Da hockten wir nun. Unter dem Fenster, hinter den Sträuchern, gekitzelt von den Ästen und ich ohne Plan, wie wir aus dieser Situation wieder raus kommen würden. Es widerstrebte mir Gahoff mein Leben an zu vertrauen. Natürlich, er war auch irgendwie rein gekommen, aber das hieß noch lange nicht, dass man zu zweit wieder genauso gut das Anwesen verlassen konnte. „Was ist dein Plan?“, fragte ich nach einiger Zeit, da mein „Freund“ nicht wirklich Anstalten machte sich zu bewegen. „Wir warten!“, antwortete er mir und starrte unentwegt auf die zwei Wachen, die den Weg vor uns auf und ab gingen.
Ich wurde langsam wütend. Hatte er überhaupt einen Plan? Oder wartete er auf die richtige Zeit, dass uns die Patrouille töten konnte, wenn wir uns den Weg nach draußen bahnen würden. Auch wenn ich noch so zornig auf die Situation und Gahoff war, wartete ich gespannt auf seine nächsten Befehle. Seit wann war ich so ruhig? Seit wann gehorchte ich einem anderen Valdir? Ich konnte mir meinen Gemütszustand nur dadurch erklären, dass ich wirklich keine Ahnung hatte, wie ich von diesem Ort flüchten konnte. Auf weitere Anweisung wartend, beobachtete ich die Gegend. Der Teil des Hauses, aus dem ich geflüchtet war, befand sich auf
der linken Seite des gesamten Anwesens. Das riesige Tor, das der einzige mir bekannte Eingang und Ausgang des Grundstückes war, lag mittig zur Villa. Jedoch war dieser auch einige Meter entfernt, da das Haus einen riesigen Vorgarten hatte. Von unserer Position aus konnte ich es nicht sehen, da große Bäume und Sträucher es verdeckten. Auch der Weg vor uns, wo die Wachen positioniert waren, führte nicht zu dem Tor, sondern ums Haus herum. Wir müssten schon zum Haupteingang gelangen, um der Straße zum Ausgang zu folgen. Trotzdem hatte ich irgendwie das Gefühl, dass Gahoff gar nicht zu diesem Eingang gelangen wollte. „Gleich geht’s los, Schätzchen. Bist du
bereit?“, sprach der Blonde plötzlich und ich sah ihn nur verdutzt an. „Bereit für was?“, fragte ich ungläubig. Er stützte sich bei der Wand ab und flog direkt aus dem Busch raus. Gekonnt rollte er sich über das Gras und fand Schutz hinter einer weiteren großen Pflanze weiter links von uns. Es dauerte nicht lange schon robbte er sich um das Zimmer hinter das Haus. Er wollte gar nicht zum Vordereingang. Er wollte wo anders hin. Schnell machte ich mich bereit ihm zu folgen. Er war geschickt und schnell. Doch das konnte ich genauso wie er, wenn nicht sogar besser. Ich wartete ab, bis die Wachen in die andere Richtung gingen und jagte Gahoff hinterher. Ich merkte wie sich meine Sinne anspannten und
ich die Valdirmaske aufsetzte um meine ganzen Kräfte zu mobilisieren und sie sich sensibilisierten. Hinter dem Anwesen war es ruhiger. Gahoff wartete bei einer halbhohen Mauer auf mich. Ich fragte mich, woher er wusste, dass es einen zweiten Eingang gab oder ob, er einfach über den großen Zaun hüpfen wollte. Die zweite Möglichkeit schloss ich irgendwie aus, denn ich glaubte nicht, dass ein Valdir auf so eine Weise an sein Ziel gelangen wollte. Es gab ein Geheimnis, da war ich mir sicher. Gahoff war speziell im Ganzen ein Geheimnis. Sein Freund. Sein Plan. Sein Verrat oder nicht Verrat. Ich konnte es nicht mehr sagen. Obwohl, wenn er mich aus den Fängen des Anführers rettete,
dann musste er selbst nicht viel uns unserem Herren halten. Oder doch? War das Ganze eine Falle? Wollte der Boss sehen, ob ich flüchtete, also ihm noch einmal den Rücken zudrehte? Ich konnte es nicht sagen, doch ich wusste, dass ich auch Gahoff nach der Rettungsaktion loswerden musste. Mein Leben stand schon so zu sehr auf dem Spiel. „Unser nächster Weg führt zu dem kleinen Häuschen, dass wie ein Geräteschuppen aussieht. Siehst du es?“, gab mir mein Befreier die nächsten Befehle bekannt. Der Schuppen befand sich eher weiter weg vom Anwesen. Jedoch war es gut einsehbar und von den Fenstern des großen Gebäudes, konnte man es gut überblicken. Es war das
