendet, da klingelte es.
„Hier ist das Klinikum. Sind sie der Arbeitgeber
von Herrn Albert? Albert Haferkamp?“ „Ja.“
„Er wurde hier eingeliefert. Er ist schwer krank. Irgendetwas von Blutanomalie. Es sieht sehr ernst aus. Ich muss ihnen leider sagen, dass wir noch nicht wissen, ob wir ihn durch bekommen.“
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, stotterte ich.
„Er liegt auf Intensiv. Es hat keinen Sinn vorbei zu kommen. Sobald wir Näheres wissen, setzen wir uns mit Ihnen in Verbindung.“
„Verstehe“, klappte ich das Handy zu.
Albert tat mir leid und ich musste mich am Hals kratzen.
Ich besah mir den Hals im Spiegel. Ein Pickel? Sah eher aus, wie eine Bisswunde.