Ich möchte nicht.
Wirklich nicht!
Das Zimmer so kalt.
Die Wohnung so kalt!
Und doch zwingt mich mein Körper hoch.
Ich muss.
Ich muss aufstehen.
Meinen Körper aus dem warmen Bett rollen.
Ich hätte nicht so viel trinken sollen.
Am Abend.
Wasser in Strömen.
Warum habe ich nur abends immer so einen Durst?
Warum, warum?
Ein Blick auf den Wecker.
4:20 und 23 Sekunden.
Mein Lieber hat bestimmt gerade „Mittagspause“.
„Mitternachtspause“!
Ich stelle mir vor, wie er seinen Apfel futtert.
Und jede Menge dummes Zeug erzählt.
Die anderen zum Lachen bringt.
Lächeln.
Auf meinen Lippen.
Und jetzt stehe ich wirklich auf.
Tapse durch die kalte dunkle Wohnung.
Kalt und dunkel.
Gänsehaut.
Noppen überall.
Ich muss mal.
Rauschen.
Abspülen.
Aufstehen.
Ich halte inne.
War da was?
Spitze die Ohren.
Bilde mir manchmal viel ein!
Wenn ich damit anfange …
Ich öffne die Tür.
Einen Spalt.
Schritte.
Da ist wirklich was!
Eilige Schritte.
Leise, aber auch nicht so leise.
Und dann …
Rums.
Die Wohnzimmertür lässt sich nicht leise öffnen.
Nur laut.
Da ist tatsächlich jemand!
Zwei Personen können es sein!
Müssten es eigentlich sein.
Meine Beine schlackern.
Mein Herz rast.
Kalt ist mir trotzdem.
Habe nichts an.
Trage nachts keine Kleidung.
Wie doof!
Was soll ich machen?
Die Küche wird vom Flur durch einen Vorhang getrennt.
Weil alles so klein ist. Eine Tür?
Sie würde zu viel Platz benötigen.
Stehe mitten in der winzigen Küche und weiß nicht …
Lausche.
Im Wohnzimmer rappelt es ordentlich!
Verkrieche mich unterm Tisch.
Entschuldige mich bei den Spinnen, deren Werk ich gerade eben zerstört habe.
Ein kleiner Döner-Rest unter meinem Fuß.
Geschäftiges Treiben im Flur.
Ich hocke.
Wie eine Maus!
Unterm Tisch an die kalte Wand gelehnt.
Ein Krampf in der Wade kündigt sich an.
Ich sollte …
Ich sollte schreien.
Hervorspringen und denen die Gurgel umdrehen!
Ich sollte unser Hab und Gut verteidigen.
Ich sollte …
zumindest das Kennzeichen notieren.
Dafür müsste ich einen guten Meter bis zum Fenster schaffen.
Stift und Papier liegen gegenüber auf der Ablage.
Das Handy befindet sich im Schlafzimmer.
Neben dem warmen Bett.
Dem warmen Bett!
Wenn die bemerken, dass das Bett warm ist, werden sie mich suchen!
Zittere am ganzen Leib.
Zitternd und steif hocke ich unterm Tisch.
Starr vor Angst.
Ich sollte hervorkriechen, um den Tisch herum, Stift und Papier greifen, um den Tisch wieder zurück, zum Fenster, die Lamellen auseinander ziehen, lautlos(!), das Kennzeichen lesen und dann …
ohne Zahlendreher notieren
und schnell wieder unter den Tisch.
In mein Versteck.
In mein Versteck, das eigentlich keines ist.
Der Plan steht.
Mein Körper zeigt sich unfähig.
Rumpeln im Flur.
Ich kann mir nicht glauben.
Nicht glauben, dass ich es schaffen kann.
Darum flüstere ich.
Ganz leise!
„Komm, steh auf! Du schaffst das!
Bei drei!
Eins, zwei …“
Plötzlich herrscht Stille im Flur.
Eine Männerstimme.
Gedämpft.
„War da was?“
„Weiß nicht. Lass uns verschwinden!“
Ich bin ganz still.
Bis auf mein Herz.
Es macht einen Höllenlärm!
Wenn die jetzt abhauen, habe ich nicht mal das Kennzeichen!
Ich muss mich beeilen.
Wenn nicht jetzt, dann ist es zu spät!
Also …
Ich bewege mich völlig geräuschlos.
So gut es geht.
Mein Knie knackt.
Warum bloß?
Schnell ducke ich mich wieder zurück in meine Hockstellung.
Mein Ohr pfeift.
Bin völlig blockiert.
Mit dem Hinterteil reiße ich das Wandkörbchen runter.
Blödes Körbchen!
Mein täglicher Schmuck,
also ein paar Ringe, eine Uhr und Millionen Armbänder krachen auf die Fliesen.
Der Vorhang wird zur Seite gerissen.
Ich stehe da.
In halber Hockstellung
und zugekniffenen Augen.
Idiotisch!
Als könnten sie mich so nicht sehen!
„Lass uns abhauen! Die macht nichts“, zischt der eine.
Laut polternd rennen sie raus.
Autotüren schlagen.
Der Motor heult auf.
Und ich?
Stehe zitternd auf wackeligen Beinen.
Bewegungsunfähig.
In halber Hockstellung
und heule.
Ich möchte nicht.
Wirklich nicht!
Das Zimmer so kalt.
Die Öfen noch kalt.
Das Bett so muschelig warm.
Beinahe Tag.
Es dämmert.
Ich muss.
Ich muss aufstehen.
Mein Körper fordert seinen Tribut.
Ich atme durch und wische gedankenverloren die Tränen aus dem Gesicht.
Wundere mich.
Tränen?
Schlüpfe in die warmen Puschen.
Der Fleece-Morgenmantel wärmt in wenigen Augenblicken meinen Körper.
Als erstes heize ich den Wohnzimmerofen an.
Das Holz knackt heimelig.
Ich ziehe den Vorhang zur Küche beiseite ...
Und staune nicht schlecht.
Ein großer Strauß Tulpen verkündet den kommenden Frühling.
Wie ist der …?
Wann ist der hier …?
Hat er …?
Auf dem Boden die Bescherung!
Mein Schmuck liegt durcheinander auf dem Fußboden.
???
Ach ja, ich war dagegen gekommen.
Als ich mal musste.
In der Nacht.
Oder?
Wasserrauschen.
Oh!
Mein Lieber ist schon da!
Natürlich!
Die Tulpen …
Die Schiebetür öffnet sich sachte.
Schuldbewusst sieht er mich an.
„Ich räum es gleich auf!
Bin dagegen gekommen.“
Gemeinsam hocken wir über den Millionen Armbändern.
Sammeln alles zusammen.
Ein zartes Küsschen.
„Danke“, sag ich,
„die Tulpen sind wunderschön.“