Todesurteil, wenn eine Wache auch nur kurz einen Blick nach draußen machte. „Spinnst du? Wie willst du dorthin kommen?“, fragte ich Gahoff und ließ mich auf den Boden fallen. Es war aussichtlos, auch nur zu hoffen, dass ich aus dem Ganzen lebendig herauskommen würde. Gahoff lächelte mich an. Wieso lächelte er? Was war nur falsch mit ihm? „Okay, anscheinend willst du, dass ich getötet werde!“, fuhr ich ihn an, weil ich sein Grinsen nicht ertragen konnte. „Xanya, du bist eien Valdir. Stell dir vor, in diesem Häuschen wäre deine Person, die du umbringen solltest. Wie wäre dein Plan, dass du dort hinein kommst?“, stellte er mir die
Frage. Verdammt noch einmal es war kein Auftrag. Es ging hier um mein Leben. Dennoch ließ ich mich auf sein Spiel ein. Was würde ich tun? „Ich würde warten bis es Nacht wird“, kam mir die erste Idee. Im Dunkeln war ich schon immer fantastisch und unauffindbar gewesen. Gahoff war von meiner Antwort aber nicht sonderlich überzeugt. „Das dauert zu lange. Du willst jetzt hinein!“ Wieder ratterte mein Gehirn. Ich war doch einer der besten Auftragsmörderinnen. Mir würde doch etwas Besseres einfallen. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Ablenkungsmanöver!“ „Ich wusste, dass du es kannst meine Liebe“,
antwortete der Blonde mir. Ich sah mich um, ob mir auf den ersten Blick etwas ins Auge stach, dass mir behilflich sein könnte. Jedoch konnte ich nichts erblicken, dass mir auch nur annähernd die Ablenkung bieten konnte, die ich brauchte. „Wenn du in den Schuppen gelangst, befindet sich eine Falltür im Boden. Diese Falltür führt zu einem Tunnel, der dich bis zum Marktplatz bringen wird. Bleib immer links“, erklärte mir Gahoff und versicherte sich, dass ich auch alles ganz genau verstanden hatte. „Was ist mit dir? Kommst du nicht mit?“, fragte ich ihn. Dann auf einmal leuchtete mir das Ganze ein. Er war mein Ablenkungsmanöver. Er blieb hier,
um meine Flucht zu vertuschen. Oder war das jetzt die Falle in die ich schnappen sollte? „Wer verspricht mir, dass in diesem Häuschen nicht mein Vollstrecker auf mich wartet?“, stellte ich gleich noch eine Frage und ließ Gahoff nicht einmal die vorherigen beantworten. „Ich verspreche dir das!“ „Du hast mir auch versprochen, dass du mir alles wegen deinem Freund erklärst und von diesem Zeitpunkt bis jetzt hatte ich dich nie mehr gesehen.“ „Ich musste warten bis du soweit warst“, erklärte er mir, „Vertrau mir Xanya, bitte!“ Er flehte mich quasi an. Das war ich von ihm und von einem Valdir gar nicht gewohnt. Ich ließ alle meine Gedanken in meinen Kopf zu.
Es kam mir wie ein Nudelsalat vor, das wirr durch mein Gehirn streifte. Ich war mir doch vor einigen Tagen so sicher, dass Gahoff keinen Verrat an den Anführer ausübte. Das das alles nur ein Trick gewesen war, damit er ihn beschützen konnte. Allerdings war jetzt wieder alles anders. Wieso war er so erpicht darauf mich zu retten? Für was benötigte er mich noch? Ich wusste es einfach nicht. Ich wusste nur, dass ich hier raus wollte und für das musste ich jetzt einfach auf ihn vertrauen. Es widerstrebte mir zu tiefst mich auf jemand anderen zu verlassen. Ein Valdir hörte nur auf sich selbst. Ein Valdir war ein Einzelgänger. Doch ein Valdir war ich anscheinend nicht
mehr. Was war ich dann? Meine ganze Identität zerbarst vor mir. Ich musste mich selbst wieder finden und dass konnte ich nur, wenn ich frei war. Ich nickte Gahoff zu. Er wusste einerseits, dass ich mich nicht mit voller Überzeugung auf ihn einließ, andererseits, dass ich keine anderen Aussichten hatte. „Okay, das heißt, auf drei geht’s los!“, sprach er motiviert und wollte schon anfangen zu zählen. „Warte!“, unterbrach ich ihn schnell, „Werden wir uns draußen wieder sehen?“ „Ich finde dich schon mein Mäuschen!“, zwinkerte er mir zu. Ich überdrehte nur genervt die Augen. Vielleicht wollte ich ihn doch nicht mehr sehen,
wenn er es nicht mit diesen Spitznamen lassen konnte. Im nächsten Augenblick war er schon bei drei angelangt und das Ablenkungsmanöver und meine Befreiung nahmen seinen Lauf.