Das Ohr
Na ja, so richtig lieb hatten sich die Engländer und Franzosen nicht. Vor allem aber nicht zur See. Trotz alledem waren sie so vernünftig einen Frieden zu schließen. Es war der Vertrag zu Utrecht im Jahre 1713. Dieser Vertrag erlaubte den Briten Waren zollfrei von Kontinent zu Kontinent zu verschiffen. Dafür durften sie auch spanische Häfen nutzen.
Allerdings, wie immer bei solchen Verträgen, gab es einen Haken. Es ging um den noch gültigen Abschnitt des „Asiento del Negro“.
Ohne weiter darauf einzugehen, kann man es auf einen Nenner bringen. Sklavenhandel war mit den spanischen Kolonien ausgeschlossen.
Dieses glänzende Geschäft ließen sich die Spanier nicht nehmen!
Ein weiterer Vertrag folgte (Vertrag Sevilla 1729), in dem sich England verpflichtete mit den spanischen Kolonien in Nordamerika keinen Handel zu treiben. Den Handelskapitänen war dies ein Dorn im Auge. Sie wollten sich diesen Handelsbeschränkungen nicht beugen und verdienten sich dumm und dämlich am Schmuggel.
Das wiederum passte den Spaniern nicht. Und so gab es Patrouillenboote, welche die englischen Handelsschiffe aufbrachten und die Schmuggelware beschlagnahmten. Eigentlich war das Recht dazu auf der Seite der
Spanier.
Das Schicksal nahm seinen Lauf.
Kapitän Robert Jenkins war bester Laune. Seine Brigg Rebecca lief wunderbar im Wind. Er war nach guten Geschäften gerade auf der Rückfahrt von den Westindischen Inseln auf dem Weg zurück nach England.
„Kapitän Jenkins, Sir, die Spanier!“
Die Rebecca war ein gutes Handelsschiff, aber gegen die blitzschnelle, spanische „La Isabella“ hatte sie keine Chance.
Der spanische Kapitän hieß Julio de Leon Fandino und war nicht von der milden Sorte. Zu sehr ärgerte ihn, dass die Engländer sich andauernd am Schmuggel bereicherten. Er
enterte die Rebecca und ließ sie von seinen Soldaten untersuchen.
Ich vermute, dass er tatsächlich fündig wurde. Wäre ein Wunder gewesen, wenn nicht. Jedenfalls wurde der erregbare Südländer sauer. Weil Jenkins gelogen hatte, ließ er ihn an den Mast binden und säbelte ihm ein Ohr ab. Das pfefferte er auf die Deckplanke und donnerte. „Und wenn es der König von England wäre, ich würde mit ihm genauso verfahren.“
Die gefundene Schmuggelware wurde beschlagnahmt. Vielleicht sogar noch etwas darüber hinaus als Zollabgabe.
Jenkins kam mit seiner ausgeplünderten Rebecca in London einohrig an und hastete
ins Unterhaus des englischen Parlaments. Er beschwerte sich, dass er von diesen miesen Spaniern gedemütigt und gequält worden wäre, vor allem, da er doch so unschuldig gewesen sei. Er hätte gar nichts geschmuggelt.
Der Premier Robert Walpole ekelte sich offenbar vor dem schlabbrigen Ohr, das ihm Jenkins unter die Nase hielt. Man musste noch vorsichtig agieren und so geschah erst einmal nichts. Die Engländer schmuggelten weiter und die Spanier ärgerten sich und enterten.
Ganze sieben Jahre später aber hatte Jenkins endlich seinen Auftritt im Unterhaus. Man schrieb das Jahr 1739.
Jenkins hatte nachweislich nur noch ein Ohr,
aber er hatte sogar sein verlorenes in einem Glas Alkohol dabei, in dem munter sein abgeschnittenes Ohr schwamm. Ob es nun wirklich sein eigenes gewesen war, wage ich nach dieser langen Zeit zu bezweifeln, aber effektvoll war es allemal. Nur in Formaldehyd wäre es möglich gewesen das Ohr zu konservieren. Jenkins allerdings wies ein Alkohol schwangeres Gefäß hervor. Er fuchtelte damit vor dem versammelten Unterhaus herum. Übrigens ein einmaliger Vorgang,
Nun gab es auch in der Bevölkerung Entrüstung und die Presse empörte sich ebenfalls gewaltig.
Der öffentliche Druck stieg!
Allein wegen der Handelsinteressen, beschloss England nun eine ganze Schwadron schwerer Kriegsschiffe auslaufen zu lassen. Es ging natürlich um den lukrativen Überseehandel und die Vormachtstellung auf den Weltmeeren. Da waren Handelsbegrenzungen Gift, zumindest aus der Sicht der Engländer.
Und tatsächlich, es kam zu einer Kriegserklärung am 23. Oktober 1739.
Bekannt wurde dieser etwas sinnlose Krieg unter der Bezeichnung:
„Jenkin‘s Ear War.“ (Der Krieg um Jenkins Ohr).
Jedenfalls legten die Engländer los. Der lukrative Handel im westindischen Raum sollte den Spaniern, Franzosen entrissen werden.
Das erste Jahr des Krieges war auch von Erfolg gekrönt.
Nachdem sich die Kriegspläne der britischen Regierung zunächst auf Havanna und Cartagena konzentriert hatten, gelang dem britischen Vizeadmiral Edward Vernon in einem Überraschungscoup am 21. November 1739 die Einnahme des spanischen Portobelo.
Vielleicht von Hass getrieben, oder einfach in Großmannssucht ließ Vernon die Festung und Verteidigungsstellungen schleifen. Eine übliche Vorgehensweise damals. Allerdings hatte es schlimme Folgen. Man hätte diese Eroberung für den weiteren Kriegsverlauf als befestigte Stellung gut brauchen können. Diese taktische Untat sollte sich rächen.
Wie es sich für den Stolz der Engländer gehört, gibt es die berühmte Portobelo-Road in London, die an diesen Erfolg erinnert.
Eigentlich sollte der ganze Silberhandel der Spanier dadurch zunichte gemacht werden, dass der Seeweg zwischen Cartagena und Panama unter Kontrolle gebracht würde. Die anfänglichen Erfolge blieben aus. Landungen waren mit der Seeflotte nicht übereinstimmend und scheiterten gewaltig. Hinzu kamen Tropenkrankheiten und die Stellung in Portobello war nicht mehr brauchbar.
Im Jahr 1742 waren in Panama gerade mal 1500 einsatzbereite, britische Soldaten verfügbar. Damit konnte man keinen Blumentopf gewinnen.
.Schließlich verlief dieser Krieg im Sande. Im Jahr 1742 wurde das britische Expeditionskorbs aufgelöst und damit galt der
"War of Ear" als beendet.
In Wirklichkeit zeigt die Geschichte, dass Britannien keineswegs die lukrativen Seewege aufgab. Sir Francis Drake und Nachfolgeadmiräle begründeten das Seereich der Briten.
Einzigartig blieb, dass ein Krieg wegen eines Ohres ausgelöst wurde.